Wie können Führungskräfte dabei am besten vorgehen? Wolfgang Bohlen, Studiengangsleiter im MBA Talentmanagement der AKAD University, fasst die unterschiedlichen Ansätze wie folgt zusammen: „Grundsätzlich beschreibt die Literatur zwei Strömungen: Top-down oder bottom-up. Bei Ersterem wird das Change Management durch die Geschäftsführung und eine kleine Gruppe von Beratern ausgearbeitet und die Umsetzung initiiert. In Krisen ist dieses Vorgehen sehr sinnvoll – liegt aber keine Krise vor, birgt dieser Ansatz Gefahren: Überrumpelung der Mitarbeiter, fehlende Partizipation, Motivationsverluste für den sich anschließenden Change-Prozess.“ Das Bottom-up-Verfahren finde dagegen schon von Anfang an unter einer hohen Beteiligung der Mitarbeiter statt. „Das ist vielversprechend – außer eben in Krisen- und Gefahrsituationen, wo für lange Diskussionen keine Zeit bleibt.“
Widerstand gibt es immer
Für welche der beiden Strategien sich das Unternehmen auch entscheiden mag, steht doch schon vorher fest: Es wird immer Widerstand geben, er gehört ganz selbstverständlich zum Veränderungsprozess. Denn den offenen und heimlichen Gegnern, den Skeptikern und Bremsern macht das Neue Angst.
Die drei häufigsten Fehler bei Veränderungen
Wer seine Angestellten nicht vergraulen will, darf keinesfalls autokratische Befehle erteilen oder den Eindruck erwecken, dass die oberste Führungsetage alle Veränderungen von oben herab diktiert. Führungskräfte sollen zwar das Ziel vorgeben. Doch am Weg dorthin muss die Belegschaft mitwirken.
Zu viel Basisdemokratie führt zu Aufschieberitis, Planlosigkeit und Verwirrung. Ob eine geplante Veränderung überhaupt sinnvoll ist, sollte zwar unbedingt geklärt werden – bevor konkrete Schritte überlegt werden. Doch diese Entscheidung sollte keinesfalls im Kreis der Mitarbeiter erörtert werden. Wer den Sumpf trockenlegen will, fragt besser nicht die Frösche.
Gut gemeint, schlecht gemacht: Wer zu schnell zu viel verändern will, erregt Widerstand. Nicht aus Bösartigkeit, sondern oft aus Gewohnheit. Umso wichtiger, dass Manager die Angestellten nicht überfordern – und immer wieder mantraartig klarmachen, warum die Veränderung alternativlos ist.
Analog zum psychologischen Modell der vier Trauerphasen bewegen sich Mitarbeiter – und übrigens auch die Führungskräfte selbst – im Change-Prozess durch verschiedene Phasen: Dem initialen Schock folgt eine Phase der Verneinung und des Widerstands. Je nach Umfang des Veränderungsprozesses geht es bis hinab in ein „Tal der Tränen“. Läuft der Change-Prozess gut, findet man anschließend aber auch wieder aus dem Tal hinaus, man passt sich an, probiert die Neuerungen aus, und zeigt Engagement in der neuen Organisation.
Mit Empathie durch die Trauerphasen
Wie leiten Unternehmen ihre Mitarbeiter nun am besten durch diese Trauerarbeit? „Die Führungskräfte sind hier die Leitfiguren. Ihnen muss es gelingen, eine klare Strategie zu entwerfen und hierfür die Mitarbeiter zu begeistern“, betont Bohlen. „Wenn die Veränderungen nicht von allen mitgetragen werden, ist der Erfolg in Gefahr.“ Auch Change-Experte Klaus Doppler hält Emotionalität und Begeisterungsfähigkeit für den Erfolg der anvisierten Veränderungsstrategien für essenziell. In diesem Interview mit dem Online-Magazin changeX erklärt er: „Es reicht nicht aus, sich vor seine Mitarbeiter zu stellen und ihnen rational zu erklären, warum jetzt dieser oder jener Schritt erfolgen muss. Manager müssen ihre Mitarbeiter dazu bringen, sich zu engagieren, aktiv mitzumachen, mitzudenken, sich Dinge anzueignen und sich verpflichtet zu fühlen. Das sind aber alles hochemotionale Leistungen.“ Dass Führungskräfte solche Emotionen zeigen und der Funke auf die Mitarbeiter überspringen muss, sei in der Vergangenheit im Veränderungsmanagement zu häufig unterschätzt worden.
Hardcore-Gegner: Wie umgehen mit Boykottierern?
Nun legt man sich eine ausgefeilte Change-Strategie zurecht, involviert die Mitarbeiter so gut es nur geht – und trotzdem hält sich eine hartnäckige Gruppe von offenen und heimlichen Gegnern. Ein böswilliges Aufbegehren gegen Sie als Führungskraft? Keine Sorge, die Kritik richtet sich nicht gegen Ihre Person. Zunächst sollte man differenziert vorgehen und herauszufinden versuchen, um welche Art von Widerstand es sich handelt, erklärt Bohlen: „Rationaler Widerstand kann durchaus nützlich sein, er ist ein Hinweis auf offene Punkte und mögliche Probleme. Es ist offenbar in der Strategie etwas inhaltlich noch nicht rund. Hier lohnt es sich nachzufragen, zu diskutierten – und die Lösungen gegebenenfalls anzupassen.“
Beim emotionalen Widerstand hingegen drücke sich der Boykott indirekt in Angst vor Veränderung aus, so Bohlen. „Häufig wird diese Verunsicherung gar nicht direkt geäußert. Hier ist Kommunikation, Transparenz und Information essenziell. Zudem muss es Qualifizierungsmaßnahmen geben, um auf die neuen Anforderungen zu reagieren.“
Die dritte Variante sei der machtpolitische Widerstand. Denn Change Management verändere auch die Hierarchie, den Einfluss von Personen. Weniger unter den Mitarbeitern, dafür aber unter den Führungskräften komme es daher vor, dass sie den Change-Prozess selber boykottieren, um ihre Macht zu erhalten. Eine gefährliche Situation, da doch die Führungskräfte eine Hauptrolle beim Change spielen und die Mitarbeiter mitnehmen sollen. „Dieser Widerstand gefährdet dann den Gesamterfolg. Im Notfall kann ihm auch mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen begegnet werden“, resümiert Wolfgang Bohlen.