WirtschaftsWoche: Frau Lulay, wie viel Bargeld haben Sie dabei?
Marika Lulay: Selten mehr als 50 Euro. Ich zahle so oft wie möglich per Kreditkarte, Laptop, iPad oder Smartphone. Auch wenn ich da in Deutschland oft an Grenzen stoße.
Wann zuletzt?
Als ich mit dem Taxi von Mannheim nach Hause fahren wollte. Eine Fahrt für etwa 70 Euro. Ich musste die ganze Taxireihe ablaufen, bis ich einen Fahrer gefunden hatte, der – unter Murren – Kreditkarten akzeptierte.
Zur Person
Marika Lulay, 54, ist seit 2002 im Vorstand des börsennotierten IT-Dienstleisters GFT zuständig für das operative Geschäft. Die Diplom-Informatikerin ist eine der wenigen Frauen im Top-Management eines Technologiekonzerns.
Verständnis haben Sie dafür vermutlich nicht.
Ich verstehe, dass man Neuem skeptisch gegenüberstehen kann. Aber, wie man auf Englisch so schön sagt: You can’t push water up the hill. Heißt: Innovation wird sich immer Bahn brechen, wenn sie das Leben von Konsumenten verbessert. Keine Branche kann einen Damm bauen, der die Welle der Veränderung dauerhaft abwehrt. Es ist immer besser, selbst die Welle zu reiten.
Dann sind Sie, wie SPD-Chef Gabriel, sicher auch für Programmieren als Pflichtschulfach?
Der Umgang mit Computern und Apps sollte in der Schule Normalität sein. Aber nicht um des Programmierens willen, sondern um frühzeitig ein Verständnis für die digitale Welt zu bekommen – IT-Kompetenz ist eine wichtige Voraussetzung, Veränderungen als etwas Positives zu sehen.
Sie sind eine der wenigen Top-Managerinnen in der IT-Branche. Wie sehr nervt es Sie, auf Ihren Exotenstatus angesprochen zu werden?
Inzwischen ziemlich. Wir müssen auch eher aufpassen, dass wir nicht die nächste Generation der Männer ausgrenzen.
Wie kommen Sie denn darauf?
Durch meinen heute 19-jährigen Sohn: Der hat in der Schule immer wieder erlebt, wie Mädchen gefördert und bevorzugt wurden. Dass sie etwa bei Girls Days an sogenannte Männerberufe herangeführt werden – und für ihn zur Konkurrenz werden, ohne dass er sich im gleichen Maße gefördert fühlte. Er sieht: Im Kanzleramt sitzt eine Frau, im Vorstand eines IT-Unternehmens auch. Der hat wenig Verständnis für die These, dass Frauen im Beruf benachteiligt werden. Irgendwann hat er sich einen Frauenjob gewünscht – meinen. Das hat bei mir eine Art Hallo-wach-Erlebnis ausgelöst.
Hinterfragen Sie sich selbst: Stimmen diese Klischees über Frauen und Männer im Job?
Studien zeigen: Schon kleine Mädchen bevorzugen flache Hierarchien – keiner soll sein Gesicht verlieren. Chefinnen-Gehabe wird abgestraft. Jungs aber testen schon früh Hierarchien – und bleiben im Job dabei: Arbeit ist Wettkampf, Karriere heißt Konkurrenten killen.
Viele Frauen lehnen Machtgerangel ab, streiten lieber um der Sache willen. Männer kämpfen oft nicht um Inhalte, sondern um die Deutungshoheit.
Frauen landen oft entweder auf unwichtigen oder sehr wackeligen Stühlen, auf denen die Gefahr des Scheiterns besonders groß ist. Nicht, weil sie besonders gute Krisenmanager wären – sondern weil Männer Frauen eher ranlassen, wenn der Karren tief im Dreck steckt.
Auch unfähige Männer treten oft mit breiter Brust auf. Fähige Frauen machen sich oft klein, nehmen Dinge persönlich, haben Angst vor zu viel Verantwortung.
Inwiefern?
Dass es nicht um Männer oder Frauen geht. Sondern darum, das Verhalten dominanter Gruppen aufzubrechen. Das hat mit geschlechterspezifischer Differenzierung nichts zu tun. Deshalb lehne ich einen Fokus auf Frauenförderung als zu einseitig ab.