Seit Jahresanfang hat der US-Dollar nach der breiten Definition der US-Notenbank Fed acht Prozent an Wert verloren, gemessen am Währungskorb DXY sogar elf Prozent. Spiegelbildlich dazu hat der Euro gegenüber dem Dollar aber auch anderen Währungen deutlich hinzugewonnen. Dies obwohl sich bei nüchterner Betrachtung nichts, aber auch gar nichts an den fundamentalen Problemen der Eurozone geändert hat. Schönes Beispiel für die Logik der Märkte, die eher kurzfristige Trends beachten und zudem nur dann Ertragschancen bieten, wenn sie schwanken.
Mit der Abwertung des US-Dollars hat sich eine meiner Prognosen vom Dezember 2016 bestätigt. Damals schrieb ich: Nach einem mehrjährigen Aufschwung des US-Dollar-Index sind alle Marktbeobachter der Meinung, dies müsse so weitergehen. Alleine dies spricht für eine Trendwende oder zumindest eine Pause in der Entwicklung des US-Dollars. Die Rezession in den USA und die damit verbundene Abkehr von Zinserhöhungen führen zu einer neuen Phase des Abwertungswettlaufs. Die USA wussten noch immer am besten, wie man das spielt. Der Euro wird daraufhin, allen Problemen der EU und der Eurozone zum Trotz, steigen und die Probleme in Europa verschärfen. In der Tat drehte der Dollar bereits Ende Dezember.
Höhepunkt des Theaters naht
Nun könnte der Dollar vor einer Trendwende stehen. Zunächst dürfte das sich abzeichnende Theater um die Erhöhung der US-Schuldengrenze zu weiterer Unsicherheit an den Finanzmärkten und noch tieferen US-Dollar Kursen führen. Für Spekulanten wäre das jedoch ein günstiger Einstiegszeitpunkt. Nicht wenige Faktoren sprechen für diese Einschätzung:
- Die Mehrheitserwartung hat sich gedreht. Waren Spekulationen auf einen fallenden Euro im Januar noch selten, so dominieren sie heute die Position der Akteure. Wenn alle das gleiche denken, kommt es bekanntlich immer anders.
- Es gibt bereits die ersten Titelgeschichten über den starken Euro. Der sogenannte „Magazin Cover Indicator“ hat zumindest mit Blick auf den britischen Economist gut funktioniert. Pünktlich zum Höhepunkt zeigte das Magazin den US-Dollar als Muskelmann auf dem Titel. Bisher hat sich nur die WirtschaftsWoche mit einem Titel zur Stärke des Euro aus dem Fenster gelehnt. Vermutlich folgen noch weitere ähnliche Titelgeschichten die die Trendumkehr anzeigen. Neben dem Economist taugen auch Spiegel und Bild-Zeitung als gute Indikatoren.
- Mit Blick auf die deutsche Wirtschaft – bekanntlich die Stütze des Euros - hat der Economist schon vor Monaten die Trendwende eingeläutet. Aufgezogen an den überbordenden deutschen Handelsüberschüssen wird da ein Bild von einer übermächtigen Wirtschaftsnation gezeichnet, die vor Kraft nicht laufen kann. Wir wissen es besser. Die tiefen Zinsen und der trotz der jüngsten Erholung noch schwache Euro haben eine Scheinblüte erzeugt. Der Strukturwandel in vielen Industrien (Auto!) und die absehbar schlechte demografische Entwicklung werden schon bald die Wohlstandsblase zum Platzen bringen.
Was den Euro zuletzt nach oben getrieben hat
Nach der jüngsten Ratssitzung der EZB hatte Notenbankchef Mario Draghi angekündigt, im Herbst über die Anleihenkäufe beraten zu wollen. An den Märkten wurde dies als Signal verstanden, das bislang auf ein Volumen von 2,28 Billionen Euro angelegte Programm auslaufen zu lassen.
