Manchmal braucht es Mut. Den Mut der Chefetage, die Mitarbeiter einfach mal machen zu lassen. Bei Otto kam dabei das "Geheimprojekt Ursula" heraus. Ein Virtual-Reality-Konzept für den Geschäftskundenbereich.
"Dass unser VR-Projekt „Geheimprojekt Ursula“ heißt, ist ein Scherz. Andere Konzerne tüfteln doch ständig an irgendwelchen Geheimprojekten. Das wollten wir auch. Also haben wir Begriffe wie Virtual Reality, Otto und Splunk in einen Akronymgenerator geworfen und geguckt, was dabei rauskommt", erzählt André Pietsch und grinst. "Wir hatten die Wahl zwischen "Ursula" und "Stallion". Der Hengst verlor.
Virtual-Reality-Projekt für B2B
Pietsch ist Product Manager bei der Otto Group und "Ursulas" Vater. Für Kunden hat der Handelskonzern bereits Ende 2016 eine virtuelle Wohnmesse, in der Kunden per Computer oder mit einem VR-Cardboard (ein Virtual-Reality-Selbstbau-Kit fürs Smartphone) durch virtuelle Küchen und Wohnzimmer gehen konnten.
Virtual-Reality-Brillen
Ob Oculus Rift, Playstation VR oder HTC Vive: Alle Virtual-Reality-Brillen funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Im Sichtfeld zeigt ein Bildschirm die virtuelle Umgebung an, Linsen sollen für einen Rundum-Effekt sorgen. Das Bild wird bei jeder Bewegung des Kopfes angepasst – Sensoren messen jede Veränderung, der Computer errechnet blitzschnell das neue Bild.
Gründer Palmer Luckey baute eine erste Datenbrille aus Smartphone-Komponenten zusammen. Inzwischen hat die Facebook-Tochter die Technik so verfeinert, dass 2016 eine erste Verbraucherversion von Oculus Rift fertig wird. Oculus hat den Preis für die lange erwartete 3D-Brille mit 699 Euro in Europa höher als von Experten erwartet angesetzt.
Samsung bietet die Datenbrille Gear VR bereits jetzt als Zubehör fürs Smartphone an – es wird in die Halterung geschoben und dient als Display, die zwei Linsen in der Brille sorgen für die 3D-Optik. Damit ist das System nicht so leistungsfähig wie Konkurrenzprodukte, aber mobil. Die Technik stammt übrigens von Oculus VR.
Der Elektronikhersteller HTC entwickelt seine Virtual-Reality-Brille Vive gemeinsam mit dem Spielespezialisten Valve. Um die Position des Spielers möglichst genau zu ermitteln, werden im Raum zwei Lasersensoren montiert, die mit den Sensoren am Gerät permanent in Kontakt sind. Eine Besonderheit: Nutzer können sich damit im Raum bewegen. Einführung: Ende 2015.
Die virtuelle Realität muss nicht teuer sein: Mit Cardboard hat Google eine zusammenfaltbare Pappkonstruktion entwickelt, in die Nutzer ihr Smartphone schieben können. Eine App bereitet die Bilder passend auf. Technisch sind die anderen Systeme überlegen, Cardboard lässt aber erahnen, welche Möglichkeiten es gibt.
"Wir haben uns jedenfalls gefragt, ob wir Virtual Reality nicht auch für B2B anbieten können", erklärt er die Idee hinter "Ursula". Zusammen mit Kollegen und Partnern wie Dell, Gemini Data oder LC Systems, mit Universitäten und Forschungseinrichtungen, tüftelte er an einer Plattform, die die Otto Group mit all ihren Systemen darstellt.
Zu sehen sind dort Luftballons, an denen verschiedene Päckchen hängen: Buchhaltung, Adressverzeichnisse, Softwarelizenzen, Richtlinien – das gesamte Intranet mit all seinen Ordnern zum Anfassen und Auspacken. In Schriftform sei das System der Konzerngruppe hoch komplex, weil so viele verschiedene Unternehmen in verschiedenen Ländern dazu gehören. Wer da nochmal nachsehen möchte, wie ein bestimmter Prozess aussehen muss, verliere leicht den Überblick. "Geheimprojekt Ursula" soll helfen, sich in den Strukturen des Unternehmens besser zurecht und Gesuchtes schneller zu finden.
"Mit VR machen wir unsere Systeme nicht nur sicht- sondern erlebbar. Man kann durch sie hindurchlaufen und durch Prozesse fliegen und dabei 2000 verschiedene virtuelle Objekte sehen", erläutert Pietsch.
Ursula und die Duz-Kultur sind gleich alt
Dass "Ursula" und die Duz-Kultur bei dem Handelskonzern etwa gleich alt sind, ist kein Zufall. ""Ursula" ist auch ein Ergebnis des Kulturwandels bei Otto", bestätigt Pietsch. "Es ist ja nicht nur, dass wir uns jetzt inklusive Chefs und Vorstände alle duzen. Es geht auch um Öffnung unserer Plattform für Partner und um Transparenz und Ausprobieren."
"Wir wollen im Unternehmen zu einem noch stärkeren „Wir“-Gefühl kommen. Das hat viel mit flachen Hierarchien und der Bereitschaft zu tun, Verantwortung zu übernehmen", erläuterte der ehemalige Konzernchef Schrader damals in der WirtschaftsWoche seine Vorstellung vom Wandel seines Unternehmens.