Selbstdisziplin

Nichts, was sich wirklich lohnt, ist leicht

Ein Ziel ausdauernd und gegen alle Widerstände und Ablenkungen zu verfolgen, macht erfolgreicher. Dabei spielt die Willenskraft eine zentrale Rolle. Was Willenskraft ist und wie sie trainiert werden kann, zeigt diese Kolumne.

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Elf Strategien für mehr Motivation am Arbeitsplatz
Die Gründe für Motivationstiefs können vielfältig sein – umso wichtiger ist es, die Ursachen zu reflektieren, sie zu verändern oder zu kompensieren. Die Haufe-Akademie beschreibt 11 Strategien, die dabei helfen sollen. Je nach Persönlichkeitstypus greifen dabei verschiedene Methoden und sogenannte Motivationsverstärker: Ein Mensch, der impulsiv reagiert und oft bildlich denkt, benötigt Motivationstechniken, die mit Imagination und Visualisierung arbeiten. Für rational handelnde Personen eignet sich hingegen eher eine analytische Vorgehensweise. Quelle: dpa
1. Reflektieren: Wo liegen die Ursachen?Woher kommt das Motivationstief: Liegt es an der Stimmung im Team? Wünschen Sie sich mehr Austausch mit Kollegen oder Vorgesetzten? Macht Ihnen Zeit- oder Konkurrenzdruck zu schaffen? Bekommen Sie nicht genügend Anerkennung für Ihre Leistung? Oder sind Sie mit Ihrem Arbeitspensum permanent am Limit? Die Ursachenforschung erfordert natürlich etwas Zeit und genaues Nachdenken, um die mutmaßlichen Faktoren ausfindig zu machen. Am besten legen Sie die Punkte schriftlich nieder, so gewinnt Ihr Problem Struktur. Quelle: dpa
2. Kompetenzen aneignen und erhöhenHaben Sie das Gefühl, Ihre Leistungen und Engagement werden nicht genug gewürdigt? Dann sollten Sie unbedingt das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten suchen. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken und belegen Sie Ihrem Vorgesetzten, wie das Unternehmen von Ihrer Arbeit profitiert. Um mehr Anerkennung zu erlangen, bietet es sich außerdem an, sich weiter zu qualifizieren. Natürlich müssen Sie Ihr Vorhaben zuerst mit Ihrem Vorgesetzten besprechen, schließlich investiert Ihr Unternehmen in Sie. Außerdem gibt es staatliche Fördermaßnahmen, die Sie in Anspruch nehmen könnten. Quelle: dpa
3. Umfangreiche Projekte in Arbeitsschritte einteilenEinen gewaltige Berg Arbeit vor sich zu sehen ist zunächst mal fast immer deprimierend. Hilfe bietet gutes Zeit- und Projektmanagement. Um nicht den Überblick über bereits geleistete Arbeit zu verlieren, sollten umfangreiche Aufgaben in mehrere Schritte unterteilt werden. Das Projekt wird so einerseits übersichtlicher, zum anderen winkt ein kleines Erfolgserlebnis, sobald ein Arbeitsschritt abgehakt ist. Außerdem gelangen Erfolge auf diese Weise immer wieder ins Bewusstsein. Hat sich schon ein bestimmtes Handlungsmuster eingebürgert, sollte dieses noch einmal auf Schwachstellen überprüft werden, rät die Haufe-Akademie. Oft hilft es auch, Stress als Herausforderung zu betrachten. Wer es trotz Trubel und Hektik schafft, mit kühlem Kopf ein Projekt zu steuern, der kann mit Recht stolz auf sich sein. Generell ist es hilfreich, sich Grundlagen im Projektmanagement anzueignen, um von erprobten Methoden zu profitieren. Quelle: dpa-tmn
4. Visualisierung von Teilschritten, Erfolgen und ZielenUm motiviert zu bleiben, ist es hilfreich sich den fortlaufenden Prozess der Arbeit stets vor Augen zu führen - mit Hilfe von Tabellen, Grafiken, Zeichnungen. Das zeigt nicht nur Ihnen selbst, wie weit Sie gekommen sind, sondern auch den Kollegen und Vorgesetzten. Visualisierung bedeutet aber auch, geistige Bilder entstehen zu lassen. Denn Imaginationen setzen Anker im Unterbewusstsein fest. Je realistischer die Vorstellung gelingt, desto größer ist die Motivation. Quelle: Getty Images
5. Selbstwürdigung und SelbstbelohnungOhne Rückmeldung über geleistete Arbeit sinkt die Motivation. Wenn Chefs ihre Mitarbeiter dagegen loben, steigern sie deren Leistungsbereitschaft. Doch nicht jeder Vorgesetzte zeigt sein Lob in Worten, nicht immer erkennen wir Zeichen der Anerkennung. Eventuell fragen Sie Ihren Vorgesetzten einfach, was er oder sie von Ihrer Arbeit in den letzten Wochen hält. Gleichzeitig können Sie sich auch selbst helfen: Laut aktueller Studien spielt es keine Rolle, ob die Anerkennung von außen erfolgt, also durch Vorgesetzte und Kollegen, oder von innen durch einen selbst, so die Haufe-Akademie. Sorgt der Chef nicht für positives Feedback, dann belohnen Sie sich selbst mit einem guten Essen oder einem Shoppingbummel. Quelle: Getty Images
6. Autosuggestion mittels positiver FormulierungenDas letzte Projekt ist gründlich schiefgegangen? Das Motivationsloch tut sich auf. Wir setzen einen Fehler mit Versagen gleich, lassen negative Gedankenschleifen à la „ich kann das nicht“ zu. Man sollte sich jedoch davor hüten, seine Fähigkeiten nach einzelnen Rückschlägen gänzlich in Frage zu stellen. Fehler passieren und haben auch eine gute Seite: den Lerneffekt. Beim zweiten oder dritten Durchgang lässt sich eine Aufgabe meist besser lösen als beim ersten Mal. Lieber denken: „Ich schaffe das!“ Quelle: Getty Images

