Stelter strategisch

Der Glaube an den ewigen Aufschwung

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Börsenrekorde Weltwirtschaftsboom und weit und breit kein Crash in Sicht- Heute kann ich gleich zwei Geständnisse machen. Ich habe mich geirrt. Und auch ich schreibe ab.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Quelle: Fotolia

Solange es Pessimisten gibt, geht es weiter

Geirrt habe ich mich – bisher – mit meiner pessimistischen Sicht auf Wirtschaft und Märkte. Die Börsen boomen und der DAX hat einen neuen Rekordstand erreicht. Zumindest gemessen am Performance-DAX, der Ausschüttungen steuerfrei berücksichtigt. Aber auch dem Kurs-DAX fehlen nur noch wenige Punkte zum bisherigen Höchststand von 6.266,15 aus dem Jahr 2000. Die US-Börse feiert unbeeindruckt von steigenden Zinsen und politischen Wirrungen Rekord nach Rekord. Nur Miesepeter bemängeln eine abnehmende Marktbreite und fast schon unglaubliche Marktruhe mit nicht mehr vorhandener Volatilität. Da mag ich noch so gute Gründe haben, vor einem Crash zu warnen. Er will einfach nicht kommen.

Solange es noch Pessimisten gibt, dürfte die Hausse tatsächlich weitergehen. Erst müssen Leute wie ich aufgeben und (fast) jeder an den ewigen Aufschwung trotz Rekordschulden, schlechter demografischer Entwicklung und geringen Produktivitätszuwächsen glauben. Wir alle müssen glauben, dass es eben doch möglich ist, Wohlstand mit der Notenpresse zu schaffen.

Sehr gute Gründe für die Hausse

Womit ich bei meinem zweiten Geständnis bin: dem Abschreiben. Die Redakteure der Financial Times quälten letzte Woche wohl die gleichen Zweifel, weshalb sie einen Artikel veröffentlichten, der sehr gut zusammenfasst, weshalb die Märkte eben steigen. Trotz aller berechtigten Sorgen.

Hier die Gründe für den Börsenboom:

- Hinter dem Aufschwung an den Börsen steht ein noch beeindruckenderer Aufschwung in der Weltwirtschaft. Überall boomt die Realwirtschaft, vor allem die Produktion.
- In der Folge steigen die Unternehmensgewinne, besonders in den USA. Immer mehr Unternehmen übertreffen die Erwartungen deutlich.
- Die Wirbelstürme in den USA haben kurzfristig die Arbeitslosigkeit erhöht. Viel wichtiger ist jedoch, dass es nun tatsächlich zu mehr Staatsausgaben für den Wiederaufbau kommt, nachdem Donald Trump das ursprünglich erhoffte Infrastrukturprogramm nicht durchsetzen konnte.
- Trotz aller Widerstände ist mit einer Steuersenkung für Unternehmen in den USA zu rechnen.
- Die Inflationsraten bleiben (noch) tief, weshalb die Zinsen nur geringfügig steigen dürften und damit kaum Risiko für die Börsen darstellen.

All dies rechtfertigt die Hausse in den USA – und zum Teil auch bei uns in Deutschland. Es könnte kaum besser gehen. Man kann weitere Aspekte ergänzen, wie die Ruhe in der Euro-Zone (abgesehen von Spanien), vom zunehmenden Konsens in Europa, dass es nur mit mehr Umverteilung und mehr Staatsausgaben (ein paar Jahre) weitergeht, der kürzlichen Stabilisierung des Ölpreises und der deutlichen Abschwächung des US-Dollars, was den Schwellenländern hilft.

Wen stört es da, dass dem allen dieselbe Politik zugrunde liegt, die uns auch in die letzte Krise geführt hat? Eine Politik, die vor allem auf neue Kredite setzt um mit der zusätzlichen Nachfrage die Probleme zu verdecken? Wen stört es, dass die US-Unternehmen, statt zu investieren, lieber auf Kredit eigene Aktien zurückkaufen und die Verschuldung dafür auf neue Rekordhöhen getrieben haben? Wen stört es, dass sich in China eine Schuldenblase aufpumpt, deren Platzen zwar nicht das Ende des chinesischen Rückmarsches an die Weltspitze bedeuten wird, unzweifelhaft aber eine empfindliche Pause mit weltweiten Implikationen? Wen stört es, dass es wenn alles Positive im Preis bereits enthalten ist, es mehr Gründe für einen Weg nach unten, statt für einen weiteren Anstieg gibt? Nur Skeptiker wie mich.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%