Einatmen, ausatmen – für Übungen wie diese klingelt bei Jack Dorsey morgens um fünf Uhr der Wecker. Der 40-jährige CEO startet seinen Tag mit Meditation. Darauf folgt Sport, dann der erste Kaffee, danach legt Dorsey mit der Arbeit los. Der amerikanische Unternehmer und Softwareentwickler führt gleich zwei Unternehmen – die Mikroblogging-Plattform Twitter und den Bezahldienst Square –, sein Arbeitstag dauert zwischen 15 und 18 Stunden.
Für Schlaf bleibt da nur wenig Zeit. Dorsey ist nicht allein mit der jobbedingten Bettflucht: Spitzenmanager wie Ex-Bahnchef Rüdiger Grube, Apple-CEO Tim Cook und nicht zuletzt US-Präsident Donald Trump – sie alle gelten als überzeugte Frühaufsteher und Kurzschläfer. Viele Unternehmenslenker deuten eine kurze Bettruhe als Zeichen für hohe Leistungsfähigkeit. Doch Schlafforschern zufolge schadet beides oft mehr, als es nutzt.
Denn frühes Aufstehen führt nur in bestimmten Fällen zum Erfolg. Die Wissenschaftler teilen Schläfer in zwei Gruppen ein, sogenannte Chronotypen: Lerchen, als Frühaufsteher, und Eulen, als Menschen, die gern lange schlafen und erst zu späterer Stunde zu Höchstform auflaufen. Will jemand das Lager wechseln, gibt es Probleme.
„Eine Eule kann nicht zur Lerche werden“, sagt Kneginja Richter, Leiterin der Schlafambulanz im Schlafmedizinischen Zentrum des Klinikums Nürnberg und Professorin an der Technischen Hochschule Nürnberg. Früher Vogel oder Nachteule – das sei genetisch bedingt und unabänderlich. Schlafforscher wie Richter raten daher, dem eigenen Rhythmus zu folgen – also Lerchen, früh ins Bett zu gehen, und Eulen, länger wachzubleiben und entsprechend später aufzustehen. Doch das ist oft nicht möglich: „Wenn eine Eule berufsbedingt früh aufstehen muss, schläft sie deshalb noch lange nicht früher ein.“ Da hilft nur eines: am Wochenende ausruhen.
Falsche Volksweisheiten rund um den Schlaf
Falsch. Menschen haben unterschiedliche Schlafbedürfnisse. Als optimal gelten im Schnitt sieben Stunden. Aber letztlich muss jeder sein Optimum finden. Bestes Indiz: Wer sich tagsüber fit fühlt, hat nachts genug geschlafen.
Falsch. Die Qualität des Schlafs hat damit nichts zu tun. Unserem Körper ist es egal, wann wir einschlafen. Viel wichtiger ist, genügend Stunden tief und fest zu schlummern. Doch klar ist: Je später wir ins Bett gehen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dieses Pensum zu erreichen.
Falsch. Kurzfristig geht das vielleicht, langfristig sind unregelmäßige Schlafzeiten eher schädlich. Unser Körper liebt Beständigkeit, sie ist essenziell für guten Schlaf. Arbeiten Sie lieber an Ihren Gewohnheiten unter der Woche, anstatt am Wochenende Schlaf nachzuholen. Oder fühlen Sie sich fit, wenn Sie zwölf Stunden durchgeschlafen haben?
Falsch. 45 Prozent der Deutschen gehen zwar davon aus, der Mond habe Einfluss auf ihren Schlaf. Ein Zusammenhang zwischen Mondphase und Schlafdauer ließ sich bisher aber nicht nachweisen. Erklären lässt sich dieser Volksglaube eher mit dem Phänomen selektiver Wahrnehmung: Wer nachts wach liegt und am Himmel den Vollmond entdeckt, prägt sich solche Momente stärker ein.
Denn vor allem von zu wenig Schlaf raten Wissenschaftler dringend ab. Marco Hafner hat die wirtschaftlichen Folgen von Schlafmangel untersucht. Er ist leitender Forscher bei der US-amerikanischen Denkfabrik Rand Europe und Hauptautor der Studie „Why Sleep Matters – The Economic Costs of Insufficient Sleep“. Hafner kommt zu dem Schluss: Schlafmangel kostet die deutsche Wirtschaft bis zu 57 Milliarden Euro jährlich. Das entspricht 1,56 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Die Summe beinhaltet sowohl die finanziellen Folgen, die durch gesundheitliche Schäden von Schlafmangel entstehen, als auch jene, die auf verminderte Konzentrationsfähigkeit während der Arbeit zurückzuführen sind.