Digitalisierung und Arbeitszeit Wie flexibel müssen wir eigentlich arbeiten?

Die Welt dreht sich schneller, entsprechend rasant verändert sich das Arbeiten. Die Wirtschaft will deshalb, dass das Arbeitszeitgesetz geändert wird. Arbeitnehmer sollen flexibler sein - doch was ist mit Unternehmen?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
In Deutschland gilt "9 to 3" statt 60-Stunden-Woche
Eine Hand steckt eine Karte in ein Arbeitszeiterfassungsgerät, eine so genannte Stechuhr. Quelle: dpa
Ein Mann telefoniert am Arbeitsplatz Quelle: dpa
Ein Zusatzschild eines Verkehrsschildes zeigt eine Familie mit Kinderwagen. Quelle: dpa
Eine Frau sitzt am 26.09.2007 mit ihrem Kind vor einem Laptop und telefoniert mit einem Handy. Quelle: dpa
Nachtschicht geht diese VW-Mitarbeiter durch das Tor 17 in das VW-Stammwerk in Wolfsburg. Quelle: dpa
Ein Kunde nimmt in Düsseldorf eine Broschüre zum Thema Kurzarbeit aus dem Regal. Quelle: dpa
Anteil der Zeitarbeiter in DeutschlandDer Anteil von Zeitarbeit in Deutschland ist zwar zurückgegangen, aber immer noch höher als in anderen europäischen Staaten. Der Gesamtanteil liegt bei rund drei Prozent, von den 15- bis 24-Jähringen sind 4,5 Prozent in Zeitarbeit beschäftigt. Nur in Frankreich gibt es noch mehr junge Menschen, die über eine Zeitarbeitsfirma den Einstieg ins Berufsleben versuchen. Quelle: Fotolia

Die Digitalisierung ist in aller Munde: Produkte, Technologien, Arbeitsweisen - alles ist im Wandel. Das stellt sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer vor eine Herausforderung. Wie sollen wir mit den sich stetig verändernden Anforderungen umgehen? Was mach wir mit der dauerhaften Erreichbarkeit und mit den Wünschen der Arbeitnehmer nach flexibleren Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodellen?

Zumindest über die Arbeitszeit hat sich die deutsche Wirtschaft nun offenbar Gedanken gemacht. Wenn alles immer flexibler werden soll, soll auch das starre Arbeitszeitkorsett weg. Der Acht-Stunden-Tag ist überholt. So zumindest klingt die Forderung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) an die Bundesregierung. "Um mehr Spielräume zu schaffen und betriebliche Notwendigkeiten abzubilden, sollte das Arbeitszeitgesetz von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt werden", zitiert die Rheinische Post aus dem Papier. Heißt: Zehn Stunden am Tag arbeiten ist okay, solange es nicht mehr als 45 Wochenarbeitsstunden werden.

Auf welche Bereiche wirkt sich die Digitalisierung im Arbeitsalltag aus?

"Flexible Arbeitszeiten gewinnen angesichts von Digitalisierung und der Notwendigkeit zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer mehr an Bedeutung", sagte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), der Zeitung. "Unsere starren Arbeitszeitregelungen mindern allerdings diese Flexibilität. Daher wäre es wichtig, die gesetzlichen Regelungen an die aktuelle Entwicklung anzupassen", sagte Schweitzer.

Was gehört alles zur Arbeitszeit?

Das Arbeitszeitgesetz von 1994 begrenzt die zulässige werktägliche Arbeitszeit auf acht Stunden, die Ausdehnung auf bis zu zehn Stunden ist möglich, wenn der Acht-Stunden-Tag langfristig eingehalten wird. Nun müsse strenggenommen jede in der Bahn gelesene E-Mail der Arbeitszeit zugerechnet werden. Die Rechtsanwälte Oliver Simon und Maximilian Koschker von der Stuttgarter Kanzlei CMS Hasche Sigle, fassten das Problem mit der Arbeitszeit und dem Arbeitsrecht 4.0 folgendermaßen zusammen:

"Sobald Mitarbeiter von unterwegs, zum Beispiel auf Zugfahrten, oder von zu Hause aus Arbeitsaufträgen nachgehen oder auch nur außerhalb der regelmäßigen Bürozeiten erreichbar sind, stellt sich die Frage, ob sie im herkömmlichen Sinne "arbeiten". Sollte etwa die bloße Erreichbarkeit Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes darstellen, so wäre die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit zwischen zwei Arbeitseinsätzen faktisch kaum noch möglich. Sollte diese dauerhafte Erreichbarkeit dann auch als Arbeitszeit zu vergüten sein, könnte das die Unternehmen teuer zu stehen kommen." Denn auf einmal arbeitet der Mitarbeiter nicht mehr acht Stunden am Tag, sondern zwölf. Das wird nicht nur teuer, das gibt auch Ärger mit dem Betriebsrat.

Das könnte man natürlich umgehen, wenn man das alte Arbeitszeitgesetz kippt. Ob sich das mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie rechtfertigen lässt, ist allerdings fraglich. Immerhin: Wer heute 16 Stunden arbeitet, kann dafür morgen den ganzen Tag mit seiner Familie verbringen.

Die Typologie der Arbeitnehmer: Wer wie lange arbeitet und wie viel verdient

Auch Arbeitsministerin Andrea Nahles will sich im kommenden Jahr mit den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt und dem 24-Stunden-Online-Dasein vieler Arbeitnehmer befassen. Doch am Acht-Stunden-Tag wolle sie nicht rütteln. "Änderungen sind an der Stelle nicht geplant", sagte ein Sprecher der Ministerin. Ende 2016 will das Ministerium in einem "Weißbuch" zunächst die Ergebnisse einer breiten Debatte über die Arbeitswelt im digitalen Zeitalter vorstellen. Auf der Grundlage soll dann beraten werden, wo gesetzlicher Änderungsbedarf besteht. Dabei würden die "Interessen und Schutzbedürfnisse beider Seiten der Sozialpartner" berücksichtigt, betonte Nahles' Ministerium. Denn schon jetzt ist der Acht-Stunden-Tag für viele nur eine Floskel im Arbeitsvertrag.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%