Familie und Beruf Wenn die Arbeit die Liebe frisst

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Berufliche Opfer für die Liebe

Diese Fehler verbauen Frauen die Karriere
1.  Frauen lassen sich von Stellenanzeigen einschüchternKeine Frage, Bewerber sollten Stellenanzeigen sorgfältig durchlesen. Aber zu viel Sorgfalt schadet eher. Ein Problem, das vor allem Frauen betrifft. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Online-Stellenbörse Jobware. 151 Männer und 79 Frauen lasen darin 150 Stellenanzeigen. Währenddessen wurden ihre Augenbewegungen aufgezeichnet, hinterher bewerteten die Studienleiter ihre Aussagen. Das Ergebnis: Frauen klickten im Schnitt nicht nur auf mehr Jobprofile, die sie auch länger durchlasen. Mehr noch: Sie ließen sich wesentlich stärker von vermeintlich männlichen Stellentiteln und Qualifikationen beeindrucken – und wollten sich gar nicht erst bewerben. Ein Indiz dafür, dass sich Frauen von manchen Anforderungen immer noch zu stark beeindrucken lassen. Ein Problem, das schon früh beginnt... Quelle: Fotolia
2. Schon Mädchen scheuen WettbewerbMatthias Sutter und Daniela Rützler von der Universität Innsbruck untersuchten in einer Studie das Verhalten von mehr als 1000 Kindern im Alter zwischen 3 und 18 Jahren. Sie sollten verschiedene Tests lösen, etwa Wettläufe oder Matheaufgaben. Als Belohnung erhielten sie kleine Geldbeträge. Im Verlauf des Spiels konnten die Kinder dann gegen Gleichaltrige antreten und dabei mehr verdienen. Bei den Jungen entschieden sich 40 Prozent für den Wettkampf unter Gleichaltrigen. Von den Mädchen wollten das nur 19 Prozent wagen. Quelle: Fotolia
3. Frauen unterschätzen ihre LeistungErnesto Reuben von der Columbia Business School gewann für sein Experiment (.pdf ) 134 Studenten. Alle hatten zwei Jahre zuvor verschiedene Aufgaben absolviert, jetzt sollten sie ihre damalige Leistung bewerten. Das Ergebnis: Die Männer überschätzen ihre tatsächliche Leistung um rund 30 Prozent überschätzt, die Frauen hingegen um weniger als 15 Prozent. Im zweiten Schritt teilte Reuben die Teilnehmer in Gruppen. Sie sollten einen Vertreter wählen, der für die Gruppe Geld gewinnen konnte. Das Ergebnis: Weil sie zu ehrlich waren, schafften es weibliche Teilnehmer drei Mal seltener als Männer, die Rolle des Anführers zu übernehmen. Quelle: Fotolia
4. Frauen lassen sich von Klischees beeinflussenMarina Pavlova vom Universitätsklinikum Tübingen reichte für ihre Studie im Jahr 2010 83 Medizinstudenten den Abschnitt eines Intelligenztests. Dabei sollten sie eine Reihe von Bildern in die richtige Reihenfolge zu bringen. Doch vorab gaukelte Pavlova der einen Hälfte der Teilnehmer vor, dass Frauen bei dieser Aufgabe generell besser abschneiden. Die andere Hälfte erfuhr, dass Männer darin bessere Ergebnisse erzielen. Ergebnis: Die Frauen ließen sich von negativen Aussagen viel stärker beeinflussen als Männer. Deren Leistung litt kaum unter der Vorab-Information. Quelle: Fotolia
5. Frauen sind schneller zufriedenDer Soziologe Stefan Liebig von der Universität Bielefeld analysierte für seine Studie (.pdf ) Daten des Sozio-oekonomischen Panels. In dieser Langzeitstudie machen 10.000 Deutsche regelmäßig Angaben zu Ihrem Beruf und Privatleben. Liebig wollte wissen, ob sie ihr aktuelles Einkommen als gerecht empfanden - und falls nein, welches Nettogehalt angemessen wäre. Wenig überraschend: Etwa jeder dritte Befragte fand sein Einkommen ungerecht. Doch das Einkommen, das Frauen als gerecht empfanden, lag noch unter dem tatsächlichen Gehalt von Männern. Egal ob Akademikerin oder Reinigungskräfte: Frauen hatten finanzielle geringere Ansprüche. Quelle: Fotolia
6. Frauen scheuen Jobs mit WettbewerbAndreas Leibbrandt und John List schalten für ihre Untersuchung Stellenanzeigen in neun US-Städten – in zwei verschiedenen Versionen. Die eine Ausschreibung suggerierte, dass das Gehalt nicht verhandelbar sei. Die andere behauptete, dass das Gehalt Verhandlungssache sei. Fazit: Bei letzterer Stelle bewarben sich wesentlich mehr Männer. Offenbar meiden viele Frauen Jobs mit starkem Konkurrenzdenken. Quelle: Fotolia
Ein Mann hält einen Zettel mit der Aufschrift "Job gefällig?" in der Hand Quelle: dpa

