Der oberste Ökonom der Deutschen Bank hat sich besorgt über die anhaltend expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank geäußert. „Die Anleihekäufe begleiten uns schon zu lange“, sagte David Folkerts-Landau vor Journalisten in Frankfurt. Zwar sei das Eingreifen der EZB in der Eurokrise unverzichtbar für das Wohlergehen Europas gewesen, doch mittlerweile seien negative Gewöhnungseffekte eingetreten. „Niemand spricht mehr über Reformen“, kritisierte der Ökonom, obwohl diese nach wie vor nötig seien.
Mit besonderer Sorge blickt Folkerts-Landau auf die Märkte für Staats- und Unternehmensbonds, auf denen Schuldpapiere von Staaten und Unternehmen gehandelt werden. Der Grund: Die Renditen, also die Zinszahlungen an Eigentümer dieser Anleihen, wurden durch die gigantischen Anleihekäufe der Notenbank extrem nach unten gedrückt. Als Beispiel nannte Folkerts-Landau die nahe der Nulllinie notierende Rendite für Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit.
Das Problem: Bei einem Ausstieg aus dem Kaufprogramm und einer Rückkehr zu positiven Leitzinsen könnte sich die Situation schlagartig umkehren. Folge wären stark steigende Anleihezinsen und einbrechende Kurse. Folkerts-Landau sprach von der größten Anleiheblase in der Geschichte der Menschheit und warf die Frage auf, ob die Wirtschaft ohne eine erneute Finanzkrise aus dieser Situation herauskommen könne.
Ausgerechnet Reiche profitieren
Die expansive Geldpolitik und die Anleihekäufe haben nach Ansicht des Deutsche-Bank-Chefökonomen zudem zu einer problematischen Umverteilung von Vermögen in der Gesellschaft geführt. Von den rasant gestiegenen Preisen für Immobilien und Aktien hätten die Eigentümer dieser Vermögenswerte profitiert, bei denen es sich vorwiegend um Personen mit hohen Einkommen und Vermögen handele.
„Die EZB-Anleihekäufe waren gut für Vermögende, das war ein Fehler“, so Folkerts-Landau. Die Politik habe darauf nicht reagiert und das untere Drittel der Bevölkerung vernachlässigt.