Thorsten Polleit Was haben Anleger von Dividenden?

Ökonom Thorsten Polleit bezweifelt, dass Ausschüttungen für Anleger vorteilhaft sind, das Geld bringe im Unternehmen mehr Ertrag. Ein Streitgespräch über Sinn oder Unsinn von Dividenden.

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Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt der Degussa, Honorarprofessor an der Uni Bayreuth und leitet er Ludwig von Mises-Institut Deutschland. Daneben ist er volkswirtschaftlicher Berater und Mitgründer des P&R REAL VALUE Fonds. In seiner auf wiwo.de erscheinenden Kolumne

Die Dividenden-Saison kommt so langsam richtig ins Laufen und Anleger können sich die Hände reiben: Erstmals werden die im Dax gelisteten Unternehmen mehr als 30 Milliarden Euro an ihre Anteilseigner ausschütten.

Doch was für die Aktionäre auf den ersten Blick aussieht wie ein warmer Geldsegen, hält Ökonom Thorsten Polleit in Wahrheit für einen Fluch. Im Unternehmen seien die Gewinne besser angelegt, argumentierte der Degussa-Chefvolkswirt hier auf wiwo.de Anfang des Monats.

WiWo-Redakteur Georg Buschmann hielt im Finanzbrief BörsenWoche dagegen: Dividenden könnten den Gesamtertrag von Aktionären sehr wohl erhöhen und böten Anlegern zusätzlich Flexibilität.

Im Streitgespräch fechten Polleit und Buschmann den Dividenden-Streit mit Argumenten aus.

WirtschaftsWoche Online: Herr Polleit, wenn man Ihre Kolumne liest und Ihren Fonds anschaut, gewinnt man den Eindruck, Sie würden Dividenden nicht besonders mögen. Warum?
Herr Thorsten Polleit: In meinem Text ging es darum, ob es für Anleger sinnvoll ist, sich bei der Aktienauswahl auf die Dividende zu konzentrieren. Ich meine nein, weil sich Anleger um den Zins- und Zinseszinseffekt bringen. Den erzielen sie nur, wenn das Unternehmen die Gewinne nicht ausschüttet, sondern reinvestiert und damit attraktive Renditen erwirtschaftet.

Wir halten dagegen: Das gilt uneingeschränkt nur dann, wenn die Unternehmen mit dem Geld auch weiterhin sinnvoll investieren und die Eigenkapitalrendite stabil halten können. In der Praxis aber sieht es häufig anders aus: In den vergangenen 20 Jahren haben das nur neun der 30 Dax-Konzerne geschafft.
Es ist richtig: Viele Unternehmen schaffen dauerhaft keine stabilen oder steigenden Eigenkapitalrenditen. Die Kunst für Anleger ist es, diejenigen zu identifizieren, die es doch hinkriegen.

Sie nennen als Paradebeispiel Amazon. Dabei hat Amazon lange kaum etwas verdient, neues Geld kam über Kapitalerhöhungen, nicht durch einbehaltene Gewinne.
Unter diesem Gesichtspunkt war Amazon vielleicht nicht das ideale Beispiel. Ich wollte eine Aktie nennen, die den Lesern ein Begriff ist und zeigt, dass Unternehmen sich auch ohne Dividendenzahlung hervorragend entwickeln können. Aktien aus unserem Fonds, die unsere oben genannten Kriterien besser erfüllen, wollte ich nicht nennen. Es soll schließlich eine Kolumne sein und kein Aktientipp.

Amazon hat ohne Dividende eine beachtliche Erfolgsstory geschrieben. Nur haben Aktionäre außer Kursgewinnen nichts davon. Wer Bares sehen will, muss Aktien verkaufen. Regelmäßige Ausschüttungen hingegen sparen Ordergebühren und machen Anleger flexibler.
Ich sehe das Argument, dass viele Anleger gerne einen regelmäßigen Ertrag, also eine Art Zinskupon erzielen möchten. Nur stellt sich die Frage, ob die Aktie dazu das passende Instrument ist. Grundsätzlich gilt: Wer aus Liquiditätsgründen auf regelmäßige Ausschüttungen angewiesen ist, wird langfristig schlechter abschneiden als der, der es nicht ist.

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