Intelligent investieren

Die Jagd nach Dividende ist Unsinn

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

„Dividenden sind die neuen Zinsen“, lautet der Slogan vieler Anlageberater. Doch wer in Aktien guter Unternehmen investiert, für den sind Dividenden verzichtbar.

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In Zeiten niedriger oder gar negativer Kapitalmarktzinsen lautet der Slogan vieler Anlageberater: „Die Dividenden sind die neuen Zinsen.“ Damit ist gemeint, dass man in Aktien von Unternehmen investieren soll, die eine hohe Dividende zahlen. Auf diese Weise, so die Idee, gelangt der Anleger in den Genuss der heiß ersehnten Rendite. Doch ist die Jagd nach hoher Dividenden(rendite) wirklich eine sinnvolle Strategie?

Betrachten wir dazu ein einfaches Beispiel. Eine Aktie handelt bei 100 Euro. Nun kündigt das Unternehmen eine Dividende in Höhe von 4 Euro an. Der Aktienkurs steigt daraufhin auf 104 Euro. Der Anleger kauft zu 104 Euro. Nachdem die Dividende einen Tag nach dem Dividenden-Stichtag gezahlt wird, fällt der Aktienkurs von 104 wieder auf 100 Euro. Der Aktienkäufer hat – lässt man verpasste Gelegenheiten außen vor – nichts verdient.

Um die Bedeutung der Dividende zu erkennen, muss man sich zunächst folgendes verdeutlichen: Macht ein Unternehmen Gewinn, muss es über dessen Verwendung entscheiden. Der Gewinn kann einbehalten, oder er kann als Dividende ausgezahlt werden. Er kann aber auch zum Rückkauf eigener Aktien des Unternehmens verwendet werden. Welches der beste Weg ist für den Aktionär, hängt von den „besonderen Umständen“ ab.

Zur Person

Was das Unternehmen mit seinem Gewinn macht, ist für den Aktionär höchst bedeutsam. Die Rendite, die der Aktionär erwarten kann, setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Dividende und Kurssteigerung. Wann ist eine Dividende sinnvoll? Zum Beispiel dann, wenn ein Unternehmen in reifen Märkten operiert, in denen die Kapitalrendite sinkt und keine Ersatz- oder Erweiterungsinvestitionen mehr finanziert werden müssen, um das verbliebene Gewinnpotenzial auszuschöpfen. In diesem Fall ist es am besten, die Gewinne an die Aktionäre auszuschütten, damit diese sie in andere, attraktivere Unternehmen investieren können.

Häufig ist zu hören, eine Dividende sei gut, weil ohne sie das Unternehmens-Management aufgrund seiner Risikoscheu zu hohe Kassenbestände aufbaut. Und das wiederum schmälert die Kapitalrendite des Unternehmens. Macht das Argument Sinn? Nein. Denn in einem solchen Fall sollten die Aktionäre vielmehr überlegen, ob das Management das passende ist, oder ob es nicht durch ein besseres Management auszutauschen ist.

So viel schütten die Dax-Unternehmen aus

Wer in Aktien von guten Unternehmen investiert – also in solche, die für lange Zeit hohe Kapitalrenditen erzielen und den Gewinn pro Aktie stark steigern können – für den sind Dividenden verzichtbar. Ja, der Aktionär solcher Unternehmen wird gar kein Interesse daran haben, dass sein Unternehmen eine Dividende zahlt. Paradebeispiel Amazon: Kurssteigerung seit 2001 bis heute: fast 8000 Prozent, Dividende null.

Man stelle sich ein Unternehmen vor, das eine Eigenkapitalrendite von 20 Prozent erzielt. Stehen dem Aktionär selbst keine vergleichbaren Anlagemöglichkeit offen, ist es für ihn vorteilhaft, wenn das Unternehmen keine Dividende zahlt, sondern den Gewinn einbehält und in das eigene Geschäft, das eine Rendite von 20 Prozent bringt, reinvestiert. Auf diese Weise kommt der Aktionär in den Genuss eines Zins- und Zinseszinseffektes.

Der Kapitalwert des Unternehmens steigt im Zeitablauf exponentiell an, entsprechend wird auch der Aktienkurs an der Börse steigen. Denn mittel- bis langfristig folgt der Aktienkurs der Eigenkapitalentwicklung des Unternehmens. Die Kapitalverzinsung, die der Aktionär erzielt, speist sich in diesem Fall ausschließlich aus dem Kapitalzuwachs beziehungsweise dem Kursanstieg der Aktie an der Börse.

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