Manchmal sitzt er einfach nur da, die Augen geschlossen. Und stellt sich vor, wie es sich anfühlen wird: zum Beispiel sich im türkisfarbenen Liegestuhl auf der Dachterrasse des Hotels am Kurfürstendamm zu rekeln. Mit Blick über Berlin, aber auch auf die Terrasse des benachbarten Waldorf Astoria. Wohl wissend, dass er seinen Gästen Anfang 2017, wenn das neunte und größte Motel One der Hauptstadt eröffnet sein soll, nicht nur den besseren Ausblick bieten wird als der Konkurrent aus der Luxusklasse. Sondern mit 69 Euro pro Übernachtung auch den viel günstigeren Zimmerpreis.
„Ich muss weit vor Vertragsabschluss und Baubeginn Fantasie entwickeln für das Gefühl, das der Gast haben wird, wenn er einmal eines unserer neuen Häuser besucht“, sagt Dieter Müller, Gründer und Chef der Budgethotelkette mit dem markanten türkisfarbenen Logo. „Wir wollen unseren Gästen Wohlfühlatmosphäre bieten – aber ich muss auch die Wirtschaftlichkeit stets im Blick haben.“
Müllers Maßstäbe
Sentimentalität ist im Geschäftsleben fehl am Platz. Ein Projekt muss sich rechnen, sonst hat es keine Berechtigung.
Eigene Analysen sind wichtig für Erfolg. Der wahre Lackmustest aber ist Feedback von Kunden – nur so kann man sich weiterentwickeln.
Genug Geld zu haben ist schön – darf aber niemals primärer Antrieb für die eigene Arbeit sein. Stimmt die Leistung, fließt das Geld von selbst.
Eine Million Euro soll der Konkurrent aus dem Luxussegment laut Branchengerüchten pro Zimmer investiert haben. Motel One genügen knapp 70.000 Euro für den typischen Look: ein hochwertiges Doppelbett, Fernseher von Loewe und Lampen von Artemide. Schrank, Safe, Minibar und Telefon fehlen ebenso wie Meetingräume, Restaurant oder die Kurzwahl für den Zimmerservice.
„Wir lassen vieles weg, was bei der Konkurrenz zur Grundausstattung gehört, aber wir für unrentabel und unsere Gäste für unnötig halten“, sagt Müller, der sich der branchenüblichen Sterne-Kategorisierung verweigert. Er hört lieber auf den Rat der Kunden: 150.000 Gäste haben 2014 den Feedbackbogen ausgefüllt, wollen aus Umweltgründen kleine Duschgel-Fläschchen durch große Spender am Waschbecken und in der Dusche ersetzen. Müllers Credo: „Konzentrier dich aufs Wesentliche – aber genüge damit den höchsten Ansprüchen. Und rechne immer nach.“
Erfolg in der Nische
Flächen optimieren, kalkulieren, sich in die Bedürfnisse der Gäste hineinversetzen, attraktive Zimmer in zentraler Lage zu einem attraktiven Preis bieten: So hat Müller Motel One innerhalb von gerade mal 15 Jahren nicht nur erfolgreich in der Branche positioniert. Sondern ein neues, prosperierendes Segment geschaffen – in der Schnittstelle zwischen toll ausgestatteten, aber hochpreisigen Luxushotels einerseits und günstigen, aber abgewohnten Pensionen in Bahnhofsnähe oder Randbezirken andererseits.
„Tolles Konzept“, schwärmt etwa Florian Haller, Hauptgeschäftsführer von Deutschlands größter inhabergeführten Agenturgruppe Serviceplan. Er ist auf Dienstreisen regelmäßig Gast im Motel One. „Trifft das Lebensgefühl der Gäste auf den Punkt“, sagt Haller.
Heute ist die Kette aus dem deutschen und mittelfristig auch aus dem europäischen Hotelmarkt nicht mehr wegzudenken: 54 Häuser mit knapp 13.000 Zimmern in Deutschland, Österreich, Belgien und Großbritannien waren 2014 mit 4,2 Millionen Gästen im Schnitt zu 75 Prozent ausgelastet. Nach der französischen Accor Gruppe und der britischen Premier Inn war Motel One mit knapp 2.900 neuen Zimmern die Nummer drei unter den wachstumsstärksten Hotelketten Europas. Der Umsatz kletterte im vergangenen Jahr auf 256 Millionen Euro, der operative Gewinn auf 51 Millionen Euro.
Rund 40 Prozent der Häuser sind Eigentum der Holding – in der Branche unüblich, für Müller lohnenswert: Damit lasse sich die Steuerlast besser verteilen und sowohl die Bonität als auch die finanzielle Solidität steigern. 100 der 280 Millionen Euro Eigenkapital hat er nach eigenen Aussagen über Immobiliendeals geschaffen. „Damit lässt sich unsere Expansion solide finanzieren“, sagt Müller.