Stelter strategisch

Die Fed-Entscheidung schützt nur vorgezogene Gewinne

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Praktisch alle Assetklassen haben von niedrigen Zinsen profitiert

Die Vermögensverwalter von GMO haben das in einem Kommentar vor einigen Monaten schön illustriert. Nehmen wir an, man wolle im Jahr 2026 ganz sicher über einen Betrag von einer Million US-Dollar verfügen. Der sicherste Weg dies zu tun, wäre einen Zerobond der US-Regierung mit Fälligkeit im Jahre 2026 zu kaufen. Dieser hätte keine laufenden Ausschüttungen, sondern alle Erträge inklusive Zins- und Zinseszins werden am Ende der Laufzeit mit der Tilgung geleistet. Nehmen wir an, diese Anleihe verzinst sich derzeit mit 1,625 Prozent, was einem heutigen Kurs von 851.127 US-Dollar entspricht. Wenn nun die Zinsen um einen Prozentpunkt fallen, steigt der Kurs der Anleihe auf 939.596 US-Dollar. Ein Gewinn von über 88.000 US-Dollar! Der Vermögensverwalter des Anlegers klopft sich auf die Schulter und kassiert eine schöne Erfolgsbeteiligung.

Doch ist der Anleger wirklich „reicher“ geworden? Natürlich nicht. Besteht weiterhin das Ziel im Jahre 2026 über eine Million US-Dollar zu verfügen, so wird das weiterhin erreicht. Mehr aber auch nicht. Geändert hat sich nur der Zinssatz mit dem abgezinst wird, nicht jedoch die Erträge. Die Kursgewinne der kommenden Jahre werden entsprechend tiefer ausfallen.

Das wurde im ersten Halbjahr aus 100.000 Euro
Platz 20: Aktien VenezuelaDie Börse in Caracas ist winzig, nur wenige Aktien sind dort notiert und die Umsätze liegen oft bei nur ein paar tausend Dollar pro Tag. Internationale institutionelle Investoren meiden venezolanische Aktien. Die Inflation im Land galoppiert, der Versorgungsmangel eklatant, die Währung Bolivar ist auf Talfahrt. Anleger, die im Januar 100.000 Euro in den IBC-Index investierten, haben so jetzt nur noch 54.320 Euro. Im Vorjahr hatten sich die Kurse noch mehr als vervierfacht.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: Reuters
Platz 19: Aktien ChinaDie Wirtschaft in China macht Anlegern seit über einem Jahr Sorgen. Die Börse stürzte entsprechend weiter ab. Der Leitindex CSI 300, der die 300 größten Aktien Festlandschinas erfasst, brach um 15,6  Prozent ein. Da gleichzeitig der Yuan zum Euro leicht abwertete blieben Anlegern von 100.000 Euro nur 80.900 Euro übrig.  Schlusstand 30.6.2016,  Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: Reuters
Platz 18: Aktien Euro-ZoneDer Jahresauftakt an Europas Börsen war schon ein Horror, dann kam noch das Debakel um den Brexit hinzu. Die Folge: Die Aktien in der Euro-Zone notieren tief im Minus. Wer Anfang des Jahres 100.000 Euro in den Leitindex Euro Stoxx 50 investierte, verfügt angesichts des Minus von 12,3 Prozent jetzt nur noch über 87.670 Euro. Am schlimmsten erwischte es dabei Anleger in Italien – der FTSE MIB 100 Index verlor fast ein Viertel seines Wertes.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: REUTERS
Platz 17: Britisches PfundInvestoren haben die britische Währung nach dem Brexit-Votum regelrecht heruntergeprügelt. Schon vorher litt es deutlich, am Tag nach der Bekanntgabe des Referendums stürzte es dann zum US-Dollar um bis zu knapp 14 Prozent und zum Euro um mehr als acht  Prozent ab. Zur US-Währung liegt das Pfund auf dem niedrigsten Stand seit über 30 Jahren. Zum Euro liegt das Pfund „nur“ auf dem niedrigsten Stand seit rund zwei Jahren. In diesem Jahr wurden aus 100.000 in Pfund angelegten Euro 88.620 Euro.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: dpa
Platz 16: Aktien DeutschlandAuch Aktienanleger in Deutschland hat bislang kein schönes Jahr. Gleich zu Beginn des Jahres stürzte der Leitindex Dax ab. Danach erholte er sich zwar – machte die Verluste vom Jahresanfang aber nie ganz wett. Der Brexit-Schock setzte dem Dax dann erneut zu. Aus 100.000 im Dax investierten Euro sind innerhalb von sechs Monaten nur noch 90.110 Euro geworden.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: AP
Platz 15: Aktien SchweizAuch die Aktien der Schweiz gingen auf Talfahrt. Der Franken legte dabei zum Euro nur ganz leicht zu. Im vergangenen Jahr hatte er kräftig aufgewertet, nachdem die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs für den Franken aufgegeben hatte. Von daher machten Anleger mit Franken in diesem Jahr keine Währungsgewinne. Von 100.000 Euro blieben 91.320 Euro übrig.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: Reuters
Platz 14: Aktien GroßbritannienDas Brexit-Votum hat der britische Leitindex rasch verkraftet.  Der Leitindex „Footsie“ war zwar am 24. Juni heftig eingebrochen, holte die kurzfristigen Verluste dann aber wieder auf. Trotzdem sind Experten skeptisch, da wegen des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU eine lange Phase der Ungewissheit droht. Dennoch notiert der Footsie auch auf Halbjahressicht 4,2 Prozent im Plus. Da der Euro jedoch zum Pfund kräftig zulegte, machten Euro-Anleger, die ihre Positionen nicht absicherten, einen Verlust von 8,01 Prozent und hatten bei einer Anlagesumme von 100.000 Euro so nur noch 91.990 Euro auf dem Konto.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: Reuters

