Haufe-umantis Wählen Sie sich Ihren Chef doch selbst

Seit 2013 wählen die Mitarbeiter von Haufe-umantis ihre Führungskräfte: Wer zum Chef nicht taugt, tritt zurück. Wir haben Unternehmensgründer Hermann Arnold gefragt, wie zufrieden er mit dem Demokratie-Experiment ist.

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Wahlzettel Quelle: dpa

Management by empowerment: Bei dem Softwareanbieter Haufe-umantis startete im November 2013 ein vielbeachtetes Demokratie-Experiment: Die Mitarbeiter wählen ihr Management seitdem selber. Denn wer sollte besser wissen, welcher Typ Abteilungsleiter eine Abteilung braucht, als die Mitglieder des Teams? Doch auch vor dem obersten Führungsgremium machten die Wahlen nicht halt.

Alle Führungskräfte des Anbieters für Talentmanagement-Lösungen mussten sich dem Votum durch ihre 120 Mitarbeiter stellen, CEO inklusive. Insgesamt kandidierten 25 Manager für 21 Stellen zur Wahl. Dabei wurden elf Vorgesetzte in ihrer Position bestätigt, sieben Mitarbeiter in das Management befördert. Drei Stellen werden extern besetzt; eine Führungskraft wurde abgewählt. Den Anstoß zu dieser Art der Mitarbeiterbeteiligung gab damals der Gründer und ehemalige Chef von Haufe-umantis, Hermann Arnold.

Denn er selbst ist 2013 von seinem Posten als CEO zurückgetreten und hat seinen Nachfolger von den Mitarbeitern bestimmen lassen. Nach dieser Wahl zog sich Arnold zunächst für 100 Tage aus dem Unternehmen zurück, um zu verhindern, dass er dem neuen CEO im Weg stehen würde.

 

Keine Lust mehr aufs operative Geschäft

„Ich habe immer gesagt: Ich mache meinen Job solange es niemanden gibt, den wir uns leisten können, der ihn besser macht“, erklärt Arnold. Er habe sich immer wieder selbst hinterfragt, ob er noch der Richtige für sein Unternehmen sei oder ob es nicht ein anderer besser machen würde.

Als er das Gefühl hatte, im eigenen Haus diesen Einen gefunden zu haben, trat er von seinem Amt als Unternehmenslenker zurück – ohne Skandal, ohne Druck. „Ich habe mir 13 Jahre lang im operativen Bereich den Hintern aufgerissen, danach wollte ich nur noch eine strategische Position bekleiden, in der ich für keinen operativen Prozess mehr zwingend gebraucht werde, sondern nur meinen Senf dazu gebe, wenn ich gefragt werde“, begründete er seine Entscheidung.

Doch dann kam es ganz anders: Sein Nachfolger, Marc Stoffel, lud ihn eines Tages zum Essen ein und berichtete von einem Problem: Eine Stelle in der Produktentwicklung sei zwei bis drei Monate vakant, bis der erwählte Kandidat den Job antreten werde. Er bat Arnold, die Position interimsweise zu übernehmen. Aus den ursprünglich geplanten zwei bis drei Monaten wurde letztlich ein Jahr, doch anschließend konnte Arnold die geplante Rolle als Berater einnehmen – als Angestellter im Team von Stoffel, dem neuen CEO von Mitarbeiters Gnaden. Das sei anfangs gar nicht so leicht gewesen, muss Arnold zugeben.

Der Kampf mit dem Ego

„Zunächst hat man immer wieder das Bedürfnis, seinem Nachfolger reinzureden und ihm zu sagen: Ich hätte es soundso gemacht. Es ist eine unglaubliche Erfahrung, dass es ohne einen funktioniert – und oft sogar besser. Deshalb bin ich ja zurückgetreten, aber das Bedürfnis ist natürlich trotzdem da.“ Außerdem müsse man sich vor einem solchen Schritt natürlich auch fragen, wie Kollegen, Freunde und Familie darauf reagieren, wenn der Chef auf einmal zum ganz normalen Angestellten wird – und zwar in dem Betrieb, den er selbst aus der Taufe gehoben hat.  

Wie die Wahlen bei Haufe umantis funktionieren

Arnold ist überzeugt, dass viele Unternehmen daran scheitern, dass die Führungskraft nicht beziehungsweise nicht mehr der Richtige ist. Deshalb bereut er seinen Schritt auch nicht. Er freut sich über die spiralförmigen Karrieren, die sein Rücktritt und die daraus entstandenen Manager-Wahlen erst möglich gemacht haben: „Diese spiralförmigen Karrieren – hoch, runter, lernen, hoch, runter, lernen – bringen allen Beteiligten etwas.“ Denn schließlich heiße Zurücktreten ja nicht wegtreten: Wer als Führungskraft von den Mitarbeitern abgelehnt wird, ist damit nicht gefeuert, sondern geht zurück ins Team aus Mitarbeitern und hat die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen.

In seinem Fall profitieren alle von seinem Rücktritt, wie Arnold findet.

Stoffel, weil er ihm ehrliches Feedback gibt, was man als CEO eher selten bekommt. Er selbst habe „in dieser Zeit als Marcs Mentor mehr über Unternehmensführung gelernt, als ich es in allen Harvard Business-Kursen getan hätte“. Die Mitarbeiter profitieren, weil sie nun eine ganz andere Art der Teilhabe erleben und ihr Unternehmen aktiv mitgestalten können.

Auch wenn Arnold ab und an mit seinem Ego zu kämpfen hatte – er ist sich nach wie vor sicher, dass es der richtige Schritt war. „Wenn man die Arbeitswelt der Zukunft gestalten will, muss man auch mal Experimente wagen“, sagt er. Bis das Modell Haufe-umantis Schule machen könne, müsse sich jedoch erst einiges an der Kultur in Deutschland ändern, wo ein Rücktritt vom Chefposten mehr als Scheitern oder als Machtverlust denn als ein normaler Vorgang angesehen wird. Bei Haufe hält man an dem Modell fest, weil es sich bewährt hat. Arnold: „Wenn Marc nicht mehr gewählt wird, will er wahrscheinlich im Produktmanagement eine Aufgabe übernehmen. Dafür brennt er.“

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