Sexuelle Belästigung Männer häufiger von Übergriffen im Job betroffen als Frauen

Der Klaps auf den Po, eine anzügliche Bemerkung oder E-Mail mit eindeutigem Angebot: Eine neue Studie zeigt, dass mehr als die Hälfte der Beschäftigten schon einmal am Arbeitsplatz belästig wurden. Überraschend: Laut Umfrage sind Männer häufiger betroffen als Frauen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eine Frau Quelle: Kenny Paul/Images by Kenny

Eigentlich war es eine ganz normale Situation - so wie sie wohl jeden Tag in deutschen Büros vorkommt. Eine Mitarbeiterin und ihr Chef plaudern über das Fernsehprogramm. Doch dann, mit nur einer Bemerkung, wird aus einem harmlosen Gespräch sexuelle Belästigung. Die Kollegin solle nicht so viel RTL gucken, sagt der Chef. Sondern sich lieber mal wieder bumsen lassen. Dann könnte sie auch auf das Programm des Privatsenders verzichten. In den nächsten Wochen musste die Frau noch weitere Sprüche dieser Art schlucken. Bis sie schließlich keinen anderen Ausweg mehr sah und kündigte.

Mit diesen Erfahrungen steht die Frau auf Deutschlands Büroetagen nicht allein da. Eine aktuelle Studie, die vom Sozialwissenschaftlichen Umfragezentrum Duisburg (SUZ) im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) durchgeführt wurde, zeigt: Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland hat schon einmal sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt oder beobachtet.

Sexismus: Regeln für Anstand im Büro

„Der Arbeitsplatz ist der Kontext, in dem am häufigsten sexuelle Belästigung vorkommt. Das hat sicher auch etwas mit den dort herrschenden Abhängigkeitsverhältnissen zu tun“, sagt Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle.

Alles eine Frage der Definition

Ein großes Problem: Häufig werden sexuelle Belästigungen von den Betroffenen gar nicht als solche erkannt. So gaben erst nur 17 Prozent der befragten Frauen und sieben Prozent der Männer an, schon einmal am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden zu sein. Nachdem ihnen jedoch die offizielle Definition vorgelegt wurde, änderte sich die Datenlage dramatisch.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert sexuelle Belästigung als "unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen", die die Würde der betreffenden Person verletzen - "insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird". Dazu gehören obszöne Witze ebenso wie sexuelle Anspielungen. Ungewollte Berührungen genauso wie Nacktfotos im Büro.

Die wichtigsten Sexismus-Urteile
Urteil wegen Brust-Belästigung IEin Chef eines städtischen Personalamtes wollte von Beamtenanwärterinnen die genaue BH-Größe wissen. Zudem erkundigte er sich, ob er sie "anmachen dürfe" und schlug Treffen zur "gemeinsamen Entspannung" vor. Das müssen sich die Frauen, die mit ihm arbeiten, nicht gefallen lassen. Der Beamte wurde seines Posten enthoben und um eine Position zurückgestuft, urteilte das Verwaltungsgericht Trier. Quelle: REUTERS
Urteil wegen Brust-Belästigung IIIm Einzelhandel fasste ein Verkäufer einer taubstummen Kollegin an den Busen. Er wurde gefeuert. Er wollte auf Wiedereinstellung klagen. Das Arbeitsgericht Frankfurt urteilte: Die fristlose Kündigung ist gerechtfertigt. Quelle: REUTERS
Machtausübung und BelästigungEin Firmenchef fasste den Körper seiner Mitarbeiterinnen wiederholt ohne erkennbaren Grund an und drängte sich nah an sie. Das Oberlandesgericht Frankfurt wies die Kündigungsschutzklage ab. Am Arbeitsplatz müsse man die allgemein übliche körperliche Distanz wahren. Wer dies nicht tut, der begeht eine sexuelle Belästigung, so die Urteilsbegründung. Quelle: dpa
SMS INoch so ein Beispiel, bei dem Machtausübung und sexuelle Belästigung einhergehen: Ein Vorgesetzter bedrängte eine Auszubildende per SMS und forderte sie zum Geschlechtsverkehr auf. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz urteilte: Weil sich Azubis in einer besonderen Abhängigkeit befinden, ist die fristlose Entlassung des Vorgesetzten gerechtfertigt. Quelle: dpa
SMS IIDie Grenzen zur Belästigung per SMS sind nicht immer eindeutig. Ein Bankangestellter flirtete mit einer Kundin per SMS und sprach sie in der Schalterhalle an. Die Frau fühlte sich belästigt. Doch die Kündigung des Mitarbeiters war nicht gerechtfertigt, wie das Landesarbeitsgericht Rheinland Pfalz urteilte. Der Angestellte machte sich allerdings des Datenmissbrauchs schuldig - er hatte die Telefonnummer der Frau aus der Kundendatei entnommen. Quelle: REUTERS
Belästigung mit dem SmartphoneDas Zeigen von Bildern mit modernen Handys hat seine Grenzen: Ein Krankenpfleger schickte einer Kollegin auf dem Mobiltelefon Bilder mit nackten Frauen und belästigte sie obendrein mit anzüglichen Anrufen, während er im Alkohol-Rausch war. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein urteilte: Die fristlose Kündigung ist rechtens. Quelle: dpa
Sex gegen GeldManche unmoralischen Angebote können mit Geldstrafen enden. Ein Mann bot einer Frau, die er gerade kennengelernt hatte, Geld gegen Sex an. Die Frau, die keine Prostituierte war, fühlte sich dadurch in ihrer Ehre verletzt. Wegen Beleidigung verurteilte das Oberlandesgericht Oldenburg den Mann zu einer Geldstrafe. Quelle: dpa

Anschließend gaben 52 Prozent der Beschäftigten an, solche Belästigung bereits erlebt zu haben. Überraschend: Der Anteil war unter den Männern höher als bei den Frauen. So wurden 49 Prozent der weiblichen Studien-Teilnehmern am Arbeitsplatz belästigt. Bei den männlichen waren es hingegen 56 Prozent.

Laut Studie erleben Frauen deutlich mehr physische Belästigungen als Männer. Männer berichten eher über anzügliche E-Mails oder zweideutige Bemerkungen. Absender der zweideutigen Botschaften und körperlichen Übergriffen waren bei beiden Geschlechtern meistens Männer.

Arbeitgeber sind gefordert

Doch wie schützt man sich vor Missbrauch im Büro? „In jedem Führungskräftecoaching sollte sexuelle Belästigung thematisiert werden. Denn nur sensible Führungskräfte können ihren Mitarbeitern einen respektvollen Umgang vermitteln“, sagt Christine Lüders.

Aber sie wünscht sich auch eine bessere Aufklärung.  So wussten zwar 92 Prozent der Befragten, dass sexuelle Belästigung verboten ist. Aber 81 Prozent der Befragten war nicht bewusst, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, sie vor sexueller Belästigung zu schützen. Unwissenheit besteht auch im Bezug auf die richtigen Ansprechpartner: So wussten 70 Prozent der Befragten nicht, an wen sie sich im Fall der Fälle in ihrem Unternehmen wenden sollten.

„Sexuelle Belästigungen können traumatische Folgen für die Betroffenen haben – nicht zuletzt deshalb sind die Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Mitarbeitenden zu schützen“, sagt Christine Lüders. „Dass die Beschäftigten so wenig über ihre Rechte aufgeklärt sind, ist ein unhaltbarer Zustand“.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%