Riedls Dax-Radar

Börsenkorrekturen ja, große Kursverluste nein

Die Wirtschaft ist stabil, die Wahl in Frankreich ist versöhnlich ausgegangen, und an den Aktienmärkten gibt es nach wie vor Skepsis, ja sogar Crash-Ängste. Mit dieser Mischung könnten sich die Kurse in den nächsten Monaten besser halten als von Pessimisten befürchtet.

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Welche Aktien von einem Sieg Macrons profitieren
Wenn Emmanuel Macron seine Wahlversprechen umsetzt und die regionale Integration vorantreibt, die Unternehmenssteuern senkt und den Arbeitsmarkt reformiert, „könnte die Rückkehr des Vertrauens den Konsum stärken und dann könnten wir wirklich eine positive Spirale in Frankreich sehen“, sagt Vincent Durel, Portfoliomanager bei Fidelity International in Paris. Ein Überblick, welche Aktien und Sektoren von der Wahl beeinflusst werden könnten. Quelle: dpa
Macron befürwortet niedrigere Lohnsteuern und eine höhere Prämie für Beschäftigte im Niedriglohn-Bereich. Höherer Konsum der privaten Haushalte würde zyklischen Konsumwerten zugutekommen wie Einzelhandel, Medien, Hotels, Freizeit und Restaurants, sagten die Analysten um Roland Kaloyan von der Société Générale SA. Quelle: dpa
Auf Bankaktien entfielen neun der zehn größten Gewinner im Aktienmarkt des Euroraums am Tag nach der ersten Wahlrunde. Das Risiko eines Erfolgs von Le Pen und damit für einen Ausstieg Frankreichs aus dem Euro war gesunken, und ein Anstieg der Bondrenditen stärkte den Ausblick für die Ergebnisse der Kreditinstitute. Macron hat auch vorgeschlagen, die Vermögenssteuer zu ändern, sodass sie nur auf Grundbesitz und nicht auf Kapitalinvestments erhoben wird. Zudem macht er sich für eine pauschale Steuer von 30 Prozent auf Kapitaleinkünfte stark. Das könnte zu mehr Aktienkäufen führen, wovon Crédit Agricole SA, BNP Paribas SA und der Vermögensverwalter Amundi SA profitieren würden, meint Société Générale. Quelle: dpa
Macron hat Investitionen in Erneuerbare Energien versprochen. Das wäre laut Goldmann Sachs für Hersteller von Windkraftanlagen wie Vestas Wind Systems und Nordex sowie Energieanbieter wie EDP Renovaveis und Engie positiv. Bei Electricité de France könnte ein von Macron unterstützter Floor für Kohle zu steigenden Strompreisen führen und den Cashflow der staatlich kontrollierten EDF verbessern. Quelle: dpa
Macron hat sich dafür ausgesprochen, den Anteil des Staats an börsennotierten Unternehmen zu senken. Ein Verkauf der staatlichen Anteile an Orange könnte Fidelitys Durel zufolge eine weitere Konsolidierungswelle in der Branche auslösen – oder zumindest Gespräche darüber. Sein Fonds hat Aktien von Iliad gekauft, weil der Telekomanbieter zu den größten Nutznießern einer Konsolidierung gehören würde. Skeptischer ist dagegen Stéphane Beyazian, Analyst bei Raymond James. Eine weitere Konsolidierung in dem Sektor sei angesichts der jüngsten Signale der französischen Regulierer mittelfristig nicht mehr wahrscheinlich, sagt er. Quelle: REUTERS
Die französischen Autobauer Renault und Peugeot könnten von niedrigeren Arbeitskosten, höherem Konsum und Macrons Plänen, Autobesitzern Anreize zu geben, auf schadstoffärmere Autos umzusteigen, profitieren, sagt Société Générale. Laut Evercoriht ist es unter Macron wahrscheinlicher, dass die Regierung Anteile an Renault verkauft. Das wäre gut für das Unternehmen, da es den Weg für eine effizientere, ausbalanciertere Holding mit Nissan freimachen würde, an der Renault ebenfalls beteiligt ist. Quelle: dpa
Der Bausektor würde Société Générale zufolge von Macrons Plan profitieren, die lokale Kopfsteuer für vier Fünftel der Haushalte abzuschaffen und den Wohnbau in bestimmten Regionen zu stärken. Nach Einschätzung der UBS würde seine Agenda auch französischen und auf Frankreich ausgerichteten Immobilien-Investment-Trusts zugutekommen. UBS hat kürzlich die Kursziele für den REIT Unibail-Rodamco und den Entwickler ICADE angehoben. Quelle: dpa

Die deutsche Wirtschaft wuchs im ersten Quartal um 0,6 Prozent. Sie hat in den vergangenen Monaten sogar noch an Dynamik zugelegt. Auch für die nächsten Monate sind die Aussichten gut. Das zeigen zum einen die laufenden Quartalsergebnisse inklusive der dort gegebenen Ausblicke; zum anderen ist die Wahl in Frankreich eine wichtige Wegentscheidung gewesen.

