Manager Die Patriarchen der deutschen Wirtschaft
Ferdinand Piëch ist der Inbegriff des Firmenpatriarchen, der alle Fäden beim VW-Konzern in den Händen hält. Aber er ist nicht der einzige legendäre Übervater eines deutschen Großunternehmens.
Im Januar ist der Milch-Tycoon Theo Müller aus dem Allgäu 75 Jahre alt geworden. Doch von Ruhestand ist bei Theo Müller nichts zu spüren. Zwar hat sich der Patriarch schon vor einigen Jahren aus der Geschäftsführung der Großmolkerei mit rund zwei Milliarden Euro Umsatz zurückgezogen und ist in die Schweiz ausgewandert. Doch ohne den Alleininhaber und seine teilweise exzentrischen Auftritte läuft nichts: Auch nicht der Rauswurf von rund 20 Führungskräften in weniger als zwei Jahren. Ein bisschen ruhiger ist dennoch geworden, seit er sich 2011 den Großbäcker Heiner Kamps ins Boot holte. Der letzte große Coup des Molkerei-Magnaten, der in der Öffentlichkeit das Image des skrupellosen Kapitalisten hat, liegt erst wenige Monate zurück: Mit 74 Jahren kaufte Müller für 100 Millionen Euro die Frischmilchsparte des britischen Molkereikonzerns Dairy Crest mit einem Jahresumsatz von 1,1 Milliarden Euro.
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Auch SAP-Mitgründer Hasso Plattner ist einer aus der Riege der deutschen Patriarchen, die bis heute in ihrem Unternehmen mitmischen – und dadurch immer mal wieder für Unruhe sorgen. Der 71-jährige Berliner gar gleich in Dreifachfunktion: Zum einen sitzt Plattner als Aufsichtsratschef dem Kontrollgremium vor; zum anderen fungiert er als oberster SAP-Technologieberater, und schließlich ist er mit seinem Aktienanteil von knapp zehn Prozent größter Einzelaktionär des Walldorfer Software-Riesen.Anders ausgedrückt: Ohne Plattner läuft bis heute nichts bei SAP. Allzu gerne gibt der SAP-Übervater den genialen Grantler, der sich darin darin gefällt, seinem eigenen Unternehmen immer wieder die Leviten zu lesen und auf Fehlentwicklungen hinzuweisen. „Manchmal will ich die Walldorfer Entwickler packen und schütteln und anschreien: Bewegt euch schneller!“, so einer seiner bekanntesten Sprüche der vergangenen Jahre. „Ich wollte immer ein Diktator sein – aber ein guter Diktator“, sagte Plattner Mitte 2013 im Interview mit der WirtschaftsWoche. Das Problem: Bis heute ist weit und breit niemand in Sicht, der ihn ersetzen können – auf die Nach-Plattner-Ära hat sich SAP zumindest offiziell noch nicht vorbereitet.
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Erwin Müller kommt von der Droge Drogerie nicht los. Der mittlerweile 82-Jährige Selfmademan von der Donau hat einst die Drogeriekette Müller gegründet und bekannte vor ein paar Jahren in der WirtschaftsWoche: „Ich kann die Firma nicht allein stehen lassen. Jeden Morgen gegen halb acht schlägt er in der Ulmer Zentrale auf. Um ins Büro in der dritten Etage zu kommen, nimmt er grundsätzlich - und zum Wohlgefallen seiner Ärzte - die Treppe statt den Fahrstuhl. Und solange ihn "der liebe Gott jeden Tag aufstehen lässt", werde sich daran nichts ändern. "Ich wüsste nicht, was ich daheim tun sollte”, erklärte der Veteran, der in den Vorjahren reihenweise Manager verschliss. Dass es für den Handelsmethusalem eigentlich längst Zeit wäre, los zu lassen, ist spätestens seit Anfang des Jahres klar. Eine Steueraffäre Müllers kochte hoch. Der schwäbische Unternehmer soll nach Medienberichten 1999 bis 2007 Steuern hinterzogen haben, wobei unklar ist, ob eine frühere Selbstanzeige gültig ist.
