Doch eine Reise nach Berlin genügt, um zu sehen, dass deutscher Sekt Boden gewinnt. Die Weinbar Cordobar, für deren Weinauswahl die beiden gebürtigen Österreicher Willy Schlögel und Gerhard Retter verantwortlich zeichnen, führt selbstverständlich mehrere deutsche Schaumweine.
Den führt auch das jüngst mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant Nobelhart & Schmutzig, das neben seinem kulinarischen Motto „Brutal lokal“, vor allem für die außergewöhnliche Weinauswahl seines Sommeliers und Spiritus Rector, Billy Wagner, bekannt ist. Wer in Berlin kulinarisch hip ist, stößt auf deutschen Sekt.
Doch während die einfachste Flasche Bollinger etwa 45 Euro kostet, ist guter Rieslingsekt mit Preisen ab zehn Euro geradezu preiswert. Noch sind die besten deutschen Sekte mit Preisen von selten mehr als 50 Euro zu bekommen und wer in Köln in einen Supermarkt mitten in der Innenstadt geht, hat die Auswahl zwischen mehreren Sekten von Volker Raumland, darunter seine Cuvée Marie-Louise für rund 15 Euro.
Fakten zu Sekt & Co.
Riesig sind die Schwankungen nicht und eine Tendenz gibt es - im Gegensatz zum sinkenden Bierabsatz auch nicht. Dennoch ist 2014 das schwächste Jahr für den Verkauf von Schaumwein. 3.174.195 Hektoliter wurden verkauft, gut 56.000 Hektoliter weniger als im Vorjahr. Und gar 270.000 Hektoliter weniger als im Rekordjahr 2006 - durch Zufall dem Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland.
Welches Land könnte wohl den größten Durst haben auf Sekt aus Deutschland? Mit Abstand das meiste geht nach Österreich, dort wurden 2014 mehr 19 Millionen Euro für deutschen Schaumwein ausgegeben. Platz Zwei geht an Norwegen mit 7,6 Millionen Euro und Belgien 7,5 Millionen. Auf Platz vier schiebt sich keine Nation, sondern eine Branche: Die Schiffs- und Fluglinien kauften Schaumwein im Wert von 4,7 Millionen Euro.
Die Wiedervereinigung oder der Sieg der Fußballweltmeisterschaft unter Trainer Franz Beckenbauer scheint 1990 viele Menschen zum Anstoßen verleitet zu haben: In dem Jahr erreichte die Sektsteuer mit 490 Millionen Euro ihren absoluten Rekord. 2014 waren es nur noch 410 Millionen Euro.
Ein Auf und Ab ist es auch für die Champagnerhersteller in Deutschland. 2011 mehr als 14,2 Millionen Flaschen, 2014 nur noch 12,6 Millionen. Wenig zu lachen hatten die Franzosen 2009 nach der Lehmankrise als mit gerade mal 10,9 Millionen Flaschen der niedrigste Wert seit 2000 erreicht wurde.
Im Jahr 2013 erreichte Rotkäppchen einen Marktanteil von 35,9 Prozent. Danach kommt erstmal lange gar nichts. Auf Platz zwei mit 9,5 Prozent Freixenet und mit 5,9 Prozent schafft es Mumm auf den dritten Platz. Wenn man dann noch die 5,1 Prozent von MM Extra dazuzählt, dann erreicht das Unternehmen Rotkäppchen-Mumm mit den drei Marken Rotkäppchen, Mumm und MM Extra einen Markanteil von mehr als 50 Prozent.
Für den Winzersekt des Jahres des Gault Millau von Raumland sind 23,50 Euro nötig, der Vinum-Sieger von Aldinger kostet 50 Euro.
Trotzdem: Die Mehrheit der deutschen Schaumweinkäufer scheint sich vor allem für einen möglichst niedrigen Preis zu interessieren. Im Durchschnitt liegt der bei 2,86 Euro pro Flasche. Davon gehen noch 1,02 Euro Sektsteuer ab. Der Staat erhält 136 Euro Steuer pro Hektoliter. Egal, zu welchem Preis die Flasche später verkauft wird. Die Sektsteuer ist mit knapp 400 Millionen Euro im Jahr ein wichtiger Posten im Bundeshaushalt.
Kein Wunder, dass sie seit 1902 als sie zur Finanzierung der kaiserlichen Flotte eingeführt wurde, zwei Weltkriege, die deutsche Wiedervereinigung und seit 1949 gleich acht Kanzlern überstanden hat. Wer perlend anstößt, stützt den Staat. Ob es schmeckt, ist dabei unerheblich.
Denn die besten Qualitäten machen einen verschwindend geringen Prozentsatz aus. Selbst die gesammelten Winzersekte Deutschlands haben lediglich einen Marktanteil von weniger als drei Prozent. Wer sich jedoch umschaut, findet unter den drei Prozent einige Schaumweine, mit denen das neue Jahr stilvoll und kulinarisch hochwertig begrüßt werden kann.