Bargeld-Studie Warum ein Bargeld-Verbot kaum Verbrechen verhindert

Die EZB stampft Ende 2018 den 500-Euro-Schein ein. Hauptargument: Der Kriminalität die Geschäftsgrundlage entziehen. Aber eine Studie der Deutschen Bank legt nahe, dass diese Begründung Augenwischerei ist.

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Quelle: Getty Images

Fast genau vor einem Jahr, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2016, überraschte der britische Chef der Deutschen Bank, John Cryan, die versammelte Wirtschaftselite während einer Podiumsdiskussion mit einer kühnen These: "In zehn Jahren wird es keinen Bedarf für Bargeld mehr geben. Cash ist als Zahlungsmittel unglaublich ineffizient und teuer."

Banknoten und Münzen würden verschwinden und durch elektronische Zahlungsmittel ersetzt. Warum sollten die Menschen noch umständlich am Geldautomaten Bargeld holen, wenn doch ausreichend Technologien vorhanden seien, um Bargeld zu ersetzen.

Damals reagierten die Anwesenden überwiegend mit Skepsis, denn weltweit werden noch immer 85 Prozent des Zahlungsverkehrs in bar abgewickelt. Doch im Mai vergangenen Jahres wagte die Europäische Zentralbank (EZB) einen deutlichen Schritt in die vom Deutsche-Bank-Chef skizzierte Zukunft. EZB-Chef Mario Draghi kündigte an, dass ab Ende 2018 keine 500-Euro-Banknoten mehr ausgegeben werden würden und so sukzessive aus dem freien Bargeldverkehr zurückgezogen würden. Die Begründung: Eine erleichterte Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung.

So sieht der neue 50-Euro-Schein aus
Der NeueDie Europäische Zentralbank (EZB) hat den neuen 50-Euro-Schein am Dienstag in Frankfurt präsentiert. Der Schein ist nach Fünfer, Zehner und Zwanziger die vierte Banknote, die im Rahmen der neuen "Europa"-Serie ausgetauscht wird. Quelle: AP
RückseiteNicht nur die Vorder-, sondern auch die Rückseite des neuen Scheins erinnert stark an das Vorgängermodell. In den Umlauf gebracht werden soll der neue Fünfziger ab dem 4. April 2017. Neun Monate lang hatten Banken und Einzelhändler die Gelegenheit, die neuen Scheine auszuleihen, um Geräte und Personal auf den Umgang mit den runderneuerten Geldscheinen vorzubereiten. Die Hersteller von Bankautomaten bekamen Prototypen der Scheine schon im März 2015. So sollen Probleme wie bei der Einführung des Fünfers vermieden werden. Quelle: AP
Mehr SicherheitNeue Sicherheitsmerkmale sollen Geldfälschern das Handwerk erschweren. Das Wasserzeichen zeigt ein Porträt der griechischen Mythenfigur Europa, der Namensgeberin der neuen Banknotenserie: „Europa-Serie“. Zudem gibt es, wie beim Zwanzig-Euro-Schein, ein sogenanntes „Porträtfenster“. Hält man den Schein gegen das Licht, wird es durchsichtig und man sieht von beiden Seiten ein Porträt der Europa. Quelle: dpa
Ohne LackDer von EZB-Ratsmitglied Yves Mersch präsentierte Schein hat im Gegensatz zum Fünfer und Zehner keine spezielle Lackierung. Ziel ist, die kleinen Scheine haltbarer zu machen - denn gerade sie wechseln häufig den Besitzer. „Die bisher gesammelten Erfahrungen lassen den Schluss zu, dass sich die Lebensdauer der Euro-Banknoten durch die Beschichtung tatsächlich erhöht hat“, bilanziert die Bundesbank. Die Produktion des neuen Fünfzigers kostet rund zehn Cent. Der Fünfziger der ersten Serie war mit sechs Cent deutlich billiger. Quelle: dpa
Gegen FälscherDer Fünfziger ist der Lieblingsschein der Fälscher: Von den 82.000 Blüten, die im vergangenen Jahr eingezogen wurden, waren 50.000 Fünfziger. Auch deshalb sind die besseren Sicherheitsmerkmale der neuen Scheins wichtig. Auf der Vorderseite trägt er die glänzende „Smaragd-Zahl“ aufgedruckt, die ihre Farbe ändert, wenn man die Banknote etwas neigt. An der Seite trägt der Schein die Prägung, welche bereits von den anderen Scheinen der Europa-Serie bekannt ist. Quelle: dpa
Sehen, fühlen, kippenEin neues Sicherheitsmerkmal ist der Streifen mit Hologramm-Bildern: Sie reflektieren das Licht in Regenbogenfarben. An den Seitenrändern weisen die Scheine eine raue Struktur auf, die es Blinden leichter macht, den Schein zu erfühlen. Im Licht wird zudem das Wasserzeichen, ein Porträt der Europa, sichtbar. Um Blüten zweifelsfrei zu erkennen, empfiehlt die Bundesbank die drei Arbeitsschritte: Sehen, fühlen, kippen.
Alt und neuBeim Design unterscheiden sich alte und neue Banknote nur wenig. Beim neuen Fünfziger fallen vor allem der kräftigere Orange-Ton und die smaragdgrüne Zahl unten links auf.

