Bautätigkeit schlecht verteilt Warum wir zu viele Einfamilienhäuser haben

Wohnraum ist knapp, der Neubau zu gering, heißt es seit Jahren. Ein Studie zeigt: Auf dem Land gibt es zu viel Bautätigkeit, vor allem bei Einfamilienhäusern. Wie wir am Bedarf vorbeibauen und wie sich das ändern ließe.

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Wo Hauskäufer die höchsten Gewinne machen
Top 10 Regionen, Top 5 Großstädte Quelle: dpa
Platz 10: Ebersberg (Landkreis) Quelle: dpa
Platz 9: Potsdam (Stadt) Quelle: dpa
Platz 8: Pfaffenhofen a. d. Ilm (Landkreis) Quelle: dpa
Platz 7: Landshut (Landkreis) Quelle: dpa
Platz 6: Rosenheim (Landkreis) Quelle: dpa
Platz 5: Cloppenburg (Landkreis) Quelle: dpa

Gerade hat das Statistische Bundesamt bestätigt: In Deutschland wird zu wenig gebaut, um den hohen Bedarf an Wohnraum zu decken. Die Baugenehmigungen für Neubauwohnungen sanken von Januar bis April um neun Prozent auf insgesamt 106.500, teilte die Behörde am Montag mit.

Auch der Zuzug von Flüchtlingen und Wanderungsbewegungen in die Ballungsräume treiben die Nachfrage nach Wohnungen nach oben. Bislang erwarten Experten in diesem Jahr 310.000 bis 320.000 neue Wohnungen. Der von der Bundesregierung geschätzte jährliche Bedarf von 350.000 Wohnungen würde damit aber erneut verfehlt.

Bei diesen Zahlen könnte der Eindruck entstehen, in Deutschland müsse viel mehr gebaut werden. Diese Diagnose stimmt aber nur für Teile Deutschlands, insbesondere in begehrten Großstadtlagen. Auf dem Land wird hingegen eher zu viel gebaut. Das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, kurz IW, hat in einer Studie ermittelt, dass der Wohnungsneubau zwischen 2011 und 2015 den Bedarf dort um 74 Prozent überstieg.

„Wir haben eine gespaltene Republik“, kommentiert Ralph Henger, einer der Studienautoren beim IW. „Die innerörtlichen Lagen im ländlichen Raum veröden, zugleich weisen sie zu viele neue Baugebiete aus. In den Großstädten mit wenig bebaubarer Fläche steigt hingegen der Bedarf vor allem an kleinen Wohneinheiten immer weiter.“

Großstädte hinken Bedarf weit hinterher

Das IW hat für seine Studie den Wohnraumbedarf aus demografischen Daten berechnet, die auch Rückschlüsse auf die gefragten Wohnungsgrößen und Lagen zulassen. Zudem geben Daten des Statistischen Bundesamtes Auskunft darüber, wie groß der Leerstand in den Kreisen ist und welche Wohnungsgrößen besonders betroffen sind.



Den Grund für diese Überschüsse sieht das IW in einer Bautätigkeit, die am eigentlichen Bedarf vorbeigeht. Es entstehen zum Beispiel mehr als doppelt so viele Ein-Zimmer-Wohnungen wie benötigt und mehr als das Vierfache an Wohnungen und Häusern mit fünf Zimmern und mehr.

Mangelware bleiben hingegen Wohnungen mittlerer Größe. Die Zahl der neuen Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen unterschreitet den Bedarf um mehr als ein Drittel. Neue Vier-Zimmer-Wohnungen decken den gestiegenen Bedarf nur zu 88 Prozent. Am größten ist die Lücke bei Drei-Zimmer-Wohnungen in Ostdeutschland: Nur 27 Prozent des benötigten Wohnungen sind tatsächlich entstanden.

Dramatisch ist die Situation vor allem in den Metropolen. Die Autoren der Studie haben errechnet, dass in den sieben größten deutschen Städten in den betrachteten Jahren nur 32 Prozent der benötigten Wohnungen tatsächlich gebaut wurden, insgesamt fehlten dort 60.000 Wohnungen. Besonders dringend ist der Bau von Zweiraumwohnungen, hier deckte der Neubau nur 25 Prozent des Bedarfs. Die Lücke dürfte sich 2016 zudem weiter vergrößert haben, da die Zahl der fertiggestellten Wohnungen insgesamt nur moderat angestiegen ist.

Jenseits der Ballungszentren ist die Lage genau umgekehrt: In ländlichen Kreisen überstieg die Bautätigkeit den Bedarf deutlich um 20 Prozent. Vor allem große Wohnungen und Einfamilienhäuser gibt es dort im Übermaß. In Landkreisen wie Emsland, Steinfurt oder Vorpommern-Greifswald konzentrierte sich der Wohnungsneubau zu 80 Prozent auf große Wohnungen und Einfamilienhäuser.

Gleichzeitig gibt es in ländlichen Regionen reichlich Leerstand, der durch die fehlgeleitete Bautätigkeit und den Fortzug der Jüngeren in die Großstädte noch zunimmt. Darin sehen die Autoren auch das Risiko, dass durch zunehmende Zersiedlung die Infrastrukturkosten steigen und die Attraktivität der Kommunen weiter abnimmt.

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