Hätte Hieronymus Bosch im 21. Jahrhundert gelebt, sähe sein Gemälde der sieben Todsünden anders aus: Es wäre vermutlich eine Collage aus Zeitungsartikeln oder Fernsehmeldungen. Denn für die Sinnbilder der Sünden hätte Bosch nicht seine Fantasie bemühen müssen. Ein Blick in die Nachrichten hätte gereicht: Hier Konzerne, die jeden erdenklichen Trick nutzen, um Steuern zu sparen. Da Firmenchefs, die diktatorisch regieren. Und dort Rekordboni trotz schlechter Leistungen.
Tugendreiche Manager schützen vor Skandalen
Wer unternehmerische Entsprechungen der sieben Sünden finden will, muss nicht lange suchen, er findet sie zuhauf in der Wirtschaftswelt. „Um sich dagegen zu schützen“, sagt Anselm Grün, „braucht es Tugenden.“ Die Finanzkrise habe schließlich eindrucksvoll gezeigt, wohin Wertelosigkeit langfristig führt.
Grün ist Benediktinermönch und lebt in der Abtei Münsterschwarzach in der Nähe von Würzburg. Er hat inzwischen mehr als 300 Bücher veröffentlicht, die in 30 Sprachen übersetzt wurden. In seinem neuesten Werk „Von Gipfeln und Tälern des Lebens“ erzählt er, wie er selbst durchs Wandern neue Kraft schöpft. Solche Erkenntnisse über Psychologie und Lebensgestaltung sind vor allem für Wirtschaftslenker relevant, deshalb ist Grün seit Jahren ein gefragter Referent. „Viele Firmen wollen mehr und mehr Tugenden leben“, sagt er, „denn sie machen ein Unternehmen erst wertvoll.“
Tag und Nacht, Gut und Böse: Das alte Spiel der sich bedingenden Gegensätze. So ist es auch bei Tugend und Sünde. Die Demut steht dem Hochmut entgegen, die Mildtätigkeit der Habgier, die Mäßigung der Völlerei. Die Lehre der sieben Todsünden und ihrer Gegenspieler hat ihren Ursprung im 4. Jahrhundert. Doch so wie die Sünde kein Alter kennt, so bleiben auch die Tugenden bestehen. Mehr noch: Sie erleben derzeit eine Renaissance.
Wie wichtig das Thema ist, zeigen neben der Flut an Ratgebern und Seminarangeboten auch zahlreiche Initiativen. Etwa die Wertekommission, ein Zusammenschluss von Managern, die vorbildliches Führen propagiert. Im vergangenen Jahr startete sie mit dem Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance an der Universität Witten/Herdecke eine Führungskräftebefragung. Darin nannten die Teilnehmer Vertrauen und Verantwortung als wichtigste Werte, gefolgt von Integrität. Die Befragten waren sich sicher: Wenn sich solche Werte in der Führungskultur widerspiegeln, wächst die Motivation bei den Angestellten.
Die Chef-Checkliste zur sozialen Kompetenz
Können Sie sich im "Hier und Jetzt" spürbar auf Ihre Führungsaufgabe einlassen? Sind Sie offen und ansprechbar? Hören Sie aktiv dazu?
Hören Sie sich alle Meinungen an und würdigen Sie die verschiedenen Sichtweisen, bevor Sie sich (vorschnell) ein Urteil bilden?
Stehen Sie hinter dem, was Sie sagen? Können Sie diese Haltung gegenüber dem Team ebenso wie nach außen vertreten?
Bleiben Sie auch in schwierigen Situationen standfest, um Ihr Gegenüber von Ihrem Standpunkt zu überzeugen?
Unterschiedliche Ziel- und Wertvorstellungen führen zwangsläufig zu Konflikten. Erkennen und bewältigen Sie diese Konflikte? Erreichen Sie in Mitarbeitergesprächen konstruktive Lösungen?
Sind Sie in der Lage, Mitarbeiter und Kollegen schnell einzuschätzen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen zu erkennen?
Besitzen Sie das notwendige Einfühlungsvermögen, um Ihre Mitarbeiter zu verstehen und in der Folge leichter von einer Sache zu überzeugen?
Wenn es nicht "rund" läuft: Sprechen Sie das Problem offen an? Stehen Sie hinter ihren Leuten, auch wenn sie Fehler machen?
Verhalten Sie sich integer und folgen Sie im Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen den Regeln des Fair Play?
Sind Sie in der Lage, Interaktionen und gruppendynamische Prozesse in Teams aktiv zu gestalten und effizient in und mit Teams zu kooperieren?
Es scheint fast so, als setzten sich nun vermeintlich selbstverständliche Erkenntnisse durch. Wer Gutes tut, hat zufriedenere Mitarbeiter, schafft ein positives Bild in der Öffentlichkeit und sichert letztlich die Zukunftsfähigkeit. Und tatsächlich: Angeblich altmodische Tugenden lassen sich durchaus in die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts übertragen.