Anerkennung anderer Menschen gewinnt man in der heutigen Gesellschaft in erster Linie für berufliche Leistungen. Die Achtung vor familiären „Leistungen“, vor allem die für Mütter, ist entwertet. In wenigen Jahrzehnten hat hier ein radikaler und fataler Wertewandel stattgefunden. Keine Kinder zu haben, war noch vor wenigen Generationen ein Makel, vor allem für Frauen, für die es keine andere Anerkennungsquelle gab.

Heute ist es umgekehrt: Bekommt eine Frau Kinder und gibt dafür zeitweilig das Arbeitsleben auf, gewinnt sie nicht Anerkennung, sondern droht sie zu verlieren. Der Arbeitgeber und zunehmend auch die öffentliche Meinung  üben Druck aus, so bald wie möglich wieder zu arbeiten. Sie vermitteln der Frau dadurch das Gefühl, dass ihre Mutterschaft eine leidige Unterbrechung von etwas wichtigerem ist. Viele Mütter, das zeigt die Studie von Wimbauer, fühlen sich „abgeschnitten“ von Anerkennung. Mütter von vielen Kindern werden allenfalls bemitleidet. Das fehlende Sozialprestige von Elternschaft ist eine verhängnisvolle Krankheit unserer Gesellschaft. 

Die Falle der Anerkennung

Liebe und Familie werden im Leben vieler Menschen durch das Selbstverwirklichungsversprechen der modernen Arbeitswelt zur Nebensache degradiert oder zu einer professionellen Team-Beziehung umgewandelt. Wimbauer nennt das die Anerkennungsfalle: Die „Liebe“ der Arbeit, also durch Leistung erworbene Anerkennung, soll die Liebe eines Partners ersetzen. Das erscheint sehr viel unkomplizierter und risikoärmer. Der Versuch ist zum Scheitern verurteilt. Denn Liebe wird eben gerade nicht durch Leistung erworben, sondern bedingungslos. Im Berufsleben ist jeder ersetzlich. Aber wer wirklich geliebt wird, ist für den Liebenden nicht zu ersetzen. Und genau darum ist Liebe so unendlich kostbar und erstrebenswert.

Arbeit ist ein Segen. Sie schafft nicht nur die materiellen und immateriellen Grundlagen des Lebens, sondern auch die Anerkennung, nach der Menschen als soziale Wesen streben. Aber Arbeit kann auch ein Fluch werden, wenn ihrem Selbstverwirklichungsversprechen das Liebesglück geopfert wird.

Den Fluch kann man aber bannen. Niemand zwingt uns, in die Anerkennungsfalle zu tappen. Das Mittel der Wahl ist alt und seit Jahrtausenden bewährt: Es ist die Kardinaltugend der Mäßigung. Im bürgerlichen Zeitalter mussten Männer und Frauen das richtige Maß zwischen Arbeit und Liebesleben nicht suchen, es war vorgegeben: Er war für die Arbeit zuständig, sie für die Pflege der Liebe. Heute müssen beide gemeinsam das Gleichgewicht auspendeln. Und das wird sich nicht einstellen, wenn beide ihr ganzes Gewicht in die Waagschale der Arbeit legen. Das heißt nicht unbedingt, dass Beruf und familiäre Aufgaben exakt aufgeteilt sein müssen. Vielleicht ist schon viel erreicht, wenn die Anerkennung für familiäre, nicht berufliche Arbeit des anderen wächst.

Tom und Violet machen es am Schluss des Films vor. Sie haben gelernt. Für ihre Liebe bringen sie berufliche Opfer. Beide. Sie hat ihre Psychologie-Professur in Michigan aufgegeben, er ist bereit, sein mobiles Tacco-Schnellrestaurant mitzunehmen - wohin auch immer. Und dann heiraten sie mit fünf Jahren Verspätung doch noch.

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