Natürlich sei es hilfreich, wenn Personaler in der Zeiterfassung einfach prüfen könnten, wer regelmäßig kritisch viele Überstunden macht, so die Wirtschaftspsychologin. Doch das reiche leider nicht aus. „Arbeitssüchtige arbeiten natürlich häufig auch mehr und haben mehr Überstunden. Es gibt allerdings auch nicht Arbeitssüchtige, die über längere Zeiträume, in bestimmten Phasen deutlich über das Ziel hinausschießen", sagt Rademacher.
Ein Projekt muss fertig werden, die Beförderung soll schneller erreicht werden oder ein Kredit im Nacken verlangt möglichst viel Geld und Leistung – viele Gründe können Mehrarbeit und überproportional starkes Engagement hervorrufen. Gefährlich wird es, wenn es um das reine Gefühl des mehr Leistens, mehr Erreichens geht – und die Ausnahme zur Regel wird. „Ich kann nach einem schwierigen Projekt wieder einen Gang runterschalten und entspannen – oder ich denke: ‚Das war toll. Super, dass ich das geschafft habe!‘ und setze mir neue hohe Ziele mit engen Deadlines und straffem Terminplan", beschreibt es Rademacher.
Arbeitssüchtige laden sich selbst immer mehr neue Aufgaben auf. Workaholics sind daran zu erkennen, dass ihnen das Nicht-Arbeiten mit einem guten, entspannten Gefühl einfach nicht mehr gelingen mag. Experten vergleichen Workaholics gerne mit Alkoholsüchtigen: „Nicht jeder der Wein trinkt, ist Alkoholiker. Aber wenn es Ihnen schwerfällt abends auf den Wein zu verzichten, ist das ein erster Hinweis darauf, dass Sie vielleicht die Kontrolle verlieren", erläutert Rademacher. Wer ohne Arbeit nervös wird und sich nur wohl fühlt, wenn er möglichst produktiv ist – bei dem sollten erste Alarmglocken läuten.
Freizeit wird zur Horrorvorstellung
Wird ein freier Tag zur Horrorvorstellung, dann ist eine Schwelle überschritten. Und wer es weiter treibt, dem droht, dass irgendwann der Kopf nicht mehr kann und auch der Körper rebelliert. Neben Konzentrationsschwierigkeiten können zum Beispiel Schlafstörungen, Magengeschwüre Schweißausbrüche, Herzrasen bis hin zum Herzinfarkt und schließlich auch Depressionen und Burn-out die Folge sein. In der Hochleistungsgesellschaft Japan hat das Phänomen des sich-zu-Tode-arbeitens sogar einen eigenen Namen: Karoshi.
Früher wurde Arbeitssucht oft verharmlosend als Manager- oder Modekrankheit bezeichnet. „Sie ist aber eine ernsthafte Erkrankung", mahnt Rademacher, die erhebliche gesundheitliche Folgen und auch unternehmerische Schäden nach sich ziehen kann.
Für das Thema Arbeitssucht zu sensibilisieren ist deshalb ein großes Anliegen der Wirtschaftspsychologin. Ihr aktuelles Buch „Arbeitssucht. Workaholismus erkennen und verhindern“ soll deshalb einen Überblick über die Arbeitssucht bieten – wie man sie erkennt und wie man sie verhindert.
Workaholismus als Gefahr für Unternehmen
Denn auch wenn extrem leidenschaftlicher Tatendrang, großes Engagement und Perfektionismus es vermuten lassen – Arbeitssüchtige bringen nicht unbedingt die besten Leistungen, warnen die Experten. Für Unternehmen können sie so schnell vom Musterknaben zum Problemfall werden.
Was bei der Arbeit stresst
Was sorgt im Büro für Stress? Der Personaldienstleister Robert Half hat im höheren Management nach den wichtigsten Gründen gefragt. Dabei gaben 18 Prozent der Befragten zu viel Verantwortung oder ständiges an die-Arbeit-denken auch in der Freizeit als Grund für Stress bei der Arbeit an. Nur in Tschechien können die Beschäftigten außerhalb des Arbeitsplatzes schwerer abschalten - dort gaben 28 Prozent an, dauernd an die Arbeit denken zu müssen. Auf der anderen Seite der Skala ist Luxemburg: nur fünf Prozent haben dort dieses Problem.
Keinen Stress haben dagegen nur sieben Prozent der deutschen Befragten. Genauso niedrig ist der Anteil derer, die ihren aktuellen Job nicht mögen.
Unangemessener Druck vom Chef nannten 27 Prozent der Befragten hierzulande als Stressgrund. In Brasilien sind es dagegen 44 Prozent.
Wenn der Chef sich eher um sein Handicap kümmert, statt ordentlich zu führen: 28 Prozent der Befragten sind mit der Managementfähigkeit des Chefs unglücklich. Das Unvermögen des führenden Managers, das zu Stress führt, scheint in Luxemburg relativ unbekannt zu sein - nur 11 Prozent der Befragten sind dort mit den Befragten unglücklich, in Dubai sind es gar neun Prozent.
Dass unangenehme Kollegen oder fieser Büroklatsch zu Stress führen kann, ist allgemein bekannt. Dementsprechend führen auch 31 Prozent der Befragten das als Stressgrund an - der Anteil derer, die das ähnlich sehen, liegen in allen anderen Ländern fast gleich hoch - außer in Brasilien: 60 Prozent der Befragten geben unangenehme Kollegen und fiesen Büroklatsch als Stressgrund an.
Ein weitere Stressgrund: personelle Unterbesetzung. 41 Prozent der Befragten sehen das als wichtigen Grund für Stress bei der Arbeit an - ein Wert, der fast in allen Ländern ähnlich ist.
Doch am problematischsten, laut der Studie: die hohe Arbeitsbelastung. 51 Prozent der Befragten gaben dies als Stressgrund an. Deutschland liegt damit im Schnitt, auch in den anderen elf Ländern ist ein ähnlich hoher Anteil der gleichen Meinung.
Denn Arbeitssüchtige sind nicht automatisch doppelt so produktiv, nur weil sie doppelt so viel arbeiten wie ihre Kollegen. Schließlich lässt die Produktivität eines Menschen über die Zeitdauer nach. „Arbeitssüchtige denken zwar häufig, ihre Leistungsfähigkeit sei exponentiell und je länger sie arbeiteten, desto produktiver und kreativer seien sie – aber das ist ein Trugschluss", sagt Wirtschaftspsychologe Poppelreuter. Mit fortschreitender Problematik lässt auch die Effizienz nach. „Aufgrund der dauerhaften Überlastungen leidet die Konzentrationsfähigkeit, schleichen sich somit mehr Fehler ein und Arbeitssüchtige können zunehmend gereizter werden", warnt Rademacher.