Ja. Denn bis zu den Präsidentschaftswahlen in Frankreich im Frühjahr hatten viele Anleger einen Sieg der Euro-Gegner befürchtet. Doch dann zog Emmanuel Macron - ein ausgesprochener Befürworter der gemeinsamen Währung - in den Elysee-Palast ein: "Der bei einer Wahl Marine Le Pens befürchtete rasche Niedergang und das teils ausgerufene Auseinanderbrechen des Euro fällt damit vorerst aus", so die DZ Bank. Laut Devisenhändlern verstärkte dies die Euro-Käufe.
Die Wahl des Immobilien-Milliardärs zum US-Präsidenten hatte zunächst Spekulationen auf steigende Inflationsraten in den USA ausgelöst, da Trump ein riesiges Konjunkturprogramm und radikale Steuersenkungen versprochen hat. Dies hatte Anfang des Jahres den Euro auf ein 14-Jahres-Tief von unter 1,04 Dollar gedrückt. Doch bislang wurde daraus nichts, da der Republikaner innenpolitisch unter anderem aufgrund der Russland-Affäre stark unter Druck steht.
Zudem ist sich Trump mit dem von seiner eigenen Partei dominierten US-Kongress nicht einig: Für den geplanten Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko will er einen Regierungsstillstand in Kauf nehmen. "Der Konflikt, den Trump mit dem Kongress hat, wird verschärft und es stellt sich erneut die Frage nach der Handlungsfähigkeit der US-Regierung", fasst Helaba-Analyst Ulrich Wortberg zusammen. Wenn die US-Schuldenobergrenze im Herbst nicht angehoben wird, können Haushaltsmittel für Gehälter der Staatsbediensteten oder die Auszahlung von Anleihezinsen nicht mehr freigegeben werden.
Zudem fürchten Anleger, dass die Folge des Wirbelsturms "Harvey" die Konjunktur der USA schwächen und damit die Straffung der US-Geldpolitik zusätzlich verzögern könnte.
Für Exporteure verschlechtern sich die Wettbewerbschancen, da ihre Waren auf dem Weltmarkt teurer werden. Allerdings sichern sich Konzerne meist gegen solche Entwicklungen ab. Erst wenn der Trend nachhaltig dreht oder drastisch ausschlägt, sind Unternehmen wirklich unter Druck - wie beispielsweise beim Pfund Sterling nach der Brexit-Abstimmung. Außerdem bremst ein hoher Wechselkurs über die in Dollar fakturierte Ölrechnung die Inflation und erhöht das Risiko einer Deflation, einer Spirale aus fallenden Preisen und rückläufigen Investitionen. Das Ziel der EZB ist aber eine Teuerung von knapp zwei Prozent - ein Ziel, dass sie nach Einschätzung von Beobachtern noch einige Jahre lang verfehlen wird.
Sie halten still - das zumindest ist der Eindruck vieler Börsianer nach dem traditionellen Notenbank-Gipfel in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming am vorigen Wochenende. Mario Draghi verzichtete darauf, sich zum Wechselkurs zu äußern, was Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann für bemerkenswert hält. Schon im Juli sei sein Schweigen als Kaufsignal verstanden worden und habe den Euro hochgetrieben. "Draghi muss diesmal also sehr genau gewusst haben, dass jede Gelegenheit, an der er nichts zur gegenwärtigen Euro-Stärke sagt, diese weiter befeuert." Vermutlich halte Draghi die Pressekonferenz nach der September-Sitzung in der nächsten Woche für den passenderen Rahmen, um sich zum Euro zu äußern
- Die Geldpolitik in den Vereinigten Staaten ist drauf und dran, den Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und viel zu spät - nämlich in den Abschwung hinein - die Zinsen zu erhöhen und zugleich die Bilanz der Fed zu verkürzen. Das dürfte vorerst zu einer relativen Verknappung des US-Dollars und damit steigenden Kursen führen. Erst nach einem Einbruch an der Börse und unübersehbaren Problemen in der Realwirtschaft dürfte es zu einem Kurswechsel kommen. Deutlicher kann man die verzweifelte Situation nicht beschreiben, in die die Notenbanken sich manövriert haben. Bekanntlich erhöht die Fed die Zinsen nur, um in der nächsten Krise wieder Zinssenkungen vornehmen zu können und nicht (sofort) in den negativen Bereich zu müssen.