François Gonczi ist Diplom-Ingenieur für numerische und angewandte Mathematik und arbeitet seit Januar 2004 bei dem Stromerzeuger Électricité de France (EDF). Vom Business Analyst mit klarem mathematischem Schwerpunkt arbeitete er sich über den Policy Advisor für europäische Netzpolitik zum Leiter Service Systems hoch. 2015 wurde er dann Chief Digital Officer (CDO) des Energiekonzerns. "Ich bin bei EDF dafür bekannt, ein guter Vermittler zu sein. Und selbst beim kleinsten Digitalprojekt müssen alle Beteiligten an einen Tisch geholt werden." Aus diesem Grund hat ihn sein Arbeitgeber in die vor zwei, drei Jahren noch nahezu unbekannte Position befördert. "Dass ich das kann, hat wenig mit meiner Berufsausbildung zu tun", sagt Gonczi.
Sein Arbeitgeber ist eines der 2500 größten börsennotierten Unternehmen weltweit, die die PwC-Strategieberatung Strategy& für die „2016 Chief Digital Officer“-Studie zu ihren Digitalisierungsbemühungen befragt hat. Im Mai 2015, als Gonczi seine Stelle antrat, waren Manager wie er eine Seltenheit. Nur sechs Prozent aller Firmen weltweit hatten 2015 überhaupt einen Chef-Digitalisierer. In der Energiebranche sind sie auch heute noch selten anzutreffen, wie die aktuelle Studie zeigt.
Zahl der CDOs hat sich verdreifacht
Allerdings steigt der Anteil an Unternehmen mit einem CDO weltweit: zwischen 2015 und 2016 verdreifachte er sich von sechs auf 19 Prozent. „Der massive Anstieg ebenso wie die Rekrutierungsbemühungen weltweit verdeutlichen die Professionalisierung der Digitalisierung in den Unternehmen“, sagt Olaf Acker, Leiter Digital Services bei Strategy&.
„Die Zeit der Pilotprojekte und Digital-Experimente in einzelnen Geschäftsbereichen scheint vorbei zu sein und in den Vorstandsetagen kümmert man sich nun auch um die nötige Führungskompetenz, um eine Digital-Strategie aufzusetzen.“
Die weltweit höchste CDO-Dichte gibt es übrigens nicht in den USA, sondern in Europa. Dort haben 34 Prozent der Großkonzerne einen CDO. Innerhalb Europas liegt Frankreich mit einer CDO-Quote von 62 Prozent klar an der Spitze, gefolgt von Deutschland mit 39 Prozent. Die Plätze drei, vier und fünf gehen an Großbritannien (35 Prozent), Spanien (33 Prozent) und die Schweiz (33 Prozent).
He höher der Börsenwert, desto eher gibt's einen CDO
Grundsätzlich gilt: Je höher der Börsenwert eines Unternehmens, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein CDO im Management sitzt. So verfügten 33 Prozent der Unternehmen mit einem Börsenwert jenseits der 18 Milliarden Dollar (16,2 Milliarden Euro) über einen CDO, bei einem Börsenwert von 8,7 bis 18 Milliarden Dollar war dies nur noch bei 18 Prozent der Fall.
Die Aufgaben und somit auch die Anforderungen an einen CDO unterscheiden sich von Branche zu Branche und von Unternehmen zu Unternehmen. „Während es den kosumentenorientierten Branchen wie der Unterhaltungsindustrie darum geht, Customer Experience und Konnektivität zu verbessern, arbeiten Versicherer und Banken darüber hinaus auch daran, ihre internen Abläufe komplett zu digitalisieren“, so Acker.
Fünf Typen von CDO
Was ihn auszeichnet: Er fokussiert sich auf die Entwicklung der digitalen Strategie und fördert Innovation im Unternehmen. Seine Kernaufgabe besteht darin, das existierende Geschäft durch den Einsatz von digitalen Technologien zu transformieren und auf dem Weg zu einem weitgehend digitalen Unternehmen neue Impulse zu geben.
Für welche Unternehmen er sich eignet: Industrieunternehmen sowie eher traditionelle Betriebe in der Chemie-, Öl-, Gas- und Bergbau-Branche.
Was ihn auszeichnet: Im Gegensatz zum Progressive Thinker geht dieser CDO bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle mit einer zupackenden Mentalität vor, um neue Umsätze zu erschließen. Er bringt Ideen und Technologien von außerhalb der Industrie ins Unternehmen ein und fördert damit neues Denken. Er scheut auch nicht davor zurück, das existierende Geschäftsmodell zu kannibalisieren oder in Frage zu stellen.