Natürlich war es nicht überraschend, dass Emmanuel Macron gewonnen hat. Eher schon, dass das Ergebnis so deutlich ausgefallen ist. Für die Wirtschaft in Europa und die Börsen ist das von weitreichender Bedeutung.

Erster Erfolg: Marine Le Pen wurde verhindert. Um das angemessen zu bewerten, muss man sich klarmachen, was bei einem Sieg Le Pens mit der Wirtschaft und den Märkten in Europa passiert wäre. Wahrscheinlich wäre es zu einer Kette aus stürzenden Kursen, herabgesetzten Ratings und panischen Reaktionen an den Märkten gekommen. Ein Sieg Le Pens hätte schlichtweg das Zeug zu einer neuen europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise gehabt.

Die Dax-Favoriten der Woche

Zweiter Erfolg: Es besteht nun eine echte Hoffnung, dass Kerneuropa wieder stärker wird. Während die bisherige politische Klasse in Frankreich nur den Status Quo mehr schlecht als recht verwaltete, sind jetzt Ansätze einer europäischen Erneuerung realistisch. Für die europäischen Börsen ist das umso wichtiger, da sie bisher vor allem nur im negativen Umfeld gesehen werden: von Finanzkrise über Brexit-Sonderweg bis zu osteuropäischen Nationalismus.

Die Stärke des französischen Aktienmarkts, die sich schon seit einigen Monaten zeigt, ist ein Indiz dafür, dass Macron vielleicht doch mehr bewegen kann, als ihm von den zahlreichen kritischen Beobachtern derzeit zugetraut wird.

Öl ist lange noch nicht wertlos

Mit zwei Prozent ist die Inflation in Deutschland weiterhin auf dem Vormarsch. Das ist nicht überraschend, bestätigt aber den seit Monaten bestehenden Trend – auch den gefühlten Trend, den die Konsumenten beim Einkaufen spüren. Bemerkenswert sind diese Zahlen trotz insgesamt gedämpfter Ölpreise.

Gerade beim Öl (und auch bei anderen Rohstoffen) sieht es kurzfristig nach einer weiteren Entspannung aus. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass Öl schlagartig wieder sehr billig wird. Genauso, wie der Ölpreis in den vergangenen Monaten nicht nach oben durchschoss, wie Optimisten meinten, kann er sich jetzt auch wieder früher als erwartet stabilisieren.

Im Umfeld einer gut laufenden Konjunktur wird die Nachfrage nach Öl weiter anziehen. Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung in vielen, weit entwickelten Ländern hat der große Trend des weltweiten Ölverbrauchs noch keineswegs nach unten gedreht. Die Preise für ein Barrel Brent könnten damit in den nächsten Monaten weiter zwischen 45 und 55 Dollar pendeln. 

Kurze Korrekturen im langen Trend

Der Dax, der den Sieg Macrons am Freitag vor der Wahl vorweggenommen hat, ist seitdem auf Korrekturkurs. Der Anstieg von Mitte April bis Anfang Mai, immerhin mehr als 800 Punkte in zehn Tagen, muss erst einmal verarbeitet werden. Kurzfristig wäre es wichtig, dass der Dax die Untergrenze um 12.670 verteidigt; hier hat er am 8. Mai und am 12. Mai zweimal ein kleines Tief gebildet. Wenn dieses Niveau nicht hält, könnte die nächste Station bei rund 12.300 Punkten liegen.

Die Tops und Flops seit dem Allzeithoch 2015

Von einer vollzogenen Wende sind die großen Märkte aber weit entfernt. Der Dow Jones ist im März und im Mai zweimal bis gut 21.000 Punkte vorgedrungen. Ein solches Muster könnte sich als mittelfristige Wende entpuppen – dazu müsste der Dow aber in den nächsten Wochen unter 20.400 Punkte rutschen. Die Stabilität der vergangenen zwei Wochen spricht aber eher gegen ein solches Negativ-Szenario.

Fazit: Kurzfristige Korrekturen sind an den Aktienmärkten in den nächsten Wochen möglich; mittel- und langfristig ist die Aufwärtsbewegung weiterhin intakt. Jetzt schon auf sinkende Kurse zu setzen, ist verfrüht. Allenfalls kommen kleine Absicherungspositionen infrage.

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