Chief Digital Officer Deutsche setzen auf digitale Heilsbringer

Vor zwei Jahren hatten nur sechs Prozent aller Konzerne weltweit einen sogenannten CDO. Heute sind es 19 Prozent. Überraschend hoch ist die Dichte der Chef-Digitalisierer in Deutschland.

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39 Prozent der börsennotierten deutschen Unternehmen haben einen CDO. Quelle: Fotolia

François Gonczi ist Diplom-Ingenieur für numerische und angewandte Mathematik und arbeitet seit Januar 2004 bei dem Stromerzeuger Électricité de France (EDF). Vom Business Analyst mit klarem mathematischem Schwerpunkt arbeitete er sich über den Policy Advisor für europäische Netzpolitik zum Leiter Service Systems hoch. 2015 wurde er dann Chief Digital Officer (CDO) des Energiekonzerns. "Ich bin bei EDF dafür bekannt, ein guter Vermittler zu sein. Und selbst beim kleinsten Digitalprojekt müssen alle Beteiligten an einen Tisch geholt werden." Aus diesem Grund hat ihn sein Arbeitgeber in die vor zwei, drei Jahren noch nahezu unbekannte Position befördert. "Dass ich das kann, hat wenig mit meiner Berufsausbildung zu tun", sagt Gonczi.

Sein Arbeitgeber ist eines der 2500 größten börsennotierten Unternehmen weltweit, die die PwC-Strategieberatung Strategy& für die „2016 Chief Digital Officer“-Studie zu ihren Digitalisierungsbemühungen befragt hat. Im Mai 2015, als Gonczi seine Stelle antrat, waren Manager wie er eine Seltenheit. Nur sechs Prozent aller Firmen weltweit hatten 2015 überhaupt einen Chef-Digitalisierer. In der Energiebranche sind sie auch heute noch selten anzutreffen, wie die aktuelle Studie zeigt.

Zahl der CDOs hat sich verdreifacht

Allerdings steigt der Anteil an Unternehmen mit einem CDO weltweit: zwischen 2015 und 2016 verdreifachte er sich von sechs auf 19 Prozent. „Der massive Anstieg ebenso wie die Rekrutierungsbemühungen weltweit verdeutlichen die Professionalisierung der Digitalisierung in den Unternehmen“, sagt Olaf Acker, Leiter Digital Services bei Strategy&.

„Die Zeit der Pilotprojekte und Digital-Experimente in einzelnen Geschäftsbereichen scheint vorbei zu sein und in den Vorstandsetagen kümmert man sich nun auch um die nötige Führungskompetenz, um eine Digital-Strategie aufzusetzen.“

Die weltweit höchste CDO-Dichte gibt es übrigens nicht in den USA, sondern in Europa. Dort haben 34 Prozent der Großkonzerne einen CDO. Innerhalb Europas liegt Frankreich mit einer CDO-Quote von 62 Prozent klar an der Spitze, gefolgt von Deutschland mit 39 Prozent. Die Plätze drei, vier und fünf gehen an Großbritannien (35 Prozent), Spanien (33 Prozent) und die Schweiz (33 Prozent).

He höher der Börsenwert, desto eher gibt's einen CDO

Grundsätzlich gilt: Je höher der Börsenwert eines Unternehmens, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein CDO im Management sitzt. So verfügten 33 Prozent der Unternehmen mit einem Börsenwert jenseits der 18 Milliarden Dollar (16,2 Milliarden Euro) über einen CDO, bei einem Börsenwert von 8,7 bis 18 Milliarden Dollar war dies nur noch bei 18 Prozent der Fall.

Die Aufgaben und somit auch die Anforderungen an einen CDO unterscheiden sich von Branche zu Branche und von Unternehmen zu Unternehmen. „Während es den kosumentenorientierten Branchen wie der Unterhaltungsindustrie darum geht, Customer Experience und Konnektivität zu verbessern, arbeiten Versicherer und Banken darüber hinaus auch daran, ihre internen Abläufe komplett zu digitalisieren“, so Acker.

Fünf Typen von CDO

Das belegen auch die Beispiele aus Deutschland. So kümmert sich Jean-Jacques - JJ - van Oosten, Chief Digital Officer der REWE Group, vornehmlich darum, den Online-Service für die Kunden zu verbessern und diese aktiv in die Gestaltung des Online-Angebotes einzubinden. "Es war uns wichtig, dass Kunden eine zentrale Anlaufstelle für ihren gesamten Einkauf des täglichen Bedarfs haben - von Lebensmitteln über Produkte für die Küche und den Haushalt", sagt er. Postbank-CDO Philip Laucks dagegen muss das Bankgeschäft immer auf dem neuesten Stand halten und Johann Jungwirth von Volkswagen neue Mobilitätskonzepte austüfteln.

Dreimal der gleiche Job, drei völlig unterschiedliche Aufgaben. Entsprechend gibt es nicht den Lebenslauf oder die Fähigkeiten, die einen guten CDO ausmachen, sondern lediglich Näherungswerte. Schaut man sich die Karrierestationen der jetzigen CDOs an, zeigt sich jedoch, dass die Mehrheit einen technischen Hintergrund hat:

41 Prozent der CDOs sind IT- beziehungsweise Technik-Experten. 33 Prozent kommen aus dem Marketing, 19 Prozent aus der Beratung. Unter den deutschen CDOs dominiert nach wie vor der Marketing-Background (46 Prozent). Je nach Branche ist das gar nicht schlecht, sagt Acker.

Nur wenn das Digitalisierungsprojekt größer wird und es darum geht, neue Geschäftsmodelle zu etablieren, muss ein CDO mehr können, als gut verkaufen und sich in den Kunden hineinzuversetzen. „Für kundenzentrierte Digitalisierungsmaßnahmen sind CDOs aus dem Marketing oft gut geeignet, doch wenn Unternehmen eine umfassendere Transformation anstreben, brauchen sie Top-Manager mit tiefgreifendem technischen Verständnis und Beratungskompetenz“, sagt Acker. Nun ist es beim CDO wie bei der normalen Fachkraft: Je mehr Anforderungen die Unternehmen an eine einzelne Person haben, desto schwieriger ist es, sie zu finden. Eierlegende Wollmilchsäue sind nun mal selten.

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