Vor einigen Jahren beobachtete ich auf dem Parkplatz einer neurologischen Rehaklinik eine Rollstuhlfahrerin: Ihr Kopf ist kahl rasiert und zeigt eine große Narbe von einem Ohr zum anderen. Unvermittelt steht sie ziemlich wacklig aus dem Rollstuhl auf, hangelt sich an der Lehne entlang, um den Stuhl herum bis zu den schwarzen Griffen und bleibt einen Moment so stehen. Plötzlich stößt sie den Rollstuhl einige Meter von sich weg und humpelt ihm in schweren Schritten nach. Als sie ihn erreicht, hält sie sich einen Moment lang daran fest, um ihn erneut wegzustoßen. Und das wieder und wieder. Wieder und wieder. Die Anstrengung war ihr anzusehen.

Helden nehmen Schmerzen und Anstrengung auf sich

"Heldenhaft" würde der Psychologe Hans Reinecker dieses selbstdisziplinierte Verhalten nennen, denn "heldenhaftes Verhalten", liegt vor, so Reinecker, wenn wir uns kurzfristig für ein Verhalten entscheiden, dass wir eigentlich ablehnen (aversives Verhalten) - weil es z.B. anstrengend, traurig oder schmerzhaft ist. Das ist die eine Chance, Selbstdisziplin zu zeigen: Man tut es trotzdem. Die andere ist etwas einfacher: Wir verzichten auf etwas Verlockendes, arbeiten beispielsweise, statt mit Freunden Pizza essen zu gehen. "Widerstehen einer Versuchung" nennt Reinecker diesen Fall. Klingt beides anstrengend. Warum also sollten wir uns so unter Druck setzen und heldenhaft sein oder einer Versuchung widerstehen?

Weil beide Verhaltensmuster langfristig wichtige positive Konsequenzen für uns haben: Wir laden den schwierigen Mitarbeiter zum Gespräch ein, gehen zur unangenehmen Vorsorgeuntersuchung, lernen die staubtrockenen Inhalte, oder verzichten auf die Pizza, weil wir langfristig ein funktionierendes Team, einen gesunden Körper oder schlauen Kopf wollen. Und ziehen so die Zukunft in die Gegenwart.

Selbstdisziplinierte Menschen sind demnach oft durch ihre Willenskraft in der Lage, verlockende, zerstreuende, ablehnende innere oder äußere Reize auszublenden und sich stark auf das zu fokussieren, was sie tun wollen oder gerade tun; sie sind kaum ablenkbar und bleiben zielfokussiert. Mit diesem Verhalten, so Dutzende von Studien, räumen sie ab:

Selbstdisziplinierte verdienen mehr, finden die besseren Arbeitsplätze, sind mit ihrem Job und ihrer Partnerschaft zufriedener und haben eine geringere Wahrscheinlichkeit, dick zu werden. Selbstdisziplin sagt den Lebensweg stärker vorher als der IQ und gilt für individuellen Erfolg als die Schlüsseldisziplin.

