Sprachwissenschaft Wie der Vorname das Urteil der Mitmenschen prägt

Armer Kevin! Vornamen sind leider nicht Schall und Rauch, sondern wecken fast unweigerlich bestimmte Vermutungen über ihren Träger.

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Mandy oder Isabella!? Der Vorname prägt die Meinungen der Mitmenschen. Wohlklingende Namen werden häufig positiv beurteilt.

Was stimmt denn nun? Hatten die alten Römer Recht mit ihrem „Nomen est omen“? Sind Namen ein Vorzeichen für das Schicksal ihres Trägers? Oder sind Namen doch nur „Schall und Rauch“? Faust will das in Goethes Drama dem Gretchen weismachen, als sie ihm die berühmte Frage nach der Religion stellt. „Ich habe keinen Namen dafür! Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsglut.“

Doch natürlich glaubt Faust selbst nicht, dass Namen völlig belanglos sind. Und die meisten Menschen tun es auch nicht. Sowohl der Familienname als auch der Vorname lösen bei anderen Menschen bewusst oder unbewusst etwas aus. Was das ist, kann man meist schwer sagen – und meist sagt man es dem Namensträger auch besser nicht.

Über den Nachnamen kann man vielleicht noch smalltalken. Heißt einer Moosbrugger, so kann man davon ausgehen, dass seine Vorfahren in der väterlichen Linie aus Österreich stammen. Heißt jemand Pilarski, dürfte er polnische Vorfahren haben. Und Oskar Lafontaine hatte wie sehr viele Saarländer vermutlich französische Ahnen. Subtiler wird die Sache bei Vornamen.

„Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose“, titelte ein Online-Magazin vor einigen Jahren. Es ging um eine Studie, die feststellte, dass  Kinder, die zum Beispiel Sophie oder Alexander heißen, von ihren Lehrern tendenziell für intelligenter gehalten werden als eine Chantal und ein Kevin. Unterstellt wird dabei natürlich, dass Eltern dazu tendieren, schichten- oder bildungsniveauspezifische Namen zu vergeben. 

Der Onomastiker Thomas Liebecke erforscht dieses Phänomen. Mit einer großen Online-Umfrage ergründet er derzeit, wie 2300 Vornamen wirken. Die Befragten sollen  jeweils zwischen 13 Adjektivpaaren wählen. Das geht von „vertraut – fremd“ über „jung – alt“, „zurückhaltend – forsch“ und „attraktiv – unattraktiv“ bis zu „nicht intelligent – sehr intelligent“. Auf dieser Datenbasis soll für jeden Vornamen eine grafische Darstellung entstehen, die die mit ihm assoziierten Vorstellungen festhält.

Nach bisherigem Stand seiner Umfragen kann Liebecke schon jetzt bestätigen: Namen werden innerhalb einer Sprachgemeinschaft relativ gleichartig bewertet. Zu erklären sei dies vor allem durch Erfahrungswissen, mit dem wir einen Namen beim ersten Hören bereits verbinden. „Unbewusst suchen wir Anknüpfungspunkte zu ähnlichen Namen oder versuchen, ihn anderweitig zu kategorisieren.“

Deutlich wird dies bei der Assoziation von Wohlstand und Intelligenz mit bestimmten Namen. „Als “intelligent” gelten vor allem Namenträger, deren Namen griechische oder lateinische Wurzeln haben, beziehungsweise latinisiert und latinisiert wirkende Formen oder gräzisierte Formen sind“, schreibt Liebecke. Er vermutet, dass hier das alte humanistische Bildungsideal nachwirkt, in dem die klassische Antike eine zentrale Rolle spielt. Wer seinen Kindern einen von klassischer Bildung zeugenden Namen gibt, wird für intelligent gehalten. Das wiederum unterstellt man dann auch den Kindern.

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