Vertrauliches Papier Deutsche-Börse-Chef Kengeter plante Fusion mit London weit vor seinem Aktienkauf

Ein vertrauliches Papier, das der WirtschaftsWoche vorliegt, enthüllt, wie weit die Verhandlungen der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange (LSE) bereits fortgeschritten waren, als der wegen Insiderhandel verfolgte Börsenchef Carsten Kengeter Mitte Dezember 2015 Aktien im Wert von 4,5 Millionen Euro gekauft hat.

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Deutsche Börse-Chef Karsten Kengeter Quelle: Bloomberg

Kengeter und LSE-Chef Xavier Rolet trafen sich demnach erstmals am 27. März 2015 – 8,5 Monate vor dem Aktienkauf. Das Gespräch kam „auf Bitten von Herrn Kengeter“ zustande, wie der Entwurf einer „Gutachterlichen Stellungnahme“ der Kanzlei Linklaters im Auftrag der Börse von Ende Juli 2017 festhält. Drei Monate später – am 26. Juni – kamen die Börsenchefs erneut zusammen. Die „Möglichkeit einer Zusammenarbeit bzw. eines Zusammenschlusses“ von Deutscher Börse und LSE war da bereits ein Thema. Kengeter und Rolet sprachen dem Entwurf zufolge schon 5,5 Monate vor Kengeters Kauf über aufsichtsrechtliche und politische Herausforderungen sowie die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Vorhabens.

Spätestens im Juli 2015 verwendete die Deutsche Börse dann den Decknamen Luna für einen möglichen Zusammenschluss mit der LSE.

Zwei Monate vor dem Aktienkauf, am 15. Oktober 2015, schlug ein Mitarbeiter von Kengeter nach einem Gespräch mit dem Leiter der internen Rechtsabteilung Alarm: Er informierte Kengeter darüber, dass man wegen der strengen Übernahmegesetze in Großbritannien „bereits zur Beobachtung des Aktienkurses verpflichtet sei“. Um für Rückfragen gewappnet zu sein, müsse die Börse zudem ein Protokoll aller Kontakte führen und diese Personen fortlaufend informieren.

Als Schlüssel für ein Gelingen des Deals stufte Kengeter in einer internen E-Mail ein Treffen zwischen den Aufsichtsratschefs der beiden Börsen ein. In einer Mail an seinen Chefkontrolleur Joachim Faber schrieb Kengeter auf Englisch: „Ich glaube, das Treffen ist entscheidend und sollte so schnell wie möglich stattfinden.“ Die Aufsichtsratschefs trafen sich am 3. Dezember 2015, wenige Tage vor dem Aktienkauf, in einer Londoner Hotellobby. Es ging dem Entwurf zufolge auch um den Zusammenschluss als mögliche Absicherung gegen einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, über den damals noch nicht abgestimmt war. Beide Männer erklärten, dass sie das Thema bereits mit ihren Regierungen besprochen hätten. LSE-Aufsichtsratschef Donald Brydon stellte in dem Gespräch klar, dass der Sitz der neuen Unternehmensspitze in Großbritannien für ihn eine „rote Linie“ darstelle und dass er im Gegenzug hinsichtlich des Managements flexibel sei. Aus dem Linklaters-Entwurf geht hervor, dass die Frankfurter Staatsanwaltschaft meint, dass nach diesem Gespräch „eher mit einem Zusammenschluss“ als mit dessen Ausbleiben zu rechnen gewesen sei. Auf Anfrage bestätigt die Staatsanwaltschaft, dass Kengeter für sie „zum Zeitpunkt seines Aktienkaufes als Insider galt“. Die Börse sieht die Vorwürfe als „in jeder Hinsicht unbegründet“ an.

 

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Die komplette Geschichte zum Geheimprotokoll der Deutschen Börse finden Sie hier:

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