Resilienz Die Auszeit ist die wichtigste Zeit des Tages

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Pausen als Effizienzmotor

Beschleunigung und Verdichtung des Arbeitslebens ziehen mit der Digitalisierung weiter an: Der letzten TK-Stressstudie zufolge sagen 60 Prozent der Erwachsenen in Deutschland, dass ihr Leben in den vergangenen drei Jahren eindeutig stressiger geworden sei.

Stressfaktor Nummer Eins ist: Der Job. Darauf folgen die eigenen Ansprüche und vielen Verpflichtungen in der Freizeit. Je höher Bildungsgrad und Einkommen, desto höher steigt der Level des Stress: Ein Viertel der Hochschulabsolventen fühlt sich gestresst. Bei den Menschen in Haushalten mit mehr als 4000 Nettoeinkommen sind es sogar zwei Drittel.

Gehören neben Erfolgsdruck und Überstunden auch noch Pendeln und Dienstreisen zum Arbeitsalltag, sind längere Ausfälle programmiert. Zumal das Selbstbild oft nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt.

Was Experten raten, wie Sie das Wohlbefinden im Arbeitsalltag steigern und den Stress reduzieren

„Gerade viel beschäftigte Manager haben häufig das Gefühl, sie bräuchten Pausen nicht wirklich dringend. Tatsache ist allerdings: Unser Gehirn kann nur im entspannten Modus kreative Prozesse durchführen oder wohl überlegte Prioritäten setzen. Im gestressten Zustand schalten wir auf Autopilot und spulen gewohnte Handlungen ab. Ohne Pause kann man also viel ackern, aber wirklich effizient und flexibel arbeitet man so nicht“, sagt Diplom-Biologin Kleinschmidt. Das fühle sich dann zwar geschäftig an, sei in der heutigen Arbeitswelt aber weder angemessen noch dauerhaft zielführend.

Mehr Achtsamkeit, mehr Widerstand(skraft)

Besonders Managern falle es schwer, sich vom maskulinen Stereotyp des ständig ackernden Geschäftsmannes zu lösen, bestätigt auch Marketingleiter Boris K.. Nach einigen Firmenfusionen und Change-Prozessen, die ihm körperlich und seelisch an die Substanz gegangen sind, findet er nun Ausgleich und Durchhaltevermögen in Yoga und autogenem Training – und einem Achtsamkeitskurs: Bewusstes Essen, Gehen, Atmen und Gedanken lenken – hört sich einfach an, haben aber viele verlernt.

Für mehr Achtsamkeit im Alltag
Meditieren ist nicht nur etwas für Esoteriker, sondern auch bei deutschen Führungskräften ein wichtiges Thema. Gemeinsam mit "Year of the X" hat die WirtschaftsWoche im Zen-Kloster Buchenberg im Allgäu ein Retreat organisiert und Führungskräfte, Neurowissenschaftler sowie buddhistische Mönche eingeladen, um der Frage nachzugehen, wie ein achtsames Leben aussehen kann. Der Name der Veranstaltung: "Mindful leadership in the digital age". Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche
Viele Menschen sind - gerade im Beruf - überfordert durch fast unzählige Kommunikationskanäle. Aus dem Leben wegzudenken sind diese aber auch nicht, vielfach erleichtern sie sogar das Alltagsleben. Obwohl sie doch ständig “on” sind, fühlen sich viele Leader und Mitarbeiter in Unternehmen wenig “connected”, berichten über Sinnkrisen und suchen nach neuen Ufern für ihre Selbstentfaltung. Burnouts, gescheiterte Familien, fruchtlose Meetings und “low energy” sind die Symptome des digitalen Zeitalters. Zeit, sich wieder auf sich und sein Leben zu besinnen... Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche
... etwa beim gemeinsamen Meditieren - morgens um 5.30 Uhr. 25 Minuten dauert eine Meditationsrunde in der Regel - insgesamt drei stehen morgens an, meist verbunden mit einer Teezeremonie. Menschen, die sich für bis zu drei Monate in das Kloster zurückziehen, folgen einem strikten Tagesablauf, der aus Meditieren, Vieraugengesprächen mit dem Zen-Meister, Arbeit, Essen und Sport besteht. Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche
Zen-Meister im Daishin Zen Kloster ist Hinnerk Polenski, der von einem japanischen Meister ausgebildet wurde. Er leitet das Haus im Allgäu und bietet dort verschiedene Seminare für Anfänger und Fortgeschrittene an. Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche
Aber nicht nur die persönliche Einkehr stand beim "Mindful leadership in the digital age" auf dem Programm, sondern auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen Achtsamkeit und neurowissenschaftlichen Betrachtungen. So sprach etwa WirtschaftsWoche-Herausgeberin Miriam Meckel über das Gehirn als Produktivitätsfaktor der Zukunft - und zeigte dabei, wie die Hirnleistung mit Medizin und Technik bereits heute gesteigert werden kann. Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche
Der Neurowissenschaftler Antonio Chevez zeigte live, wie sich die Aktivitäten des Gehirns verändern, sobald sogenannte Alphawellen eingesetzt werden. Diese reduzieren den Stress, dem unser Gehirn ständig ausgesetzt ist, weil es alle Arten von Reizen verarbeiten muss. Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche
Über Kopfhörer spielte Chevez der Versuchsperson Alphawellen vor. Schon nach wenigen Sekunden veränderte sich die Gehirnaktivität, wie auf den Bildschirmen im Hintergrund zu sehen ist. Nach einigen Minuten wechselte die Farbe von rot zu grün. Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche

„Dabei ist das nichts für Warmduscher. Hier geht es an falsche Glaubenssätze und schädliche Angewohnheiten, die es zu hinterfragen gilt. In den USA hat längst jeder seinen Psychiater, in Deutschland werden selbst solche Kurse unter anderen Titeln getarnt.“ Und in der Tat: Kurse wie „Real men do Pilates“, „Power Yoga“, Selbsterfahrungstrips in der Wildnis – oder zumindest im Wildgehege nebenan – boomen.

Alle haben sie etwas gemeinsam: Sie schaffen gezielte Auszeiten, in denen der Mensch sich bewusst nach innen wendet und alles andere ausblendet. Das lehren hiesige Religionen wie fernöstliche Philosophie schon seit Jahrtausenden gleichermaßen. Und dazu bedarf es weder einer Klosterwoche in Bayern noch eines Yoga Ashrams in Indien.

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