Wollen Sie Ihren Vorgesetzten von einer Ihrer Ideen überzeugen oder ihn von einer seiner Ideen abbringen, sollten Sie das besser nicht per E-Mail versuchen. Forscher um die Psychologin Juliane Schroeder von der University of California in Berkeley haben herausgefunden, dass Menschen auf kontroverse Meinungen weniger heftig reagieren, wenn diese mündlich vorgetragen werden und nicht schriftlich.
Selbst wenn das Gegenüber von den dargelegten Argumenten nicht überzeugt sei, sei es eher zu Zugeständnissen bereit, würden die Argumente in gesprochener Form vorgetragen, heißt es in der Studie. Der Vortragende wirke so außerdem intelligenter und freundlicher.
Die Forscher konfrontierten die Probanden mit verschiedenen Inhalten – mal in gesprochener, mal in geschriebener Form. Es ging um kontroverse Themen wie Abtreibung, den Krieg in Afghanistan oder ihre Wahlentscheidung bei der vergangenen US-Wahl. Im Anschluss daran baten sie die Probanden, die Menschen hinter den Meinungen zu beurteilen. Sie sollten angeben, inwieweit das Gegenüber „raffiniert und kultiviert“, „rational und logisch“ und „wie ein erwachsener und nicht wie ein Kind“ wirke. Auch über die Gemütsregungen des Kommunikators sollten die Probanden urteilen. Etwa ob jemand „emotional und warm“ wirke oder „mechanisch und kalt wie ein Roboter“.
Hinter verschriftlichten Meinungen, die die Probanden ablehnten, vermuteten sie oberflächliche und irrationale Menschen. Wurde dieselbe Meinung dagegen mündlich vorgetragen, fiel ihr Urteil deutlich wohlwollender aus. „Unsere Befunde zeigen, dass das Medium, durch das Inhalte vorgetragen werden, beeinflusst, wie der Kommunikator beurteilt wird, sogar wenn die Inhalte die gleichen sind“, schreibt Schroeder.
In einer vorherigen Studie hatte die US-Psychologin Schroeder bereits dargelegt, dass Bewerber Personaler eher von ihren Qualitäten überzeugen konnten, wenn sie ein Gespräch mit Personalern führen durften. Schriftliche Bewerbungen mit dem gleichen Wortlaut fanden dagegen deutlich weniger Anklang.
Die US-Forscher schließen aus diesen Ergebnissen, dass die Stimme stets auch einen paralinguistischen Inhalt transportiere. Tonlage, Sprechgeschwindigkeit oder Rhythmus gäben Aufschluss über den mentalen Zustand des Sprechenden.
„In diesem Kontext spricht Guido Hertel, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Psychologie an der Universität Münster, von „Kontextinformationen“ – das sind etwa Informationen über die Person selbst oder ihren Gemütszustand. „Sprechen wir mit einer Person, berücksichtigen wir automatisch diese Kontextinformationen, um zu überprüfen ob die Sachinformation vertrauenswürdig ist oder nicht. Wir verrechnen gewissermaßen beide Informationstypen miteinander.“
„Für den Büroalltag lässt sich aus diesen Forschungsergebnissen ableiten, dass wir das persönliche Gespräch suchen sollten, wann immer neben der reinen Sachinformation auch emotionale oder soziale Informationen hinzukommen.“ Gelte es etwa Konflikte zu lösen, Vertrauen aufzubauen oder einen Kollegen zu loben, sei das persönliche Gespräch vorteilhafter. „Mit dem Aufwand, den ein persönliches Gespräch darstellt, signalisiere ich meinem Gegenüber, dass mir das Anliegen wichtig ist.“
Daraus lasse sich allerdings nicht schließen, dass Kommunikation via Mail per se schlecht sei. „Es hat durchaus seine Vorzüge, wenn ich mich auf die verschriftliche Sachinformation konzentrieren kann“, erklärt Hertel. „Gilt es beispielsweise Vertragsunterlagen zu prüfen, kann mich ein gut geschulter Verkäufer durch seine Präsenz und die damit verbundenen zusätzlichen Informationen vom eigentlichen Inhalt ablenken.“
Digitale Medien und schriftliche Kommunikation könnten in bestimmten Situationen zu besseren Ergebnissen führen als persönliche Gespräche. „Wichtig ist es, zu wissen, welche Kommunikationsform in welchen Situationen zu bevorzugen ist.“