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Klaus-Michael Kühne ist weit mehr als ein Patriarch über ein Unternehmen, er wirkt beinahe wie ein Patriarch über eine ganze Branche. Bei Kühne und Nagel – dem Unternehmen, das seine Familie einst gründete und das er Jahrzehnte lang leitete - hat sich der 77-Jährige zwar offiziell schon seit über 15 Jahren aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Einen Blick in die Bücher selbst bei Regionalniederlassungen wirft Mehrheitsaktionär Kühne trotzdem noch gerne. Außerdem greift der Multimilliardär der kriselnden Groß-Reederei Hapag Lloyd unter die Arme, an der er knapp ein Viertel der Anteile hält. So grübelt der gebürtige Hamburger und Wahl-Schweizer schon mal öffentlich darüber nach, wer ein geeigneter Fusionspartner für die Hamburger Reederei sein könnte – obwohl Hapag Lloyd sich gerade erst mit den chilenischen Konkurrenten CSAV zusammengeschlossen hat. Weil ihm das noch nicht reicht, hat sich Kühne außerdem ein Hobby zugelegt: den HSV. Auch dort hat sich Kühne als Aktionär eingekauft. Wenn es nötig ist, hilft er dem Hamburger Traditionsverein mit ein paar Millionen – und natürlich auch mit guten Ratschlägen.
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Fast 70 Jahre lang war Hans Riegel (Mitte) das Gesicht von Haribo. Dass sich der Patriarch die Leitung des Bonner Süßwarenimperiums eigentlich mit seinem Bruder Paul Riegel teilte, fiel in der Öffentlichkeit kaum auf. Vielleicht auch, weil der als stur geltende Hans seit Jahren kein Wort mehr mit seinem Bruder sprach. Auch mit seinem ältestem Neffen Hans-Jürgen, dem potenziellen Thronfolger, zerstritt sich der Patriarch. Jahrelang blieb deshalb die Nachfolge-Frage bei Haribo ungeklärt. Erst nach dem Tod seines Bruders Paul im Jahr 2009 ergriff der Patriarch Maßnahmen: Er holte seinen jüngeren Neffen Hans Guido in die Geschäftsführung, der Haribo heute führt. Bis zu seinem Tod vor anderthalb Jahren kam Hans jede Woche in die Bonner Zentrale, auch wenn er die Geschäfte nicht wirklich vorantrieb. So soll der Patriarch bei der nun von Hans-Guido angeführten Expansion in die USA und China eher skeptisch gewesen sein.
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Berthold Beitz war eine der prägenden Figuren der deutschen Nachkriegs-Industriegeschichte, als Generalbevollmächtigter von Krupp und späterer Testamentsvollstrecker von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach wurde Beitz zum starken Mann beim Stahlkonzern. Er begleitete die Übernahme der Hoesch AG 1992 und fünf Jahre später die Großfusion mit Thyssen zur heutigen ThyssenKrupp AG. Bis zu seinem Tod am 30. Juli 2013 – zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag – blieb Beitz an der Spitze der Krupp-Stiftung, dem größten Aktionär von ThyssenKrupp. In seinen letzten Jahren wurde auch die Kritik an Beitz immer lauter. Er erkannte etwa nicht die Risiken aus den Milliardeninvestitionen des Stahlkonzerns in den USA und Brasilien ab 2006, ThyssenKrupp schlitterte in der Folge in eine existenzbedrohende Krise. Erst seit Heinrich Hiesinger 2011 als neuer Vorstandschef und Sanierer den langjährigen Beitz-Intimus Ekkehard Schulz an der Spitze von ThyssenKrupp ablöste, stabilisierte sich der Konzern wieder.
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Bis zuletzt versuchte auch Adolf Merckle noch, die Fäden in seinem Firmenimperium, zu dem auch der Medikamenten-Hersteller Ratiopharm zählte, zusammenzuhalten. Zwar hatte er seinen Sohn Philipp als Chef von Ratiopharm installiert. Doch nachdem der Vater mit den Leistungen des Sohnes unzufrieden war, setzte er ihn im Frühjahr 2008 wieder ab. Im Strudel der Finanzkrise geriet das Merckle-Imperium immer mehr unter Druck. Anfang 2009 setzte der 74-Jährige Merckle seinem Leben ein Ende. Ratiopharm wurde bald darauf an das israelische Unternehmen Teva verkauft.
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