Fachkräftemangel Unternehmen müssen mehr selbst ausbilden

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Können Fachkräfte aus Polen helfen?

Viele Firmen suchen deshalb verstärkt im benachbarten Ausland nach Arbeitskräften. So gibt es beispielsweise im polnischen Arbeitsamt in Gorzów Wielkopolski im Grenzgebiet zu Brandenburg Infotage für Firmen aus Deutschland und Arbeitnehmer aus Polen, die sich vom jeweils anderen die Rettung versprechen. Kerstin Kieper von der Firma Manpower Group Deutschland sucht hier Lastwagenfahrer und Gabelstaplerfahrer im Logistikbereich. „Es wird immer schwieriger, Fachpersonal zu bekommen und deshalb suchen wir auch weiter weg“, sagt sie.

Damit ist sie nicht allein: Von der Arbeitsagentur im sächsischen Bautzen heißt es: „Die Bereitschaft der Oberlausitzer Unternehmen, auch polnische oder tschechische Arbeitskräfte einzustellen, ist über die Jahre hinweg gestiegen.“ Seit Frühjahr 2012 habe sich die Zahl der polnischen Arbeitnehmer im Agenturbezirk bis heute fast versechsfacht. Im März seien es fast 5400 gewesen.

Im selben Monat haben in Deutschland nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit rund 366.400 Polen gearbeitet. 2012 waren es 157.000. Ein Arbeitsagentur-Projekt in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wirbt um polnische Auszubildende.

Die Folge: Auch der polnischen Wirtschaft fehlen mittlerweile Kräfte – vor allem im Gesundheitswesen. Weitere Arbeitskräfte abzuwerben ist also keine Lösung für das deutsche Fachkräfteproblem, es verschiebt es lediglich über die Grenze zu den Nachbarn. Ganz davon abgesehen, dass nicht jede Vermittlung funktioniert. Mal liegt es an fehlenden Deutschkenntnissen, mal an den beruflichen Qualifizierungen. Denn, und da ist man sich nicht nur im Berliner Maritim einig, das deutsche duale Ausbildungssystem ist weltweit führend.

Oettinger erzählt, wie ihn vor allem die Kollegen aus den osteuropäischen Ländern um die duale Ausbildung beneiden. "Es ist weiterhin die beste Grundlage für beruflichen Erfolg, Theorie und Praxis zu vereinen", sagt er bei der Ehrung. Was, allen Akademisierungswahn zum Trotz, auch Unternehmer und Akademiker zugeben. Zumindest beklagen beide den fehlenden Praxisbezug des Studiums in Deutschland. Die einen brechen ihr Studium deswegen ab, die anderen schimpfen über die Berufseinsteiger, die zwar gute Theoretiker, aber keine guten Arbeiter sind.

Außerdem halten mehr Lehrlinge ihre Ausbildung durch als Studierende. Jede vierte Ausbildungen endet vorzeitig beziehungsweise der Azubi wechselt doch noch mal den Lehrberuf – besonders häufig satteln angehende Restaurantfachleute, Sicherheitskräfte und Köche um.

Bei den Akademikern bricht jeder Dritte ab, wie eine repräsentative Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zeigt. In mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengängen ist die Abbrecherquote mit 39 Prozent an Universitäten und 42 Prozent an Fachhochschulen besonders hoch.

Knapp die Hälfte aller Abbrecher verlassen in den ersten beiden Semestern die Hochschule, weitere 29 Prozent im dritten oder vierten Semester. Die überwiegende Mehrheit der Studienabbrecher (43) macht dann: eine Berufsausbildung. 31 Prozent gehen ohne Abschluss arbeiten.

"Der frühe Zeitpunkt eines Studienabbruchs und der schnelle Wechsel in eine Ausbildung weisen darauf hin, dass viele junge Menschen noch nicht genau wissen, welchen Berufsweg sie einschlagen möchten", sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) bei der Präsentation der DZHW-Studie. "Das zeigt, wie wichtig eine gute Berufsorientierung bereits in der Schulzeit ist."

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