Bewerbungen für den Traumjob Die Vermessung der Kandidaten

Um der Bewerberflut Herr zu werden, nutzen Unternehmen viele Methoden. Sie testen das logisches Denken genauso wie die Belastbarkeit der Kandidaten. Aufwand und Ertrag stehen dabei oft in einem schlechten Verhältnis.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Bewerbungstipps für Schüchterne
Vorbereitung ist die halbe MieteSetzen Sie sich intensiv mit Ihrem eigenen Lebenslauf auseinander. Nichts ist peinlicher, als wenn man seinen eigenen Werdegang nicht wiedergeben kann. Versuchen Sie auch, sich für die Stelle, auf die Sie sich bewerben, die jeweils wichtigsten Stationen Ihres Werdegangs klarzumachen und denken Sie darüber nach, wie sie Sie persönlich weitergebracht haben. Bereiten Sie sich also gut auf die ausgeschriebene Stelle vor und machen Sie sich mit den Anforderungen vertraut, die man dort an Sie stellen wird. So können Sie nicht so leicht überrascht werden und routiniert auf Fragen zu Kompetenzen antworten. Quelle: Fotolia
Perfektion gibt es nichtIntrovertierte Menschen sind oft extrem selbstkritisch und neigen zum Perfektionismus. Sie sollten sich klar machen, dass Ihre Ansprüche an sich selbst vermutlich viel höher sind, als die Anforderungen der Personaler. Sie erwarten keine Perfektion, keinen durchgestylten Lebenslauf, sondern wollen Sie persönlich und Ihre Fähigkeiten kennenlernen – und natürlich auch prüfen, ob Sie charakterlich ins Team passen. Eine eventuelle Absage hat also nichts mit „versagen“ zu tun – vielleicht wären Sie mit den potentiellen zukünftigen Kollegen auch überhaupt nicht klar gekommen. Quelle: Fotolia
Rollenspiele können helfen…Hier geht es nicht darum, sich in einen Elfen oder Zauberer zu verwandeln und mit Gummischwertern zu kämpfen – finden Sie sich in Ihre Rolle als Sie selbst ein. Üben Sie mit vertrauten Menschen, etwa dem Partner oder engen Freunden das Vorstellungsgespräch ein, bei denen es Ihnen nicht peinlich ist ins Stottern zu geraten, rot zu werden und so weiter. Es werden immer wieder ähnliche Fragen auftauchen und je vertrauter Sie damit sind, umso weniger unangenehm wird mit der Zeit auch die Situation. Quelle: Fotolia
…aber spielen Sie keine RolleWählen Sie Kleidung, in der Sie sich wohl fühlen und sich nicht verkleidet vorkommen. Wählen Sie Farben und Muster, bei denen man eventuelle Schweißausbrüche nicht sofort sieht. Stehen Sie auf jeden Fall zu Ihrer Schüchternheit und Nervosität. Authentisch herüberzukommen ist besser, als zu versuchen den Obercoolen zu spielen. Das wird Ihnen vermutlich in der Stress-Situation des Bewerbungsgesprächs sowieso nicht durchgehend gelingen – und erst recht nicht, falls so die Hürde übersprungen wird und man sich nun tagtäglich im Büro verstellen muss. Wenn Sie im Vorstellungsgespräch unehrlich sind und zum Beispiel vorgeben, total gerne Vorträge vor Gruppen zu halten, kann es zwar sein, dass genau das für die Stelle gesucht wird – aber dann müssen Sie diese Erwartungen auch im Alltag erfüllen können. So wird der Job schnell zum Albtraum.
Lassen Sie sich ZeitIm Vorstellungsgespräch kommt der Blackout – vor lauter Nervosität verlieren Sie den Faden. Nun bloß nicht in Panik verfallen. Nehmen Sie sich Zeit, sagen Sie ehrlich, dass Sie nervös sind und kurz nachdenken müssen. Das wird Ihnen jeder seriöse Personaler zugestehen – und wenn nicht, sind Sie sowieso an der falschen Adresse. Quelle: Fotolia
Eigenlob umgehenAnstatt darzustellen, wie toll Sie sind und sich dabei unwohl zu fühlen, umgehen Sie dies einfach, indem Sie vor allem über Ihre Erfolge und Erfahrungen berichten. Hier hilft es wieder, wenn man den eigenen Lebenslauf gut vor Augen hat und sich daran entlang hangeln kann. Sowas gibt Sicherheit, und reale Beispiele aus Ihrem Leben lassen sich leichter erzählen als dick aufgetragenes Eigenlob. Quelle: Fotolia
Einen „Spickzettel“ schreibenEin Trick um die flatternden Nerven zu beruhigen ist sich auf typische Fragen, die im Gespräch auftauchen können, vorzubereiten – und die Antworten aufzuschreiben. Vielen Menschen hilft es, so die Antworten zu verinnerlichen. Wiederholtes Lesen der Liste mit den eigenen Stärken verhilft zu einer positiven Einstellung. Auch Fragen, die man meist am Ende des Gesprächs stellen kann, kann man sich vorher aufschreiben. Nehmen Sie sich Ihren „Spicker“ mit. Wahrscheinlich müssen Sie ihn nicht einmal aufschlagen, allein die Sicherheit, dass Sie die Fragen und Antworten vor sich oder sicher in Ihrer Tasche wissen, beruhigt die Nerven. Quelle: Fotolia

