„Streng dich in der Schule an, damit du später einen guten Job bekommst.“ Mit Worten wie diesen bekommen die Deutschen die Bedeutung eines „guten Jobs“ schon als Kinder eingetrichtert. Mit Erfolg, wie eine Umfrage der E-Recruitingplattform softgarden zeigt, die WirtschaftsWoche Online exklusiv vorliegt. Rund 2400 Bewerber nahmen teil, fast 2200 von ihnen sagten: Nur wenn sie einen guten Job haben, haben sie auch ein gutes Leben.
Nichts ist wichtiger als das Arbeitsklima und die Bezahlung
Nun wird es spannend: Was einen guten Job ausmacht, konnten die Befragten in Freitextfeldern angeben. Die Macher der Umfrage gaben keine Möglichkeiten vor, für die sich die Teilnehmer entscheiden mussten. 6000 Einträge kamen so zusammen. Dabei tauchen besonders das Arbeitsklima (1.093 Nennungen) und das Gehalt (1.029 Nennungen) häufig auf. Danach folgen Arbeitsinhalte, die Kollegen, die Work-Life-Balance sowie Weiterbildung und Spaß an der Arbeit.
Darum gebeten, die einzelnen Faktoren zu gewichten, sagte die überwältigende Mehrheit, dass ein guter Job vor allem Sinn haben sollte. Die Befragten wollen ihre persönlichen Stärken einbringen können (68,7 Prozent), sinnvolle Aufgaben erledigen (64,6 Prozent) und zum Unternehmenserfolg beitragen (57 Prozent).
30 Personen halten "Karriere" für wichtig
Schade eigentlich, dass die Unternehmen das offenbar nicht wissen. Zumindest in der Arbeitgeberkommunikation spielen diese Faktoren nämlich keine Rolle. Über die Bezahlung herrscht häufig Stillschweigen und von Sinnhaftigkeit und Arbeitsklima sprechen die Betriebe höchstens floskelhaft: nettes, kreatives Team, inspirierende Umgebung, moderne Büros.
12 Karriere-Mythen
Nein! In der Realität gibt es diese Altersschranke oft gar nicht, glaubt Headhunter Marcus Schmidt: „Manche Mandanten suchen sogar explizit Führungskräfte ab 50, weil sie viel Wert auf Erfahrung legen und nicht wollen, dass der Neue gleich wieder weiterzieht.“ Zudem gilt in Deutschland seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das eine Diskriminierung aus Altersgründen verbietet.
Seine Erfahrungen hat Schmidt in dem Buch „Die 40 größten Karrieremythen“ niedergeschrieben. Handelsblatt Online hat die spannendsten Zitate ausgewählt.
„Die Frage, ob man promovieren soll oder nicht, hängt von der angestrebten Karriere ab“, sagt Schmidt. Denn die Promotion koste immer auch Zeit – in der Diplomanden ein vergleichsweise geringes Gehalt beziehen. „Nicht alle jungen Berater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer wollen in einem Unternehmen zum Partner aufsteigen oder erreichen dieses Ziel.“
Falsch! Entscheidend für die Karriere sei nicht, bei welchem Unternehmen man arbeite, sondern welche Aufgaben und Entfaltungsmöglichkeiten man habe, sagt Personalberater Schmidt. „Gerade in weniger etablierten Unternehmen gibt es oftmals spannendere und weniger standardisierte Aufgaben als in Großkonzernen“, so Schmidt.
Im Gegenteil: Eigene, gut argumentierte Überzeugungen hält Headhunter Marcus Schmidt für unabdingbar. „Wer nur mitläuft, um ja keinen Fehler zu machen, kann nichts Herausragendes leisten und wird nicht dauerhaft auf sich aufmerksam machen“, so Schmidt. So könne man sich nicht profilieren oder für die nächsten Ebenen empfehlen.
Die deutsche Wirtschaft zeigt ein anderes Bild: Absolventen hätten sich selten in die Führungsetage hochgearbeitet, sagt Schmidt. Anders als der Doktortitel ist der MBA zudem kein normierter akademischer Grad, seine Vergabe wird also grundsätzlich nicht staatlich geregelt oder kontrolliert. Wer Studiengebühren von bis zu 70.000 US-Dollar auf sich nehme, solle deshalb das Renommee der Schule immer überprüfen.
