Mieses Projektmanagement Wenn zu viel Ehrgeiz Projekte killt

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Lassen Sie Gefühle aus Projekten raus

Krasser Ehrgeiz und ein gewisser Hang zur Perfektion zeigen sich auch in vielen Unternehmensprojekten. Dort drücken sie sich aus in typischen Forderungen von Auftraggebern wie etwa im Beispiel eines Logistikunternehmens: „Wir werden in den nächsten zwei Jahren zur ersten volldigitalen Spedition der Welt“.

Tatsächlich fehlten in dem Unternehmen einheitliche Prozesse und Systeme – und die Kultur erinnerte eher an eine Amtsstube vor 50 Jahren als an digitalen Aufbruch. Wie sollte das funktionieren?

Das Projekt versachlichen

Versachlichen, unrealistische Ziele revidieren, Illusionen nehmen – hierin liegt der zentrale Hebel, um ein Projekt doch noch zu drehen. Bewährt hat sich in vielen Fällen eine schnell eingeleitete Bestandsaufnahme:

- Wie sah der Projektplan, wie die Zielsetzung zu Projektbeginn aus?

- Was wollte man ausgeben, was entwickeln?

- Was hat man tatsächlich ausgegeben und entwickelt?

Nüchterne Fakten helfen, eine oft emotional aufgeheizte Situation zu versachlichen. Meistens lassen sich die Auftraggeber überzeugen, das Projekt unter nunmehr realistischen Annahmen neu aufzusetzen.


Im Kern geht es darum, die Grundannahmen zu hinterfragen. Löst zum Beispiel das vorgesehene Projektziel tatsächlich das Problem, um das es geht? Sind bei der Projektplanung alle wesentlichen Aspekte berücksichtigt? Es empfiehlt sich, die grundlegenden Annahmen im Gegenstromverfahren abzusichern. Führen Top-Down-Planung durch das Management und Bottom-Up-Schätzung des Projektteams zu ähnlichen Zeit- und Kostengrößen, dürften die Werte ziemlich valide sein.

Vergessen Sie nicht, alle einzubinden

Zu den ehrgeizigen Zielen des Auftraggebers kommt in vielen Unternehmen eine noch sehr hierarchische Projektführung hinzu, die das Risiko zusätzlich erhöht. Die eher geschlossene Projektorganisation lässt einen übergreifenden Wissensaustausch nur bedingt zu; der gesunde Menschenverstand aller in der Organisation wird zu wenig genutzt. Während daher das Projektteam akribisch seinem Plan folgt und die Aufgabenpakete abarbeitet, übersieht es Banalitäten, die dem ganzen Vorhaben zum Verhängnis werden können.
Da hatte zum Beispiel das Projektteam bei einem IT-Projekt den Zeitplan vorbildlich eingehalten. Das Softwaredesign wurde erstellt, die Software entwickelt – alles perfekt. Doch man vergaß, das Testteam für den Test der Software rechtzeitig einzubinden. Daran wäre das Projekt beinahe gescheitert. In einem andern Fall entwickelte man die Software, arbeitete das Schulungskonzept aus, stand fast vor dem Projektabschluss, hatte es aber versäumt, den Betriebsrat einzubeziehen. Die Wogen schlugen hoch, das Projekt verzögerte sich um sechs Monate.


Und auch im Kleinen passiert genau das. Unvergessen bleibt der Fall einer Weihnachtsfeier, die ihren würdigen Platz im Horrorkabinett der Projekte gefunden hat. Einem renommierten Fußballverein ist es über eine Beziehung gelungen, eine Star-Pianistin aus New York zu gewinnen. Ein kleines Projektteam bereitet die Feier vor. Minutiös, bis ins letzte Detail. Nichts soll schiefgehen. Die Sensation spricht sich herum: eine Pianistin aus New York!

Sie kommt tatsächlich. Erwartungsvolle Stille im Saal. Sie greift in die Tasten – und bricht nach wenigen Takten das Konzert ab. Man hat vergessen, das Instrument zu stimmen.


Da im Organisationsteam niemand auch nur ansatzweise etwas von Konzerten verstand, hatte sich keiner um das Instrument gekümmert. Hätte man andere gefragt und so das dezentral im Unternehmen vorhandene Wissen genutzt, ziemlich sicher hätte jemand gefragt: Was ist eigentlich mit dem Klavier?

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