Für welche Unternehmen er sich eignet: Gerade für Unternehmen, die wegen der Digitalisierung vor extremen Veränderungen stehen – etwa verbraucherorientierte Branchen –, können sie eine wertvolle Stütze sein.
Was ihn auszeichnet: Er fokussiert sich vor allem auf die Kundenzufriedenheit und denkt marktorientiert. Er verbindet die digitale mit der analogen Welt und garantiert nahtlose Multichannel-Kundenerfahrung. Für ihn stehen der Online-Verkauf und weitere digitale Services rund um das physische Produkt im Vordergrund.
Für welche Unternehmen er sich eignet: Das wahre Kundenbedürfnis ist stets sein zentraler Bezugspunkt. Daher ist er insbesondere für kundenorientierte Branchen wie Banken, Handel oder Tourismus geeignet.
Was ihn auszeichnet: Seine Vorgehensweise kommt der des innovativen und businessfokussierten Chief Information Officers oder Chief Technology Officers sehr nahe. Er ist davon überzeugt, dass der effiziente Einsatz digitaler Technologien eine Grundvoraussetzung für die Realisierung neuer (disruptiver) Geschäftsmodelle ist.
Für welche Unternehmen er sich eignet: Für welche Unternehmen er sich eignet: Gerade Unternehmen aus der produzierenden Industrie, die ihre Lieferketten optimieren und digitale Technologien in ihren Fabriken einführen, profitieren von diesem Typus.
Was ihn auszeichnet: Er ist sicherlich der anspruchsvollste unter den fünf Archetypen, da er alle zentralen Aspekte der digitalen Transformation verantwortet und über Fachkenntnis in mehreren Bereichen verfügt: Marketing, Technologie und Change Management. Sein Arbeitsspektrum erstreckt sich von der Entwicklung digitaler Strategien und Geschäftsmodelle über digitales Marketing bis hin zur Implementierung neuester Technologien.
Für welche Unternehmen er sich eignet: Er empfiehlt sich vor allem für all diejenigen Unternehmen – egal aus welcher Branche –, die bisher wenig in ihre digitale Transformation investiert haben und die dadurch den Anschluss verpassen könnten. Denn sie brauchen eine Führungskraft, die sich schnell und umfassend der digitalen Themen annimmt.
Das belegen auch die Beispiele aus Deutschland. So kümmert sich Jean-Jacques - JJ - van Oosten, Chief Digital Officer der REWE Group, vornehmlich darum, den Online-Service für die Kunden zu verbessern und diese aktiv in die Gestaltung des Online-Angebotes einzubinden. "Es war uns wichtig, dass Kunden eine zentrale Anlaufstelle für ihren gesamten Einkauf des täglichen Bedarfs haben - von Lebensmitteln über Produkte für die Küche und den Haushalt", sagt er. Postbank-CDO Philip Laucks dagegen muss das Bankgeschäft immer auf dem neuesten Stand halten und Johann Jungwirth von Volkswagen neue Mobilitätskonzepte austüfteln.
Dreimal der gleiche Job, drei völlig unterschiedliche Aufgaben. Entsprechend gibt es nicht den Lebenslauf oder die Fähigkeiten, die einen guten CDO ausmachen, sondern lediglich Näherungswerte. Schaut man sich die Karrierestationen der jetzigen CDOs an, zeigt sich jedoch, dass die Mehrheit einen technischen Hintergrund hat:
41 Prozent der CDOs sind IT- beziehungsweise Technik-Experten. 33 Prozent kommen aus dem Marketing, 19 Prozent aus der Beratung. Unter den deutschen CDOs dominiert nach wie vor der Marketing-Background (46 Prozent). Je nach Branche ist das gar nicht schlecht, sagt Acker.
Nur wenn das Digitalisierungsprojekt größer wird und es darum geht, neue Geschäftsmodelle zu etablieren, muss ein CDO mehr können, als gut verkaufen und sich in den Kunden hineinzuversetzen. „Für kundenzentrierte Digitalisierungsmaßnahmen sind CDOs aus dem Marketing oft gut geeignet, doch wenn Unternehmen eine umfassendere Transformation anstreben, brauchen sie Top-Manager mit tiefgreifendem technischen Verständnis und Beratungskompetenz“, sagt Acker. Nun ist es beim CDO wie bei der normalen Fachkraft: Je mehr Anforderungen die Unternehmen an eine einzelne Person haben, desto schwieriger ist es, sie zu finden. Eierlegende Wollmilchsäue sind nun mal selten.