Arbeitssucht Workaholics sind ein Risiko für Chefs und sich selbst

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Diese Typen neigen zur Arbeitssucht

In einer späten Phase der Erkrankung mischen Arbeitssüchtige überall mit, wollen sich um alles kümmern, springen von einem Projekt zum anderen – kurzum, sie fassen alles an, bekommen aber nichts mehr vernünftig abgeschlossen. Der Mitarbeiter, der also zu Beginn vielleicht durch Mehrarbeit, schnell abgeschlossene Projekte und viel Einsatz besonders glänzen konnte, produziert nun Fehler und häufig auch Probleme im Arbeitsklima.

Grund genug für Arbeitgeber, solchen Entwicklungen entgegenzuwirken. Auch, weil Chefs die gesetzliche Fürsorgepflicht tragen, dass Mitarbeiter sich nicht gesundheitlich ruinieren.

Das Tückische an der Arbeitssucht: Betroffene werden regelmäßig belohnt. Erfolg beim Kunden, Erfolg bei Projekten, Erfolg bei der Karriere – in einer Leistungsgesellschaft profitieren Arbeitssüchtige häufig von ihrem übermäßigen Einsatz.

Wie gehen Sie mit Stress und Ärger um?
Den Stress erkennenDenken Sie darüber nach, welche Faktoren Stress auslösen und bringen Sie diese in eine Rangfolge. Nicht alle Gründe wiegen gleich schwer. Stressauslöser, die bisher als unumgänglich gelten, könnten zu körperlicher und seelischer Beeinträchtigung führen. Quelle: Fotolia
Intuition nicht verkümmern lassenIn kritischen Situationen spontan regieren zu können, ist nicht nur auf der Straße wichtig. Auch im Büro sollte die Bedeutung des Bauchgefühls nicht unterschätzt werden. Wer in Situationen mit Kollegen und Kunden zu kopflastig reagiert, kann sie in Sekunden vergraulen. Laut Conen ist Intuition lernbar – und kann wieder erweckt werden, falls man dazu bereit ist. Quelle: Fotolia
Aufbrechen oder Ausharren?Jede Veränderung schenkt ein Stück neues Leben. Dennoch ist nicht jeder Unmut Grund genug, alles über den Haufen zu werfen. Veränderung ist kein Allheilmittel. Tiefen durchzustehen ist das eine, chronischer Frust das andere. Quelle: Fotolia
Die Gesundheit leidetViele vermeiden es über Jahre, sich Erschöpfung einzugestehen. Ein Burnout kann ein schleichender Prozess sein. Jahrelanger Medikamenten, Alkoholmissbrauch, Autoimmunerkrankungen oder psychische Auffälligkeiten weisen auf Erschöpfung hin. Quelle: imago images
Das Bauchgefühl verbessernLernen Sie ihre Sinne wieder einzusetzen. Riechen und fühlen Sie die Natur oder konzentrieren Sie sich auf die verschiedenen Bestandteile ihres Essens. Verlangsamen Sie eine Aktivität wenn es möglich ist und genießen Sie den Augenblick. Versuchen Sie die Umgebung abzuscannen und sich einzuprägen. Quelle: Fotolia
Das Chamäleon-PrinzipDas Chamäleon sollte das Tier dieses Jahrhunderts werden. Es zeigt alle Fähigkeit, die heute notwendig sind. Vor allem kann es sich auf veränderte Bedingungen einstellen. Es geht nicht darum, seine Authentizität zu verlieren. Es geht darum, sich nicht mehr zu wünschen, dass alles wieder so wird, wie es mal war. Das macht unglücklich. Wagen Sie in der Jobkrise den Sprung in eine zweite Karriere. Quelle: dpa
Neue Energie gewinnenHinterfragen Sie, wo Sie wie viel Energie investieren und ob es sich lohnt. Hinterfragen Sie Ihre innere Motivation und konzipieren Sie um. Schaffen Sie es Ihr Energielevel unter Kontrolle zu halten, bleibt mehr für die Freizeit über. Quelle: Fotolia

„Es gibt Menschen, die von der Persönlichkeit bestimmte Strukturen mitbringen, die Arbeitssucht begünstigen", sagt Rademacher. Häufig definieren sich diese Charaktere primär über Leistung, bringen diese Haltung aus dem eigenen Elternhaus, der Schule oder auch dem Leistungssport in Kinder- und Jugendtagen mit.

