Als hätte jemand ein rotes Schild aufs Frankfurter Parkett gelegt, das sonst in den Schaufenstern der benachbarten Einkaufszone hängt: Sale – alles reduziert. Investoren stürmen seit Januar in deutsche Aktien wie Schnäppchenjäger im Schlussverkauf.
Dabei sind Aktien alles andere als Sonderangebote. Allein in den ersten vier Monaten legten die Kurse der 30 größten deutschen Konzerne um 25 Prozent zu. Am 10. April erreichte der Dax mit 12.374 Punkten ein Allzeithoch; das letzte davor lag nicht einmal vier Wochen zurück.
Erste Anleger werden misstrauisch ob der rasant steigenden Kurse. Die schwachen Konjunkturdaten aus China könnten den deutschen Markt belasten. Und Gerüchte um einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone drückten den Dax am vergangenen Donnerstag um 1,9 Prozent. Doch die gesunde Skepsis – meist ein beruhigendes Signal für die Börse – schlägt sich noch nicht in sinkenden Umsätzen nieder. Im Gegenteil: Im März wurde mit 99 Milliarden Euro an der Börse Frankfurt über Xetra so viel umgesetzt wie in keinem anderen Monat seit August 2011.
Investoren bleiben kaum andere Möglichkeiten, ihr Geld unterzubringen. Anleihen und Bankeinlagen bringen nur wenig Rendite oder kosten gar Geld. Gerade deutsche Aktien sind im Vergleich zur Konkurrenz im Ausland attraktiv: gute Exportaussichten dank des schwachen Euro, ein niedriger Ölpreis – und seit Anfang März die grandiose Unterstützung der Europäischen Zentralbank (EZB) mit ihren monatlichen Anleihekäufen über 60 Milliarden Euro, die wenigstens noch bis September 2016 anhalten werden und die den Verkäufern der Papiere massig Liquidität zuführt.
Bares, das nach Anlage sucht. „Das Kaufprogramm der EZB kam für viele, die die Euro-Zone bereits am Boden gesehen hatten, überraschend“, sagt Lisa Myers, Portfolio-Managerin im Global Equity Team von Franklin Templeton. „Jetzt sehen wir bereits positive Einflüsse auf die Wirtschaft.“ Torsten Slok, Chefvolkswirt der Deutschen Bank in New York, hält es für möglich, dass EZB-Chef Mario Draghi bis zum Ende seiner Amtszeit 2019 nicht mehr die Zinsen erhöht. Das würde Aktien langfristig stützen.
Wo würde der DAX ohne Notenbanken stehen?
Die Bank of Japan weitet ihre Anleihekäufe auf jährlich 583 Milliarden Euro aus. Der Dax steigt um 2,3 Prozent auf 9326,87 Punkte
Fed-Chefin Yellen sagt, sie warte „geduldig“ auf den richtigen Zeitpunkt für eine Zinserhöhung.
Die Schweizer Notenbank gibt den Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro auf, der Euro sackt ab.
EZB-Chef Draghi kündigt für die Zeit ab März Anleihekäufe über monatlich 60 Milliarden Euro an.
Dax- Rekord bei 12.374,73 Punkten, im Tagesverlauf erreicht er sogar 12.390,75 Punkte.
Der Profit der Anderen
Am Großteil der Deutschen geht die Börsenrally so oder so vorbei. Deutsche Investoren halten nur knapp 43 Prozent der heimischen Aktien, Privatanleger sind darunter nur zu einem Viertel vertreten. Und so verschenken die Deutschen den eigenen Gewinn: Hätten sie seit 2002 nur jeden vierten Euro, den sie etwa auf Tagesgeldkonten geparkt haben, in Aktien investiert, wären sie allein bis 2014 um 106 Milliarden Euro reicher gewesen, hat das Deutsche Aktieninstitut ausgerechnet.
Wer jedoch investiert ist, bekommt langsam kalte Füße, zeigen Auswertungen der Comdirect Bank. Privatkunden verkauften dort im März bereits überwiegend Aktien, nahmen Gewinne mit. „Wer seine Aktien zu guten Konditionen verkaufen konnte und das Geld für andere Zwecke einsetzen muss, der macht nichts verkehrt“, sagt Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut, einer vor allem von den Dax-Unternehmen getragenen Lobby. „Auf Sicht von zehn Jahren sollte man sich aber gut überlegen, was man sonst mit dem Geld macht.“