Das formulierte Ziel halten Kritiker allerdings für vorgeschoben, letztlich ginge es vielmehr um die Kontrolle über das Geldvermögen der Bürger in der Euro-Zone, zum Beispiel um besser negative Zinsen durchsetzen zu können. Und ausgerechnet eine Studie der Deutschen Bank gibt diesen Skeptikern neue Nahrung, denn ob durch die Abschaffung der größten Euro-Banknote tatsächlich die Geld-Kriminalität wirksam eingedämmt werden kann, ist nach den Erkenntnissen der Studienautoren zumindest zweifelhaft und wirft die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme auf.

Studienergebnisse schüren Zweifel an den Absichten der EZB

Die Deutsche-Bank-Studie mit dem Titel „Bargeld, Freiheit und Verbrechen – Bargeld in der digitalen Welt“ ist bereits im November 2016 auf Englisch erschienen, seit einer Woche liegt sie auch in deutscher Übersetzung vor. Das zentrale Ergebnis: Eine Abschaffung von Bargeld wird gewinnorientierte Kriminalität nicht beseitigen. Für illegale Transaktionen gäbe es Alternativen zum Bargeld, selbst wenn diese für die Akteure mit höheren Kosten als beim Bargeld verbunden seien. Demgegenüber stehen deutliche Vorteile beim Bargeld hinsichtlich Datenschutz und Bürgerrechten gegenüber.

10 Fakten über den 500 Euro-Schein

Die Datenlage zum Bargeldverkehr ist naturgemäß dünn, denn Bargeldtransfers erfordern weder elektronische Hilfsmittel noch irgendeine Form der Dokumentation. Aber schon aufgrund dessen, was an Untersuchungen über den Bargeldgebrauch vorliegt, widerlegt Heike Mai, Autorin der Bargeld-Studie von Deutsche Bank Research, dass bargeldintensive Gesellschaften stärker von Korruption und Schattenwirtschaft betroffen sind. Der Begriff Schattenwirtschaft schließt dabei sowohl grundsätzlich legale, aber unversteuerte Geschäfte, als auch Schwarzarbeit und gewinnorientierte Kriminalität wie Drogen- und Menschenhandel, Betrug oder Diebstahl ein.

Mehr Bargeld bedeutet nicht automatisch mehr Kriminalität

Geldkriminalität erfordert grundsätzlich die sogenannte Geldwäsche, um den illegalen Einnahmen einen legalen Anstrich zu geben. Bei der Betrachtung bargeldintensiver Länder wie Deutschland fällt auf, dass dort trotz häufiger Bargeldnutzung der Schattensektor relativ klein ist, in Österreich ist die Situation sogar noch etwas besser, trotz noch intensiverer Bargeldnutzung. In Schweden hingegen, wo nur noch selten Bargeld zum Einsatz kommt, ist der Schattensektor noch immer mittelgroß. Innerhalb Europas gilt vor allem für Spanien, Italien und Griechenland, dass deren intensive Bargeldnutzung mit einem großen Schattensektor einhergeht. Umgekehrt ist in angelsächsischen Ländern, der Schweiz, Niederlanden und Frankreich tatsächlich zu beobachten, dass eine geringe Barquote mit geringer Schattenwirtschaft zusammenfällt. Der Zusammenhang zwischen Bargeld und illegalen Geldgeschäften ist somit zwar zu beobachten, aber keineswegs zwingend. Diese Aussage gilt grundsätzlich auch beim Thema Korruption.

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