Verkehrte Finanzwelt
Jemand gibt einen Kundenberater die Hand. Quelle: dpa

MiFID oder der schwierige Weg zu fairen Finanzmärkten

Ab 3. Januar soll die neue Finanzmarktrichtlinie MiFID II gelten. Anlegern soll sie zu mehr Transparenz in der Finanzberatung verhelfen. Für die Berater bedeutet sie mehr Bürokratie. Aber MiFID hat das Zeug zu viel mehr.

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Lange war vom zweiten Teil der „Markets in Financial Instruments Directive“ oder MiFID II nichts zu hören. 2014 wurde sie verabschiedet, 2015 verschoben und nun tritt sie im Januar 2018 in Kraft. Nicht ohne Grund nimmt daher auch die Medienberichterstattung Fahrt auf. Ob Provisionsverbote, Pflichten zur Aufzeichnung von Telefongesprächen oder Berichte über umfangreiche Reportings zu Wertpapiergeschäften an die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA): Im Regelfall wetteifern Kritik an bürokratischen Erfordernissen mit Zweifeln an tatsächlichen Verbesserungen für Anleger.

Oft ist sogar zwischen den Zeilen zu lesen, dass gewachsene Strukturen zerstört und daher die gewohnte Beratung für den Anleger beziehungsweise bestimmte Produktangebote nun nicht mehr aufrecht erhalten werden können.

Natürlich ist Bürokratie an sich nie positiv. Papierkram kostet Zeit und Geld. Veränderungen sind nicht leicht umzusetzen und kosten zusätzlich. Und das gerade im Markt für Vermögensverwaltung und Kapitalbeschaffung, der bereits durch den technologischen Fortschritt (Indexfonds, Robo Advisors, Onlinebanken et cetera) einschneidende Veränderungen erlebt und ohnehin durch die Folgen der Finanzkrise bereits unter Druck stand und steht. Die Kritik an zusätzlichen Regulierungsmaßnahmen ist daher verständlich.

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Oft kommt diese Kritik allerdings von Akteuren oder Verbänden mit einem ganz eigenen Interessenprofil. Es lohnt sich daher, die Maßnahmen und Veränderungen, die aus den 140 Seiten Direktive 2014/65/EU hervorgehen auf ihren Gehalt in Richtung Anlegerschutz und Anlegernutzen zu überprüfen. Denn das ist es, was MiFID II eigentlich erreichen soll: transparente, effiziente Märkte, die die Interessen derer wahren, die sie nutzen. Und das sind vor allem Anleger und Investoren und nicht dienstleistende Banken und Fondsgesellschaften.

Vom Kopf auf die Füße oder Unabhängigkeit und Provisionen

MiFID unterscheidet zwischen unabhängigen und abhängigen Beratern wobei die Merkmale der Unabhängigkeit recht praktisch definiert werden. Ein unabhängiger Vermögensberater muss ein diversifiziertes Produktportfolio anbieten. Das Produktangebot sollte sowohl verschiedene Assetklassen, also etwa Aktien und Anleihen, als auch verschiedene Anbieter umfassen. Das ist einleuchtend, denn ein Berater kann nur die richtigen Produkte empfehlen, wenn er sie auch im Angebot hat. Außerdem ist es einem unabhängigen Berater nicht gestattet, Vertriebsprovisionen seiner Produktanbieter als Einkommen zu vereinnahmen. Wenn er welche bekommt, dann muss er sie an den Kunden weiterreichen. Ist das im Interesse der Anleger?

Heiko Backmann Quelle: PR

Natürlich, denn nun muss ein von Vertriebsprovisionen lebender Berater sich als „abhängig“ kennzeichnen und sein Vertriebsmodell offenlegen. Dem Anleger sollte klar werden, dass die durch Provisionen bestimmte Produktstruktur nicht für alle Lebenssituationen geeignet ist. Auch Preise und Gebühren sollten durch das Offenlegungsgebot klarer und transparenter werden.

Einige Stimmen haben aufgrund dieser Regelungen das Ende jeglicher Beratung für weniger begüterte Kunden ausgerufen. Diese könnten sich unabhängige Beratung nicht leisten und wären auf das traditionelle Provisionsmodell angewiesen. Diese Argumentation führt klar am Ziel vorbei. Provisionsberatung wird nicht verboten. Sie darf sich nur nicht das Prädikat der Unabhängigkeit anheften und muss die eigenen Strukturen offenlegen. Das ermöglicht dem Kunden die Wahl – zwischen kostenpflichtiger, unabhängiger Beratung oder günstigerer, durch Provisionen subventionierter abhängiger Beratung.

Der Kunde sollte in jedem Fall wissen, dass Provisionsberater im Zweifel im Sinne der Provisionsgeber und nicht im Sinne der Kunden urteilen könnten und manchmal auch müssen. Diese Nachteile nehmen sie dann bewusst in Kauf und sollten sich im Nachhinein auch nicht auf falsche Beratung berufen können, sofern sie über die angebotenen Produkte korrekt informiert worden sind.

Natürlich geben auch abhängige, auf Provisionen zielende Berater wertvolle Informationen an ihre Kunden weiter. Auch deren Produktportfolio kann diversifiziert und auf den Kunden zugeschnitten sein. Schließlich ist das Provisionsmodell auch das Modell fast aller deutscher Banken und Sparkassen. Dennoch sind oft Produkte wie günstige Fonds oder Zertifikate von Konkurrenten im „Beratungsgespräch“ nicht erhältlich.

Der regulatorisch transparent gemachte Unterschied zwischen abhängiger und unabhängiger Beratung kann die Entwicklung guter Beratungsdienstleistungen fördern, die vor MiFID II durch die „Provisionskonkurrenz“ im Keim erstickt worden sind. Dieser Gedanke ist sicher im Sinne der Kunden. Bei guter Ausgestaltung der Regeln verbessert sich ihre Situation am Finanzmarkt erheblich.

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