Arbeitsweg Pendler betrügen sich selbst

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Gibt es den perfekten Wohnort?

Doch genau das sollte jeden Hauskäufer misstrauisch machen: Wenn es den perfekten Ort gäbe, wo die Vorzüge des Wohnens im Grünen ohne Nachteile existierten, wie wahrscheinlich ist es dann, dass das außer ihm fast niemand merkt? Denn jedes Wohngebiet, das in den vergangenen Jahren in der Stadt entstanden ist, war wieder ein Stück weiter von der Bahn entfernt.

Zur Haltestelle laufen kann da längst keiner mehr, also fährt man mit dem Auto zur Bahn, zeitgleich mit immer mehr anderen. Bis irgendwann aus der Idylle eine dieser gesichtslosen und verstopften Vorstädte geworden ist, in die man doch bewusst nicht ziehen wollte.

Zumal die theoretischen Vorteile der Fahrt ins Grüne in der Praxis schnell verpuffen. Viele reden sich ein, sie könnten auch im Zug arbeiten. Dass das auf einem Stehplatz im vollen Pendlerzug illusorisch ist, vergessen die meisten.

Allerdings ist es nicht damit getan, einfach mehr Züge auf die Gleise zu schicken. Niemand weiß das besser als Martin Husmann, Chef des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) und damit zugleich zuständig für den Rhein-Ruhr-Express (RRX).

2,5 Milliarden Euro investiert der Bund, um den Raum zwischen Köln und Dortmund besser zu vernetzen. Mehr als 4,4 Millionen der rund 8,9 Millionen Erwerbstätigen in NRW pendeln jeden Tag. Einzelne Oberzentren, vor allem Düsseldorf und Köln, ziehen Hunderttausende an. Aber es wird auch kreuz und quer gependelt. Von Recklinghausen nach Wuppertal, von Oberhausen nach Bochum, von Neuss nach Solingen. Sogar 34 Prozent der Schüler an Berufskollegs pendeln inzwischen.

720 Plätze, 1000 Passagiere

Für Husmann haben diese Ströme den Vorteil, dass sie die Züge relativ gleichmäßig auslasten. Zugleich aber ist das Netz jenseits der Belastungsgrenze. Die Regionalexpresszüge zwischen Köln und Düsseldorf sind in den Stoßzeiten durchschnittlich mit gut 1000 Menschen besetzt, dabei haben sie nur 720 Sitzplätze.

Oft entstehen Verspätungen, weil das Ein- und Aussteigen nicht in der vorgesehenen Haltezeit zu schaffen ist. Der RRX soll diese Probleme lösen, auf der Haupttrasse zwischen Köln und Dortmund soll ab 2030 alle 15 Minuten ein Zug verkehren. Aber Husmann sagt auch: „Wir sind mit dafür verantwortlich, dass die Pendlerzahlen in der Region weiter steigen.“

In diese Städte pendeln die meisten Deutschen
Fürth Quelle: dpa
Neuss Quelle: dpa
Moers Quelle: dpa
Koblenz Quelle: dpa
Ulm Quelle: dpa
Darmstadt Bahnhof Quelle: dpa
Erlangen Quelle: dpa

Es ist eine der ältesten Weisheiten der ökologischen Bewegung: Wer die Straße verbreitert, der löst nicht den Stau auf – er schafft nur mehr Verkehr. Das Gleiche gilt für alle anderen Formen der Mobilität. Husmann hat das schon einmal beobachtet, als der VRR einen direkten Regionalexpress von Münster nach Düsseldorf einrichtete. Innerhalb eines Jahres verdoppelte sich die Zahl der Zugpendler zwischen den Städten.

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