Im April 2013 hat die Stadt Celle als bundesweit erste Stadt mit einem anonymisierten Bewerbungsverfahren nach einer Führungskraft gesucht. Danach wagten sich andere Kommunen an den Feldversuch. Name, Alter, Herkunft und Geschlecht der Kandidaten erfährt die Personalabteilung dabei zunächst nicht, auch ein Foto gibt es nicht. Nur die Qualifikationen des Bewerbers sollten im Fokus stehen.
Das Ziel: persönliche Ressentiments oder Vorlieben des Personalers sollen bei der Entscheidung für oder gegen einen Bewerber wegfallen. Im angelsächsischen Sprachraum ist die anonymisierte Bewerbung längst ein alter Hut, bei US-Unternehmen wird ausgesiebt, wer ein Foto mitschickt. Nur hierzulande mahlen die Mühlen langsamer.
„Bei großen Firmen gibt es eher die Bereitschaft, das zu machen, als bei Mittelständlern“, meint der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen, Volker Müller. Inhabergeführte Firmen setzten lieber auf Gefühl und Menschenkenntnis und wollten von Anfang an sehen, ob der potenzielle künftige Mitarbeiter ins Team passe. „Gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung gehe ich davon aus, dass die Firmen ohnehin ein Interesse haben, Mitarbeiter mit Migrationshintergrund einzustellen.“
Doch das ist leider nicht der Fall: Einer Studie des Forschungsbereichs des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) belegte, dass Bewerber mit türkischem Namen bei deutschen Unternehmen kaum Chancen haben und junge Leute mit ausländisch klingendem Namen bekommen seltener eine Lehrstelle.
Bewerbungsstrategien für den Traumjob
Analysieren Sie, was Ihrem Traumarbeitgeber fehlt. „Das kann alles Mögliche sein, vom Youtube-Werbevideo über neue Vertriebsmethoden bis hinzu Beziehungen in einen interessanten Auslandsmarkt“, schreibt Karriereexpertin Svenja Hofert in Ihrem Buch „Die Guerilla Bewerbung“, das im Campus Verlag erschienen ist. Die Kunst ist, das Defizit vor dem Arbeitgeber zu erkennen und ihn davon zu überzeugen, dass er es mit Ihrer Hilfe beheben kann.
Schlagen Sie Ihr Adressbuch auf und suchen Sie zehn Kontakte heraus, die Ihnen bei der Suche nach Ihrem neuen Job behilflich sein könnten. Wichtig sind nicht nur Menschen, die direkt einen Arbeitsplatz für Sie haben könnten, sondern auch Personen, die viele interessante Kontakte haben. Schreiben Sie ein prägnantes Kurzprofil, schicken Sie es an Ihre Kontakte mit der Bitte es wiederum an zehn Kontakte weiterzuleiten.
Persönlich miteinander in Kontakt kommen, das ist die Idee hinter dieser Strategie. Suchen Sie sich Ihren Wunscharbeitgeber und überlegen Sie, wer vor Ort der beste Ansprechpartner sein könnte. Rufen Sie einfach an, erklären Sie Ihr großes Interesse an dem Unternehmen und bitten Sie um einen kurzen Termin zum Kaffeetrinken. So ist der erste Kontakt hergestellt.
Suchen Sie sich eine Aufgabe, die Ihrem Alter entspricht. Das hört sich erstmal hart an, ist aber ganz plausibel. Bewerben Sie sich nicht auf Inserate, die mindestens zwei bis drei Jahre Berufserfahrung voraussetzen, denn hier liegen nicht Ihre Stärken. Für viele ältere Führungskräfte, die es am Ende der beruflichen Laufbahn nochmal wissen wollen, ist die Position des Interimsmanager eine geeignete Aufgabe. Die Arbeitsagentur oder private Vermittler helfen gerne weiter.
Oftmals ist Projektarbeit der Einstieg in die Festanstellung. Deshalb überlegen Sie sich genau, erstens welches Projekt Sie realisieren könnten und zweitens für welche Institutionen oder Firmen es interessant sein könnte. Treten Sie an die potentiellen Interessenten heran und überzeugen Sie sie von Ihrer Idee. Die Bereitschaft in ein Projekt einzuwilligen ist höher, als eine neue Stelle zu schaffen. So können beide Seiten herausfinden, ob es passt.
Schaffen Sie sich Ihren Traumjob einfach selbst. Entdecken Sie den Bedarf an einer bestimmten Dienstleistung oder einem Produkt und schlagen Sie einem Träger vor, sich darum zu kümmern. Das funktioniert besonders gut im öffentlichen Bereich. Sind Sie von der Idee restlos überzeugt, können Sie es sogar wagen, einen eigenen Verein oder eine Stiftung zu gründen.
Schreiben Sie eine E-Mail, die der Leser nicht ignorieren kann. Finden Sie heraus, an welchen Stellen Ihr Lieblingsunternehmen Nachholbedarf hat und präsentieren Sie sich als Lösung. Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie in der Branche schon Erfahrungen und Kontakte haben. Für diese Variante muss „Ihr Können und Ihr Hintergrund“ sehr interessant sein.
Sie kennen sich mit einer speziellen Aufgabe oder einem Themengebiet gut aus und haben mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich? Dann könnte die Expertenstrategie die richtige sein. Wichtig ist, ihr Spezialgebiet so umfassend zu definieren, dass sie auf viele Angebote passen, aber gleichzeitig so viel Expertise zu besitzen, dass nicht viele mit Ihnen konkurrieren können. Die Autorin nennt sich zum Beispiel Expertin für neue Karrieren und nicht Spezialistin für MBA-Programme.
Diskriminierung ist allerdings kein deutsches Phänomen: Ein Experiment der französischen Wissenschaftler Matthieu Manant, Serge Pajak und Nicolas Soulié zeigt: Personaler diskriminieren Bewerber, die im Ausland geboren sind. Die Forscher erschufen zwei fiktive Bewerber, deren Zeugnisse und Lebensläufe identisch waren.
Herkunft auf Facebook angeben? Besser nicht
Außerdem legten sie für beide ein Facebook-Profil an. In dem Profil des einen war zu lesen, dass er in Marokko geboren sei. Eine Information, die nicht in den eigentlichen Bewerbungsunterlagen hervor ging. Pro Bewerber wurden mehr als 400 Bewerbungen verschickt.
Währen der fiktive Bewerber, der in Frankreich geboren wurde, von 21,3 Prozent der Unternehmer zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, bekam der Kandidat, der in Marokko zur Welt gekommen ist, von 13,4 Prozent Einladungen für ein persönliches Kennen lernen. Nachdem Facebook im Dezember 2012 die Profilseiten geändert hat und die Herkunft nicht mehr auf den ersten Blick zu sehen waren, bekamen beide Bewerber gleich viele Einladungen. Die Conclusio, des bei der Konferenz der European Economic Association vorgestellten Experiments:
Personaler haben ein Auge auf die Facebook-Profile der Bewerber und sieben aus, wer nicht ins Bild passt. Dazu gehören leider auch Bewerber mit ausländischen Wurzeln. Wer sich irgendwo bewirbt, sollte also nicht nur sensible Fotos verstecken, sondern sein Profil am besten für Fremde ganz unzugänglich machen - was ohnehin sinnvoll ist.