In einer späten Phase der Erkrankung mischen Arbeitssüchtige überall mit, wollen sich um alles kümmern, springen von einem Projekt zum anderen – kurzum, sie fassen alles an, bekommen aber nichts mehr vernünftig abgeschlossen. Der Mitarbeiter, der also zu Beginn vielleicht durch Mehrarbeit, schnell abgeschlossene Projekte und viel Einsatz besonders glänzen konnte, produziert nun Fehler und häufig auch Probleme im Arbeitsklima.
Grund genug für Arbeitgeber, solchen Entwicklungen entgegenzuwirken. Auch, weil Chefs die gesetzliche Fürsorgepflicht tragen, dass Mitarbeiter sich nicht gesundheitlich ruinieren.
Das Tückische an der Arbeitssucht: Betroffene werden regelmäßig belohnt. Erfolg beim Kunden, Erfolg bei Projekten, Erfolg bei der Karriere – in einer Leistungsgesellschaft profitieren Arbeitssüchtige häufig von ihrem übermäßigen Einsatz.
„Es gibt Menschen, die von der Persönlichkeit bestimmte Strukturen mitbringen, die Arbeitssucht begünstigen", sagt Rademacher. Häufig definieren sich diese Charaktere primär über Leistung, bringen diese Haltung aus dem eigenen Elternhaus, der Schule oder auch dem Leistungssport in Kinder- und Jugendtagen mit.
„Ein hohes Leistungsethos ist oftmals die Ursache“, erklärt Wirtschaftspsychologe Poppelreuter. „Daraus entsteht eine Selbstdefinition über Leistung: Ich bin gut und bekomme Anerkennung, wenn ich gut bin, wenn ich mich anstrenge, wenn ich mich reinhänge.“ Die daraus resultierende Denkweise: Nur überdurchschnittliche Leistung und Anstrengung verdienen besondere Zuwendung. Da gilt es, gegenzusteuern.
Wichtig sind präventive Maßnahmen in Unternehmen, damit Arbeitssucht gar nicht erst entstehen kann, raten Experten. Dazu zählen stringente Pausen- und Überstundenregeln ebenso wie eine sinnvoll strukturierte Arbeitsaufteilung die einzelne Mitarbeiter nicht übermäßig belastet. Das heißt, sich häufig wiederholende, freiwillige Mehrarbeit zum Beispiel sollte nicht auch noch zusätzlich belohnt, sondern kritisch hinterfragt werden.
„Manche sagen vielleicht ‚Mag ja sein, dass das Nachteile hat, aber mir macht mein Job einfach so Spaß‘ oder ‚Ich brenne eben für meine Arbeit‘. Aber auf Dauer leiden auch diese Leidenschaftlichen unter der ständigen Verausgabung“, sagt ISM-Professorin Rademacher.
Der Arbeitssucht etwas entgegensetzen
Der einzige Weg raus aus der Arbeitssucht: Betroffene müssen mit ihrem überengagierten Verhalten immer wieder konfrontiert werden. „Wenn ein Chef solches Verhalten beobachtet, muss er es klar ansprechen“, rät Poppelreuter. Findet keine Veränderung statt, kann er dem Mitarbeiter Unterstützung – etwa in Form eines gezielten Coachings – anbieten, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen.
„Alternativ kann er etwa mit harten Maßnahmen die Arbeitszeiten begrenzen und ihn zum ‚normalen‘ Arbeiten zwingen, um ihn erkennen zu lassen, dass sein Verhalten nicht hilfreich, sondern falsch ist.“
Letztendlich muss der Arbeitssüchtige aber selbst erkennen, dass sein übermäßiges Arbeiten nicht gewünscht und auch nicht notwendig ist. Denn für die Heilung eines Workaholics hilft kein Zwang. Um Arbeitssucht zu behandeln, müssen die Betroffenen ihr Problem erkennen und an sich arbeiten.
„Man ist angewiesen auf Signale von außen“, sagt Poppelreuter. „Einerseits können das die körperlichen Warnsignale sein, andererseits Warnhinweise aus dem sozialen Umfeld, sprich Familie, Freunde, Kollegen.“ Kommt ein Arbeitssüchtiger zur Einsicht, dass er seine Arbeitsleistung, seine eigene Gesundheit und häufig auch sein Sozialleben in Gefahr bringt, ist der erste Schritt zur Besserung getan.
Aus einer ernsthaften Arbeitssucht hilft laut Experten nur eine Psychotherapie hinaus. Bei leichten Anzeichen arbeitssüchtigen Verhaltens können Selbsthilfegruppen – etwa im eigenen Unternehmen oder Treffen der Anonymen Arbeitssüchtigen (AAS) – helfen. Auch Einzelcoachings von Psychologen, die die Ursachen in den Blick nehmen, Selbstreflexion unterstützen und Verhaltensänderung vorantreiben, können sinnvoll sein.