Die Wahrheit über unseren inneren Antrieb
Was treibt uns wirklich an?„Die uns eigene Motivation ist wie eine innere Maschine, die ein bestimmtes Produkt herstellt“, sagt die Autorin Mira Mühlenhof. Darauf sind wir fixiert und wir tun alles, um möglichst viel davon in unser Leben zu holen – jedoch ohne dass uns dieser Antrieb bewusst wäre. Das Phänomen dahinter ist der „blinde Fleck“. So gehören zu jedem unbewussten Persönlichkeitsmuster ein Selbstbild und daraus resultierend eine Stolperfalle. Für jeden, der dauerhaften Erfolg will, ist es unabdingbar, diese zerstörerische Kraft zu durchschauen und zu verwandeln - für mehr Authentizität und Leichtigkeit.Foto: Duracell Quelle: duracell.de
Streben nach dem BestenSie sehen sofort, was fehlerhaft ist, was korrigiert werden sollte, was noch besser geht. Ihre Anspruch macht Sie zum Reformer, Sie arbeiten stets am 100-prozentigen Ergebnis. Ihr Selbstbild: Ich mache es richtig. Die Falle: Ihre hohe innere Messlatte strengt andere an. Sie nörgeln und sind unlocker. Quelle: Fotolia
Helfen als GrundsatzIhnen fallen bei jeder Gelegenheit Menschen auf, die Ihre Hilfe benötigen. Sie unterstützen, wo und wann immer es geht. Dabei vernachlässigen Sie sich selbst und es fällt Ihnen schwer, auch mal etwas anzunehmen. Ihr Selbstbild: Ich helfe und bin liebenswürdig. Die Falle: Ihr Helfer-Syndrom grenzt an Manipulation. Sie helfen ungefragt. Das nervt. Quelle: Fotolia
Ich bin ein GewinnerMit ihrem Charme erobern Sie die Welt. Mit Ihren vielen Projekten und der leichten Art, sie umzusetzen, gehören Sie zu den Champions. Ihr Selbstbild: Ich bin erfolgreich. Die Falle: Sie mogeln sich durchs Leben, täuschen und blenden andere. Und vor allem sich selbst. Quelle: Getty Images
Die Perle liegt in der TiefeBloß nicht wie die Anderen sein – das ist Ihr Lebensmotto. Dennoch achten Sie darauf, was andere haben und was Ihnen fehlt. Das schürt Ihre Melancholie und Ihre Selbstzweifel. Ihr Selbstbild: Ich bin besonders. Die Falle: Ihr Leben ist ein immerwährendes Drama. Insbesondere für die anderen. Quelle: Getty Images
Professionalität reicht ausIhnen entgeht nichts, Sie sind bereits Fachmann auf Ihrem Gebiet. Dennoch forschen Sie unermüdlich nach neuen Erkenntnissen. Ihr Denkapparat arbeitet unermüdlich. Ihr Selbstbild: Ich blicke durch. Die Falle: Sie haben Angst vor Gefühlen. Wo bleibt das Zwischenmenschliche, das Herz? Quelle: Getty Images
Zu viel Neues muss nicht seinSie mögen Strukturen, Pläne und Strategien. Sie haben die Dinge gern in Ordnung, sind verlässlich und treu. My home is my castle. Ihr Selbstbild: Ich tue meine Pflicht. Die Falle: Sie können keine Entscheidungen treffen – aus der Befürchtung, es könnte die falsche sein. Sie sind ein kleiner Angsthase. Quelle: Fotolia

Sprunghafte, kaum Zielorientierte sind hingegen reizoffen für Zerstreuungen durch Gedanken, Personen oder Aktivitäten die gerade auftauchen und kurzfristigen Spaß versprechen. Auf Außenstehende wirkt das vielleicht hedonistisch-leicht, der Betroffene selbst aber, wird von der Aufgabe und seinen langfristigen Zielen weggeführt. Denn, so ein Spruch in den sozialen Netzwerken: "Nichts, was sich wirklich lohnt, ist leicht".

Dennoch geht es nicht darum, ein Leben in ständiger Selbstbeherrschung zu führen, denn das wäre öde und genauso selbstzerstörerisch, wie ein Leben ohne jede Selbstbeherrschung. Es geht nur darum, in jenen Bereichen willensstark zu sein, die uns tatsächlich für die eigene Entwicklung wichtig sind.

Hinweise aus der Volitionsforschung: So stärken Sie Ihre Willenskraft

Willenskraft ist also oft die Kraft gegen das "obwohl". Blöd ist nur, dass die kurzfristigen Impulse ("obwohl") im limbischem System erfolgen und die Reflexion über langfristige Konsequenzen primär im Frontallappen. Und das limbische System sendet spontane Impulse, was bedeutet, dass uns die kurzfristige Versuchung oft näherliegt, als die langfristige positive Konsequenz: Mental schiebt sich die Pizza vor den fitten Body. "Mister Marshmallow", der renommierte Selbstdisziplinforscher Walter Mischel, spricht deshalb von einem Hot System (kurzfristiger Impuls) und einem Cold System (langfristige Ziele) und fand heraus, dass unser Geist dazu tendiert, die schnelle Belohnung überzubewerten, während wir das langfristige Ziel herabsetzen.

Mischel rät daher dazu, dass verführerisches „Jetzt“ abzukühlen und das spätere Ziel zu erhitzen. Und bei den heftigen, heldenhaften Handlungen? Da können wir entsprechend verfahren: Die Anstrengung in unserer Vorstellung verringern ("leicht, leicht, federleicht") und den späteren Lohn ausmalen: Wie schön wird es sein, wenn ich ... Und schließlich ist die menschliche Willenskraft oft kraftvoller als wir für möglich halten.

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