Nun mag man einwenden, dass man mit aktivem Handeln und gutem Gespür erkennt, welche Assets noch nicht so weit gestiegen sind und damit einen Zusatzertrag ermöglichen. Der Anleger in unserem fiktiven Beispiel könnte den Zerobond verkaufen und dafür auf Anleihen aus Schwellenländern setzen, in denen die Zinsen noch mehr Raum zum Fallen haben. Der Preis dafür ist jedoch die Aufgabe von Sicherheit, er muss mehr Risiken eingehen.

Steigende Zinsen lassen Börsen fallen

Hinzu kommt, dass eben praktisch alle Assetklassen vom Effekt der tieferen Zinsen profitiert haben. Überall wurden die künftigen Erträge in die Gegenwart geholt. Maue Renditen sind für die Zukunft zu erwarten, egal worein man investiert.

Noch schlimmer wäre es allerdings wenn die Zinsen wieder stiegen. Nicht, dass das angesichts der weltweiten Lage ein sehr realistisches Szenario wäre. GMO rechnet vor, dass bei einem Anstieg der Zinsen um 1,5 Prozent die US-Börse um 30 Prozent fallen müsste. Dies selbst, wenn der Zinsanstieg mit einer breiten wirtschaftlichen Erholung einhergehen würde.

Die Notenbanken haben sich in eine Ecke manövriert, wo sie immer weniger Wirkung mit ihren Maßnahmen erzielen – deshalb auch der Ruf nach Helikopter-Geld, also notenbankfinanzierten Staatsausgaben. Zinsen erhöhen können sie auf keinen Fall ernsthaft. Denn dann würden sie die Blase platzen lassen, die sie selbst aufgepumpt haben, statt die Luft über Jahrzehnte raus zu lassen.

Aus Sicht der Anleger ist klar: Im optimistischen Fall haben wir lange Jahre mauer Renditen vor uns, im schlimmsten Fall droht eine herbe Anpassung mit deutlichen Kursverlusten, die uns der Vermögensillusion berauben, der wir angesichts unserer Depotauszüge unterliegen. Die besten Jahre liegen hinter uns und es ist keine gute Zeit, mehr Risiken einzugehen. Mehr Cash und weniger zinsabhängige Investitionen sind angesagt.

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