In den bisherigen Folgen wurde noch nicht geklärt, wie Aktien überhaupt an die Börse kommen. Um die Börsennotierung aufzunehmen, muss das Unternehmen zunächst in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, damit das Eigenkapital in so kleine Häppchen zerteilt wird, dass sich möglichst viele Aktionäre beteiligen können. Dann kann der Gang auf das Börsenparkett beginnen.
Aus Sicht eines Unternehmens ist der Gang an die Börse ein bedeutender Meilenstein der Unternehmenshistorie. Aus Sicht der Anleger stellt sich die Frage, ob sie die Aktien des Börsenstarters schon vor der Erstnotiz direkt aus den Händen des Unternehmens und der Alteigentümer kaufen sollen oder das lieber später an der Börse nachholen.
Der Begriff Going Public betont, dass ein Börsengang ein gewagter Schritt in die Öffentlichkeit ist. Das Wagnis besteht für das Unternehmen und seine Manager darin, sich mit anderen bereits börsennotierten AGs auf der offenen Bühne des Kapitalmarkts messen zu müssen und auf diesem Weg aus dem bisher gemütlich geschlossenen Eigentümerkreis herauszutreten. Plötzlich kann jeder Eigentümer werden, der das will.
Börsengang: Fakten und Begriffe
IPO steht für „Initial Public Offering“, was so viel wie „erstmaliges öffentliches Angebot“. Im Angelsächsischen spricht man bei einem Börsengang auch von „going public“. Es geht also um den Börsengang, der Anlegern erstmals öffentlich Teile des Unternehmens in Form vom Aktien anbietet. Die Aktien sind dabei ein – meist winziger – verbriefter Anteil am Eigenkapital eines Unternehmens.
Eine Neuemission ist ein Angebot neu geschaffener Wertpapiere. Das können Aktien, Anleihen, Zertifikate oder sonstige Wertpapiere sein. Kommen etwa bei einem Börsengang neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung auf den Markt, spricht man von einer Neuemission.
Sie legt den Zeitraum fest, innerhalb dessen ein Anleger neu emittierte Wertpapiere zeichnen kann, also sich durch schriftliche Erklärung die Übernahme eines bestimmten Betrags zusichern kann. Nur wenn die Nachfrage schwach ist, wird eine Zeichnungsfrist auch mal verlängert.
Vor Beginn der Zeichnungsfrist nennt das Unternehmen eine Preisspanne, zum Beispiel von 20 bis 25 Euro. Die Investoren teilen dann mit, wie viele Aktien sie zu übernehmen bereit sind und nennen dafür einen Preis innerhalb der Preisspanne. Kommen nicht genug Anfragen zusammen, kann das Unternehmen – der Emittent – die Preisspanne auch senken. Aus den Zeichnungsaufträgen ermittelt der Emittent dann den Ausgabepreis, zu dem es die Aktien den Investoren überlässt.
Bei vielen Börsengängen können über das genannte Emissionsvolumen hinaus in den Tagen nach der Erstnotiz an der Börse weitere Aktien ausgegeben werden. Diese Mehrzuteilung wird auch Greenshoe genannt. Sie kommt bei hoher Nachfrage nach den Wertpapier zum Einsatz. Wie groß der Greenshoe ist, muss im Börsenprospekt stehen.
Nachdem die Aktien zum Ausgabepreis an die Anleger verteilt worden sind, wird es ernst: Die Aktien werden zum ersten Mal an der Börse gehandelt. Aus Kauf- und Verkaufsangebot wird der erste Kurs im Handel ermittelt – die Aktie notiert zum ersten mal an der Börse. Die Erstnotiz erfolgt zum angekündigten Datum, der erste Handelskurs sollte über dem Ausgabepreis liegen.
Wertpapiere, die an einer Börse gehandelt werden, unterliegen bestimmten Spielregeln. An einem regulierten Markt sind diese besonders umfassend und verlangen zum Beispiel Banken, die den Handel betreuen und Berichtspflichten, wie die Veröffentlichung von Quartalsberichten nach bestimmten Vorschriften. Am unregulierten Markt sind die Vorschriften lascher und die eine Überwachung des Handels – etwa bei der Kursbestimmung - greift nicht.
Beim Börsengang kommt eine zuvor festgelegt Zahl an Aktien in den Börsenhandel. Der Wert all dieser Aktien zusammen entspricht dem Platzierungsvolumen. Dabei kann es sich um neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung (Neuemission) oder um Aktien der bisherigen Eigentümer und vorbörslichen Investoren handeln.
Multipliziert man den Aktienkurs mit der Zahl aller frei handelbaren Aktien eines Unternehmens, erhält man den Börsenwert eines Unternehmens. Dieser entspricht der Marktkapitalisierung gleichgesetzt. Die Aktien, die nicht zum Handel an der Börse zugelassen sind, – also im Bestand des Unternehmens verbleiben – sind dabei unberücksichtigt.
Unternehmen lassen selten alle Aktien an der Börse zum freien Handel zu, sondern lediglich einen Teil. Liegt etwa der Streubesitz bei 30 Prozent, sind auch nur 30 Prozent der Eigenkapitalanteile an der Börse handelbar. Je höher der Streubesitz, umso liquider ist der Handel und umso geringer die Kursschwankungen, die sich aus Kauf- und Verkaufsorders ergeben.
