Trivago-Chef Schrömgens "Wir haben uns ganz von finanziellen Anreizen gelöst"

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"Der Mittelstand hat eine große Chance im Verhältnis zum größeren Konzern"

Und wenn die Überzeugungsarbeit mal nicht klappt, helfen Sie mit finanziellen Anreizen nach?
Wir haben uns ganz von finanziellen Anreizen losgelöst. Bei uns gibt es nur ein Fixgehalt. Dann gibt es noch Anteile vom Unternehmen für einen großen Teil der Mitarbeiter. Es gibt aber keinen variablen Anteil. Wir glauben nicht an extrinsische Motivation. Leute sollten Dinge tun, weil sie intrinsisch motiviert sind. Man denkt immer noch, dass Boni Leute motivieren. Aber das passiert in der Regel nicht.

Wenn Teamstrukturen bei Ihnen flexibel sind und Teamleiter je nach Aufgabe wechseln: Wer bemisst dann den Wert eines Mitarbeiters?
Tatsächlich haben wir eine sehr stark algorithmisch geprägte Gehalts-Indikation. Die kann zwar vom Menschen überstimmt werden, liegt aber in der Regel sehr gut. Das beruht sehr stark darauf, wie der einzelne von anderen eingeschätzt wird. Im Durchschnitt beurteilen 25 Leute einen Menschen, bei mir sind es eher 80 bis 100. Das sind Leute, mit denen man täglich interagiert.

Und die bewerten dann Ihr Führungsverhalten?
Eine ganz wichtige Komponente ist unsere Wertestruktur. Wir haben bestimmte Werte, wie wir das Unternehmen führen wollen. Dann gibt es aber auch allgemeine Kriterien wie Leadership oder Wertbeitrag. Das passiert einmal im Jahr. Das ist sehr hilfreich, weil dabei nicht nur Zahlen herauskommen. Da gibt es auch viele Kommentare von Leuten, mit denen ich zusammenarbeite.

Und was folgt daraus?
Am Ende geht jemand Unabhängiges die Punkte mit mir in einem Gespräch durch. Ich lerne viel daraus.

Es gibt in Deutschland unzählige Mittelständler, die ganz herkömmlich geführt werden und dennoch menschlich wie wirtschaftlich erfolgreich sind. Warum sollte ausgerechnet Ihr Modell besser sein?
Ich glaube ja, dass das Thema viel mit Digitalisierung zu tun hat. Und da setzen wir uns mit einer sehr umgreifenden Änderung auseinander. Das schwierige daran ist, dass das schneller abläuft als jede Veränderung vorher. Die Geschwindigkeit nimmt exponentiell zu. Und das Problem ist, je starrer eine Struktur, mit der ich diese Änderung angehe, desto disruptiver sind die Schocks für mein Unternehmen. Deswegen glaub ich sehr stark daran, dass wir andere Arten der Unternehmensführung und -struktur brauchen. Dann sind wir diesen disruptiven Schocks nicht so stark ausgesetzt, auch wenn die immer schneller kommen.

Wie krieg ich das als Führungskraft in einem alteingesessenen Unternehmen hin?
Der Mittelstand hat da eine große Chance im Verhältnis zum größeren Konzern. Die Inhaberführung kann dabei eine große Rolle spielen und die Größe und vielleicht auch die emotionale Bindung und die Werteorientierung. Das sind alles Dinge, die dazu beitragen können, Digitalisierung besser zu bewältigen als in einem großen Konzern. Nicht destortrotz ist es unglaublich schwierig. Es wird da sehr viel Disruption geben. Wenn es da keine Veränderung gibt, werden viele dieser Unternehmen keine langfristige Perspektive haben. Deswegen muss diese Veränderung aggressiver und konsequenter sein, als die meisten sich das vorstellen.

Sie haben leicht reden in einem Unternehmen mit einem Altersschnitt der Mitarbeiter unter 30 Jahren.
Das stimmt vollkommen. Deswegen sag ich ja: Es muss aggressiver und konsequenter passieren. Ich sehe ja in meinem Unternehmen, wie schwer das ist. Obwohl wir ein sehr veränderungswilliges Unternehmen sind. Die Herausforderung ist für einen Mittelständler natürlich viel größer als sie für mich ist.

Was wäre ein erster Schritt?
Auch wenn ich wieder esoterisch bin: Der digitale Wandel fängt nicht mit der Infrastruktur und der Datenarchitektur an oder den Beratern, die mir meine Unternehmensstruktur verändern. Wenn ich digitalen Wandel starten wollen würde, würde ich mit den Psychologen anfangen.

Euer Börsengang war am Anfang sehr erfolgreich. In den vergangenen Wochen hat sich die Aktie unerfreulicher entwickelt. Bereust Du, Dich diesem Umfeld ausgesetzt zu haben?
Die Welt wird ja nicht besser dadurch, dass man sich der Welt nicht aussetzt. Wenn man nicht an die Börse geht, sieht man zwar die Kursschwankung nicht. Aber die Unsicherheit ist ja genauso da. Jetzt sehe ich sie eben auf dem Kontoauszug. Aber dann muss ich mich vom Kontoauszug freimachen und sagen: Interessiert mich nicht. Mich interessiert der langfristige Werte und dann ist der Kurs auch da, wo er hingehört, Das ist mein Jobs.

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