Muss man heute studieren, wenn man Karriere machen will? Nein, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Und einige prominente Konzernlenker geben ihm recht: Telekom-Chef René Obermann etwa hat sein Studium abgebrochen, und auch Klaus-Peter Müller, bis 2008 Vorstandsvorsitzender der Commerzbank und jetziger Aufsichtsratsvorsitzender, hat nie studiert.
Die Position mit Perspektive sei nicht immer die am besten bezahlte, sagt Marcus Schmidt. So könne sich für ein renommiertes Traineeprogramm ein kurzfristiger Gehaltsverzicht durchaus auszahlen - etwa, wenn das ausbildende Unternehmen in seiner Branche als Kaderschmiede gilt.
Nicht immer, sagt Headhunter Marcus Schmidt – stattdessen kann der Auslandseinsatz sogar zum Nachteil werden. „Oftmals sind es die Daheimgebliebenen, die dann verbleibende Inlandsposten unter sich aufteilen“. Sie säßen dann auf Stühlen, auf die Auslandsrückkehrer vergeblich spekulieren.
Wer auf standardisierte Einstiegsprogramme in Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad setze, müsse auch in Kauf nehmen, dass die eigene Berufslaufbahn nachgemacht wirkt, sagt Personalberater Marcus Schmidt. „Gehen Sie eigene Wege. Suchen Sie Ihren Einstieg ruhig gegen den Strich. Probieren Sie etwas aus, was sie wirklich interessiert.“
Falsch, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Ebenso wichtig wie der tatsächliche Zeiteinsatz sei der gefühlte Zeiteinsatz. Und der definiere sich auch durch die Befriedigung mit der getanen Arbeit. „Wer es schafft, aus seines Arbeit weitgehend Befriedigung zu ziehen, muss auch nicht Karriereschablonen zum persönlichen Zeiteinsatz nachjagen.“
Tatsächlich finde sich diese „gläserne Decke“ vor allem in den Köpfen der männlichen Entscheider, glaubt Schmidt. Für weibliche Führungskräfte scheine sie hingegen kein Thema zu sein. „Viele Beratungsunternehmen und große Konzerne bitten uns öfter sogar explizit, nach weiblichen Kandidatinnen zu suchen.“
„In der Krise wählen Unternehmen bei der Besetzung von Stellen zwar sorgfältiger aus. Aber sie stellen trotzdem noch ein“, ist die Erfahrung von Marcus Schmidt. Gerade in Phasen des Umbruchs gebe es etwa die Chance zur Übernahme von Restrukturierungsjobs, bei denen wirklich die Fähigkeit der Verantwortlichen zählt.
Dafür dreht sich bei der Kommunikation alles um die Karriere. Es gibt „Karriere-Websites“, „Karriere-Veranstaltungen“ oder „Karriere-Messen“. Nur: Wer sich auf einen Job in der Buchhaltung bewirbt, wer Einzelhandelskaufmann oder Assistentin der Geschäftsführung werden will, der hat vermutlich keine großen Karriereaussichten – und auf die steile Karriere auch gar keine Lust. Entsprechend tauchte der Begriff „Karriere“ bei 6000 Einträgen auch nur 30 Mal auf.
Wer sich nicht als neuer Finanzchef bewirbt, sondern als Pförtner oder Mitarbeiterin in der Personalabteilung will einfach nur einen guten Job – mit netten Kollegen und einem fairen Gehalt.
Seien Sie ehrlich mit Bewerbern
Umgekehrt heißt das: Unternehmen, die keine karrieregeilen Typen suchen, sondern Leute, die an der Basis gute Arbeit leisten, können aufhören, der Supermarktkassiererin einen von Karriere zu erzählen. Das sehen im Übrigen auch die Personalexperten von Robert Half so. Eines der Kernergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studie „Die Zeit ist reif. Glücklich arbeiten“ ist folgendes: Wer zufriedene Mitarbeiter möchte, muss Bewerbern klar sagen, was sie im Job erwartet. Und das ist nur in den seltensten Fällen eine strahlende Karriere.
„Jeder Schritt im Einstellungsprozess muss sorgfältig durchdacht und geplant sein. Das beginnt mit einer detaillierten Stellenanzeige, die die Position und die Firma genau beschreibt“, sagt Sven Hennige von Robert Half. Wer Bewerber für sich begeistern will, beschreibt also besser die Realität. Und wer gut bezahlt, sollte das kommunizieren.