In der Regel verbleibt bei einem Börsengang ein großer Teil der Aktien in Besitz von den bisherigen Eigentümern. Während der Haltefrist – auch Lock-up-Periode genannt – dürfen sie aus diesem Bestand keine Aktien verkaufen. Eine lange Haltefrist gilt als Bekenntnis zu einem Unternehmen.
Die Konsortialbanken begleiten den Börsengang und anschließenden Aktienhandel für ein Unternehmen. Das lassen sich die Banken natürlich vom Unternehmen bezahlen. Eine besondere Aufgabe fällt den Konsortialbanken zu, die sich als Designated Sponsor engagieren. Sie sorgen dafür, dass der Handel liquide bleibt, auch wenn zum Beispiel Käufer keinen Verkäufer der Papiere finden. Dann übernehmen sie den Part des Verkäufers, damit immer ein Kurs gestellt werden kann.
Darunter versteht man das Verfahren, mit dem der Preis für neu an die Börse zu bringende Aktien festgelegt wird. Da vor der Emission von neuen Aktien kein Börsenhandel mit diesen Papieren stattfindet, kann dieser Preis nicht durch Angebot und Nachfrage an der Börse bestimmt werden. Beim angelsächsischen Auktionsverfahren geben die Banken, die das Unternehmen an die Börse bringen, eine Preisspanne vor. Innerhalb dieser können Investoren ihre Gebote abgeben. Auf Grund der vorliegenden Orderlage wird der tatsächliche Emissionskurs letztlich aus dem Gebots-Durchschnitt gebildet. Früher wurde das heute kaum noch gebräuchliche Festpreisverfahren angewandt, bei dem sich die beratenden Banken und die AG schon vor Verkaufsangebot auf einen Preis einigten, den Anleger dann akzeptieren mussten.
Die Roadshow ist eine Werbetour eines Unternehmens bei möglichen Investoren. Dabei wird versucht, möglichst viele Investoren zu gewinnen, die den angestrebten Preis für die Aktien zu zahlen bereit sind. Die Roadshow ist daher wichtig, um die richtige Preisspanne auszuloten.
Ein Börsengang spült einerseits Geld in die Kassen des Unternehmens, was hoch willkommen ist. Andererseits muss das Management nun regelmäßig Geschäftszahlen offen legen und bekommt bei Fehlentscheidungen sofort die Quittung in Form fallender Kurse. Zudem können Großinvestoren wesentliche Anteile über die Börse einkaufen oder sogar das komplette Unternehmen schlucken.
Börsengänge sind ein Wagnis
Börsengänge sind natürlich auch aus Sicht von Anlegern ein Wagnis, vor allem, wenn sie schon vor der Erstnotiz der Aktie während der Zeichnungsfrist Anteile kaufen. Denn die vorab festgelegte Preisspanne entspringt den Vorstellungen der alten Eigentümer und hat sich am Kapitalmarkt noch nicht bewährt. Die Preisspanne bezieht sich auf eine einzelne Aktie und nennt den Mindest- und Höchstpreis, zu dem Anleger vorab zeichnen können. Wer am unteren Ende der Spanne zeichnet, verringert das Risiko, zu viel zu zahlen, falls der Kurs hinterher unter den Ausgabepreis sinken sollte. Wer am oberen Ende zeichnet, glaubt an die Aktie und will ausschließen, dass andere Interessenten ihn überbieten. Bei aus Sicht der Investoren vielversprechenden Börsengängen werden regelmäßig mehr Aktien zur Zeichnung nachgefragt als Angebot da ist. Nur die Höchstbietenden bekommen Aktien zugeteilt, der Rest geht leer aus.
Eine viel zitierte Kennzahl bei Börsengängen ist die Bewertung, auch Marktkapitalisierung. Sie berechnet sich wie folgt: Gesamtzahl der Aktien des Unternehmens multipliziert mit dem Angebotspreis je Aktie. Diese Kennzahl bezieht sich auf den Gesamtwert des Unternehmens, nicht auf den Wert der dem Kapitalmarkt angebotenen Aktien. Letzterer ist meist deutlich niedriger, weil beim Börsengang nicht alle Firmenanteile den Besitzer wechseln. Stattdessen behalten die Alteigentümer in der Regel einen Teil der Aktien.
Anleger müssen sich im Klaren darüber sein, dass der Börsengang ein lukrativer Weg für die Alteigentümer sein kann, aus ihrem Investment auszusteigen. Dabei wechseln alte Aktien den Besitzer und das Risiko geht zu einem großen Teil auf die neuen Aktionäre über. Deshalb ist es für Anleger sehr wichtig, sich die Struktur des Initial Public Offerings (IPO), also des erstmaligen Kaufangebots, genau anzuschauen. In der Regel gehören zu diesem Angebot sowohl alte Aktien aus dem Bestand der bisherigen Eigentümer als auch neue Aktien, die das Unternehmen extra für den Börsengang herausgibt. Ein Teil des beim Börsengang eingesammelten Geldes fließt dadurch per Kapitalerhöhung an das Unternehmen, der andere in die Taschen der Altaktionäre.