„Ein hohes Leistungsethos ist oftmals die Ursache“, erklärt Wirtschaftspsychologe Poppelreuter. „Daraus entsteht eine Selbstdefinition über Leistung: Ich bin gut und bekomme Anerkennung, wenn ich gut bin, wenn ich mich anstrenge, wenn ich mich reinhänge.“ Die daraus resultierende Denkweise: Nur überdurchschnittliche Leistung und Anstrengung verdienen besondere Zuwendung. Da gilt es, gegenzusteuern.

Nur die richtige Entspannung führt zum Erfolg
Leute stehen zusammen und trinken Kaffee und Wasser Quelle: Robert Kneschke - Fotolia.com
Eine Familie beim Spaziergang Quelle: dpa
Eine Frau dehnt sich hinter dem Schreibtisch. Quelle: Robert Kneschke - Fotolia.com
Eine Frau scheint tief einzuatmen. Quelle: fizkes - Fotolia
Eine To-Do-Liste Quelle: Bjoern Wylezich
Zwei Rennradfahrer Quelle: Kzenon - Fotolia.com

Wichtig sind präventive Maßnahmen in Unternehmen, damit Arbeitssucht gar nicht erst entstehen kann, raten Experten. Dazu zählen stringente Pausen- und Überstundenregeln ebenso wie eine sinnvoll strukturierte Arbeitsaufteilung die einzelne Mitarbeiter nicht übermäßig belastet. Das heißt, sich häufig wiederholende, freiwillige Mehrarbeit zum Beispiel sollte nicht auch noch zusätzlich belohnt, sondern kritisch hinterfragt werden.

„Manche sagen vielleicht ‚Mag ja sein, dass das Nachteile hat, aber mir macht mein Job einfach so Spaß‘ oder ‚Ich brenne eben für meine Arbeit‘. Aber auf Dauer leiden auch diese Leidenschaftlichen unter der ständigen Verausgabung“, sagt ISM-Professorin Rademacher.


Der Arbeitssucht etwas entgegensetzen

Der einzige Weg raus aus der Arbeitssucht: Betroffene müssen mit ihrem überengagierten Verhalten immer wieder konfrontiert werden. „Wenn ein Chef solches Verhalten beobachtet, muss er es klar ansprechen“, rät Poppelreuter. Findet keine Veränderung statt, kann er dem Mitarbeiter Unterstützung – etwa in Form eines gezielten Coachings – anbieten, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen.

„Alternativ kann er etwa mit harten Maßnahmen die Arbeitszeiten begrenzen und ihn zum ‚normalen‘ Arbeiten zwingen, um ihn erkennen zu lassen, dass sein Verhalten nicht hilfreich, sondern falsch ist.“

Letztendlich muss der Arbeitssüchtige aber selbst erkennen, dass sein übermäßiges Arbeiten nicht gewünscht und auch nicht notwendig ist. Denn für die Heilung eines Workaholics hilft kein Zwang. Um Arbeitssucht zu behandeln, müssen die Betroffenen ihr Problem erkennen und an sich arbeiten.

„Man ist angewiesen auf Signale von außen“, sagt Poppelreuter. „Einerseits können das die körperlichen Warnsignale sein, andererseits Warnhinweise aus dem sozialen Umfeld, sprich Familie, Freunde, Kollegen.“ Kommt ein Arbeitssüchtiger zur Einsicht, dass er seine Arbeitsleistung, seine eigene Gesundheit und häufig auch sein Sozialleben in Gefahr bringt, ist der erste Schritt zur Besserung getan.

Aus einer ernsthaften Arbeitssucht hilft laut Experten nur eine Psychotherapie hinaus. Bei leichten Anzeichen arbeitssüchtigen Verhaltens können Selbsthilfegruppen – etwa im eigenen Unternehmen oder Treffen der Anonymen Arbeitssüchtigen (AAS) – helfen. Auch Einzelcoachings von Psychologen, die die Ursachen in den Blick nehmen, Selbstreflexion unterstützen und Verhaltensänderung vorantreiben, können sinnvoll sein.

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