Es klingt paradox, aber es ist so: Obwohl in Deutschland derzeit so viele Menschen in Lohn und Brot sind wie seit 25 Jahren nicht, kämpfen viele Unternehmen mit einer Flut von Bewerbungen. Erstens ist die Fluktuation höher, wenn Jobs leicht zu finden sind und zweitens bewerben sich in guten Zeiten viel mehr Arbeitnehmer um vermeintliche Traumjobs. Die Zahl der Bewerbungen hängt sicher auch mit dem Bekanntheitsgrad und der Attraktivität eines Unternehmens zusammen.

Nach einer Studie der Unternehmensberatung Hay Group, die 100 Unternehmen mit 1,4 Millionen Bewerbern im Jahr untersucht hat, leiden 63 Prozent der Unternehmen unter zu vielen Bewerbungen. 37 Prozent haben eher damit zu kämpfen, dass sie zu wenige Bewerbungen erhalten.

Ob Bewerberflut oder nicht, die Unternehmen sollten Bewerbungen zeitnah bearbeiten und dabei für große Transparenz sorgen. „Es kommt immer noch vor, dass Absagen zu spät oder gar nicht verschickt werden“, stellt Thomas Gruhle von der Hay Group fest. Wichtig sei, dass jedes Unternehmen seinen eigenen Weg findet, die Bewerbungen zu bearbeiten. In Deutschland würden die Mehrzahl der Unternehmen die Lebensläufe der Bewerber scannen und sich anschließend die vollständigen Unterlagen der geeigneten Kandidaten besorgen. Diese Methode sei allerdings nur mäßig erfolgreich, da schwer vorherzusagen ist, wie sich der neue Arbeitnehmer in seiner Position anstellt.

Auch Telefoninterviews seien nicht unbedingt das probate Mittel, sagt Gruhle. Die seien zeitaufwendig und kostspielig. „Da braucht es speziell geschultes Personal, um die richtigen Fragen zu stellen.“ Viele Personaler würden Kandidaten unvorbereitet interviewen und dann sehr unstrukturiert befragen. Die Ergebnisse seien dann dementsprechend.

Eine weitere Methode, der Flut der Bewerber irgendwie Herr zu werden, sind die sogenannten Killerfragen im Bewerbungsgespräch. Also etwa: „Welches Buch haben sie zuletzt gelesen?“ oder „Was ist ihre größte Schwäche?“. Killerfragen helfen zwar beim Sieben, fördern aber selten den geeigneten Kandidaten zutage.

Die Experten der Hay Group empfehlen als modernes Tool zur Auswahl von Bewerbern sogenannte psychometrische Verfahren, mit denen Belastbarkeit und Stresserprobung der Bewerber ebenso getestet werden können wie deren numerisches und logisches Denken. Solche Verfahren gibt es schon seit Jahren, aber bislang waren sie auf Papier fixiert und daher statisch.

Modernere Tests finden online statt und sind dynamisch, das heißt, sie passen sich dem Leistungsniveau des Kandidaten an. Nach Ansicht von Hay-Manager Gruhle helfen solche Tests enorm, den richtigen Kandidaten zu finden. „Eine hundertprozentige Genauigkeit bieten aber auch diese Methoden nicht, jedoch eine deutlich höhere prognostische Validität als andere eingesetzte Verfahren.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%