Die deutsche Wirtschaft wuchs im ersten Quartal um 0,6 Prozent. Sie hat in den vergangenen Monaten sogar noch an Dynamik zugelegt. Auch für die nächsten Monate sind die Aussichten gut. Das zeigen zum einen die laufenden Quartalsergebnisse inklusive der dort gegebenen Ausblicke; zum anderen ist die Wahl in Frankreich eine wichtige Wegentscheidung gewesen.
Natürlich war es nicht überraschend, dass Emmanuel Macron gewonnen hat. Eher schon, dass das Ergebnis so deutlich ausgefallen ist. Für die Wirtschaft in Europa und die Börsen ist das von weitreichender Bedeutung.
Erster Erfolg: Marine Le Pen wurde verhindert. Um das angemessen zu bewerten, muss man sich klarmachen, was bei einem Sieg Le Pens mit der Wirtschaft und den Märkten in Europa passiert wäre. Wahrscheinlich wäre es zu einer Kette aus stürzenden Kursen, herabgesetzten Ratings und panischen Reaktionen an den Märkten gekommen. Ein Sieg Le Pens hätte schlichtweg das Zeug zu einer neuen europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise gehabt.
Zweiter Erfolg: Es besteht nun eine echte Hoffnung, dass Kerneuropa wieder stärker wird. Während die bisherige politische Klasse in Frankreich nur den Status Quo mehr schlecht als recht verwaltete, sind jetzt Ansätze einer europäischen Erneuerung realistisch. Für die europäischen Börsen ist das umso wichtiger, da sie bisher vor allem nur im negativen Umfeld gesehen werden: von Finanzkrise über Brexit-Sonderweg bis zu osteuropäischen Nationalismus.
Die Stärke des französischen Aktienmarkts, die sich schon seit einigen Monaten zeigt, ist ein Indiz dafür, dass Macron vielleicht doch mehr bewegen kann, als ihm von den zahlreichen kritischen Beobachtern derzeit zugetraut wird.
Öl ist lange noch nicht wertlos
Mit zwei Prozent ist die Inflation in Deutschland weiterhin auf dem Vormarsch. Das ist nicht überraschend, bestätigt aber den seit Monaten bestehenden Trend – auch den gefühlten Trend, den die Konsumenten beim Einkaufen spüren. Bemerkenswert sind diese Zahlen trotz insgesamt gedämpfter Ölpreise.
Gerade beim Öl (und auch bei anderen Rohstoffen) sieht es kurzfristig nach einer weiteren Entspannung aus. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass Öl schlagartig wieder sehr billig wird. Genauso, wie der Ölpreis in den vergangenen Monaten nicht nach oben durchschoss, wie Optimisten meinten, kann er sich jetzt auch wieder früher als erwartet stabilisieren.
Im Umfeld einer gut laufenden Konjunktur wird die Nachfrage nach Öl weiter anziehen. Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung in vielen, weit entwickelten Ländern hat der große Trend des weltweiten Ölverbrauchs noch keineswegs nach unten gedreht. Die Preise für ein Barrel Brent könnten damit in den nächsten Monaten weiter zwischen 45 und 55 Dollar pendeln.
Kurze Korrekturen im langen Trend
Der Dax, der den Sieg Macrons am Freitag vor der Wahl vorweggenommen hat, ist seitdem auf Korrekturkurs. Der Anstieg von Mitte April bis Anfang Mai, immerhin mehr als 800 Punkte in zehn Tagen, muss erst einmal verarbeitet werden. Kurzfristig wäre es wichtig, dass der Dax die Untergrenze um 12.670 verteidigt; hier hat er am 8. Mai und am 12. Mai zweimal ein kleines Tief gebildet. Wenn dieses Niveau nicht hält, könnte die nächste Station bei rund 12.300 Punkten liegen.
Von einer vollzogenen Wende sind die großen Märkte aber weit entfernt. Der Dow Jones ist im März und im Mai zweimal bis gut 21.000 Punkte vorgedrungen. Ein solches Muster könnte sich als mittelfristige Wende entpuppen – dazu müsste der Dow aber in den nächsten Wochen unter 20.400 Punkte rutschen. Die Stabilität der vergangenen zwei Wochen spricht aber eher gegen ein solches Negativ-Szenario.
Fazit: Kurzfristige Korrekturen sind an den Aktienmärkten in den nächsten Wochen möglich; mittel- und langfristig ist die Aufwärtsbewegung weiterhin intakt. Jetzt schon auf sinkende Kurse zu setzen, ist verfrüht. Allenfalls kommen kleine Absicherungspositionen infrage.