Die eigene Immobilie ist für viele deutsche Unternehmen Tradition. Zahlreiche börsennotierte Aktiengesellschaften halten ihren Stammsitz in Ehren – und im Firmeneigentum. Sie übersehen, dass das Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung hat. So wird ein hoher Anteil an eigengenutzten Immobilien mit einem Abschlag von durchschnittlich 17 Prozent auf den Substanzwert des Unternehmens bewertet, sofern das jeweilige Unternehmen nicht selbst in der Immobilienwirtschaft tätig ist. Unternehmen mit einem geringen oder keinem Immobilienbestand verzeichnen dagegen einen Aufschlag von etwa 31 Prozent.
Zum Autor
Karim Rochdi ist Verfasser der Studie „The risk of real estate ownership: evidence from German equities“. Darin wurde erstmals der Anteil von eigengenutzten Immobilien an der Bilanzsumme von mehr als 600 börsennotierten deutschen Gesellschaften umfangreich analysiert. Die Studie entstand im Rahmen einer Reihe von Untersuchungen an der International Real Estate Business School (IREBS) der Universität Regensburg, welche die Rolle der Immobilie auf den internationalen Kapitalmärkten analysiert. Heute verantwortet Rochdi den Geschäftsbereich Corporate Solutions bei der BEOS AG. Vor seiner Zeit als Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der IREBS studierte Rochdi Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Immobilien- und Finanzwirtschaft an der Universität Stuttgart, der California State University East Bay und der University of California, Santa Barbara. Rochdi ist Preisträger des gif-Immobilien-Forschungspreises und war Fulbright Stipendiat.
Optimierungspotenziale nutzen
Unternehmen sind bestrebt, ihre Prozesse bestmöglich zu optimieren, um sich auf dem Weltmarkt zu behaupten – sei es im Einkauf, beim Fuhrpark oder im Bereich Personal. Eigengenutzte Immobilien jedoch scheinen ein blinder Fleck zu sein. Allein die DAX-Unternehmen halten derzeit Immobilien mit einem Bilanzwert von insgesamt mehr als 85 Milliarden Euro. Die Immobilieneigentumsquote aller deutschen Unternehmen liegt bei etwa 70 Prozent – und damit deutlich über dem internationalen Durchschnitt: In Großbritannien beträgt die Quote 40 Prozent, in den USA 30 Prozent und in Asien lediglich 20 Prozent. Das weist auf großen Nachholbedarf in Deutschland hin, sogar unter Berücksichtigung verzerrender Effekte insbesondere auf dem asiatischen Markt, wo der Erwerb von Eigentum erschwert ist.*
Ungenutztes Kapital, verschwendete Kapazitäten
Nicht nur die schlechtere Bewertung infolge von Immobilieneigentum ist ein Risiko für Unternehmen. Immobilien im Portfolio erweisen sich häufig als Innovationsbremsen. Im Schnitt sind zehn Prozent des Kapitals deutscher Unternehmen illiquide, also in Immobilien gebunden – Geld, das sowohl für das Kerngeschäft als auch für Investitionen in neue Bereiche fehlt. Zugleich nutzen die wenigsten Firmen ihren Immobilienbestand optimal. Es fehlen die Kapazitäten, das Portfolio regelmäßig zu überprüfen und aktiv zu verwalten. Das wiederum lässt manche Investoren zweifeln, ob ein Unternehmen dazu in der Lage ist, seinen Bestand marktgerecht zu verwalten. Der Verkauf firmeneigener Immobilien setzt somit Kapital frei und befreit von bislang unrentabel genutzten Flächen.
Deutsche Unternehmer denken um
Eigengenutzte Immobilien zu veräußern, geht demnach neben einer höheren Bewertung mit weiteren Vorteilen einher. Dessen werden sich inzwischen immer mehr Unternehmensvorstände hierzulande bewusst. Für sie bieten sich Bestands- und Marktanalysen an, die verborgene Potenziale sichtbar machen können. Wer über einen Verkauf seiner Flächen nachdenkt, trifft auf interessierte Marktteilnehmer: Unternehmensimmobilien als Assetklasse erfreuen sich bei institutionellen Investoren großer Beliebtheit.
*Quelle: "The risk of real estate ownership: evidence from German equities."; Journal of European Real Estate Research 8.2 (2015): 107-129