Auch nachts brennen in vielen Büros und Laboren von Samsung noch die Lichter, unter den Schreibtischen liegen die Schlafsäcke griffbereit – falls es wieder einmal nicht lohnt, noch nach Hause zu fahren. Der Grund? „Wenn ein Chef seinen Untergebenen eine eigentlich unmögliche Frist setzt, wagt niemand Nein zu sagen“, sagte ein ehemaliger Ingenieur der Zeitung „Korea Herald“. Samsungs militärisch gefärbte Firmenkultur ist legendär, sie verlangt absoluten Gehorsam und rigorose Unterordnung von ihren Mitarbeitern. Der Wirtschaftsprofessor Kim Ky-won von der Korea-National-Open-Universität geht noch einen Schritt weiter. Das Samsung-System gleiche einer Diktatur, sagt er. In der Praxis sieht das so aus: Niemand geht vor dem Chef nach Hause, Schikanen von Vorgesetzten werden klaglos hingenommen. Den Mitarbeitern wird eingetrichtert, das Unternehmen sei wie eine Familie und absolute Loyalität daher Pflicht. Das ist Teil der koreanischen Kultur. Und auch Teil des Problems, das bei Samsung im vergangenen Herbst in explodierenden Smartphones gipfelte. „Dieser Mangel an Feedback ist der größte Fehler hinter dem Desaster“, sagte der südkoreanische Ökonom Kim Sang-jo der Nachrichtenagentur AFP. Die Ingenieure hätten sich schlicht nicht getraut, dem Management mitzuteilen, dass sie mehr Zeit gebraucht hätten, um die Akkus zu testen. Ein Schweigen, das Samsung nach eigenen Angaben rund fünf Milliarden Euro kostete.
„Im asiatischen Raum machen wir häufig die Erfahrung, dass Mitarbeiter ihren Chef nicht kritisieren wollen“, sagt Thomas Flock. Der Psychologe berät Unternehmen seit über zehn Jahren zum Thema Feedbackkultur, darunter auch Kunden aus Fernost. Selbst in anonymen Fragebögen heißt es da oft: „Mein Chef ist großartig.“
Das ist in Deutschland anders. „Hier ist mangelnder Widerspruch kein nationales Phänomen“, sagt Flock. „Es kommt stark auf die jeweilige Unternehmenskultur an.“
So fällt das Nein sagen leichter
Machen Sie sich klar, warum Ihnen das Nein sagen schwer fällt. Haben Sie Angst vor Ablehnung, vor Verlust von Sympathien, Retourkutschen? Malen Sie sich die Konsequenzen Ihrer Ablehnung aus: Was kann denn schlimmstenfalls passieren, wenn Sie Nein sagen?
Bevor sie zu etwas Ja oder Nein sagen, denken Sie in Ruhe darüber nach: Haben Sie Zeit, sich um den Hund Ihres Nachbarn zu kümmern? Wen oder was müssen Sie dafür vernachlässigen? Müssen Sie Ihr Hobby vernachlässigen, weil Sie die Abendrunde mit dem Nachbarshund drehen müssen? Wie groß ist der Druck, der Ihnen durch diese zusätzliche Aufgabe entsteht?
Machen Sie sich klar, wem und was Sie Ihre Zeit opfern wollen. Machen Sie nichts, das Ihnen unwichtig erscheint, wenn Sie dafür Ihrer Meinung nach Wichtiges vernachlässigen müssen.
Wenn Sie prinzipiell bereit sind, beispielsweise dem Kollegen beim Umzug zu helfen, bloß nicht den ganzen Tag dafür Zeit haben, sagen Sie das. Setzen Sie zeitliche Grenzen.
Auch in anderen Bereichen gilt: Kommunizieren Sie, was Sie bereit zu tun sind und was nicht.
Sagen Sie nicht: „Ich würde ja sehr gerne, aber mein Partner wird dann wieder sauer...“ oder ähnliches. Sondern sagen Sie klar, dass Sie etwas nicht wollen oder keine Zeit dafür haben.
Doch das heißt nicht, dass es sich bei der Bundesrepublik um ein Land ohne Schleimer, Jasager und Schmeichler handelt. Auch hier ist die Unternehmenslandschaft vielerorts von Gehorsam und Patriarchentum geprägt. Das wiederum führt zu Mitarbeitern, die sich vor allem der eigenen Karriere und nicht dem Unternehmen verpflichtet fühlen. Die Entscheidungen aus taktischen Überlegungen fällen und mit ihrer angepassten Art Innovationen verhindern oder – im schlimmsten Fall – sogar für den Untergang des Unternehmens sorgen.
„Solche Mitarbeiter sind eine Gefahr“, sagt BWL-Professor Torsten Biemann von der Universität Mannheim. „Vor allem in den Abteilungen für Forschung und Entwicklung.“ Dort blockieren sie den Fortschritt, weil sie ausschließlich die Ideen des Vorgesetzten abnicken, anstatt eigene zu entwickeln. Sie schwärmen bei halb offener Tür von den Qualitäten des Chefs – immer in der Hoffnung, er hört das Lob und denkt bei der nächsten Beförderung an den Bewunderer. Was jedoch die gefährliche Folge hat, dass noch mehr Gleichgesinnte in der Führungsetage sitzen und über lauter gegenseitigem Bauchpinseln vergessen, sich selbst kritisch zu hinterfragen.