Niedrigzins Versicherer gehen mit Immobilien auf Renditejagd

Weil die Zinsen der sicheren Staatsanleihen niedrig bleiben, suchen Versicherungskonzerne nach Alternativen. Sie decken sich trotz hoher Preisniveaus immer mehr mit Immobilien ein. Die bringen Rendite – aber auch Risiko.

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Gewerbeimmobilien, egal ob Büros wie hier in Frankfurt oder auch Einzelhandels- und Logistikimmobilien, sind nicht nur bei Investoren, sondern auch bei Versicherern beliebt. Quelle: dpa

Wer den risikoscheuen deutschen Sparern einen gehörigen Schauer versetzen will, nennt den Namen Mario Draghi. Wer den risikoscheuen deutschen Versicherern einen Schrecken einjagen will, nennt ebenso nur den Namen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank. Der Grund: Jahrzehntelang konnte die traditionell konservativ anlegende Versicherungsbranche hohe Garantiezins-Versprechen einlösen – dank gut verzinster Staatsanleihen. Doch heute, da der Leitzins bei 0,0 Prozent liegt und selbst die Rendite für eine zehnjährige deutsche Bundesanleihe nur 0,3 Prozent abwirft, haben sich die Zeiten geändert. „Was die EZB betreibt, ist finanzielle Repression“, sagte Allianz-Chef Oliver Bäte in einem Interview.

Deutschlands Büroimmobilienmarkt ist überhitzt - Anleger suchen nach Alternativen. Offene Immobilienfonds aus Deutschland haben nun die USA entdeckt: Im vergangenen Jahr ging ein Drittel der Investition nach Nordamerika.

Eine Alternative muss her. Und die finden Versicherer offenbar zunehmend am Immobilienmarkt. Wie eine Untersuchung von EY Real Estate unter 35 Versicherungsunternehmen herausfand, ist die Immobilienquote von 6,0 Prozent im Jahr 2009 auf aktuell 9,7 Prozent gestiegen. Noch in diesem Jahr könnte sie erstmals auf den Rekordwert von 10,7 Prozent schnellen. Dietmar Fischer, Partner bei EY und Studienautor, macht dies vor allem an einer Entwicklung fest: „Den Versicherern gehen wegen des anhaltenden Zinstiefs die Alternativen aus.“

Die Zahl der befragten Unternehmen scheint mit 35 klein zu sein. Doch Fischer betont, dass die Befragten mehr als vier Fünftel des investierten Immobilienkapitals der Branche ausmachten.

Mit 85,1 Prozent machen Rentenpapiere nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) heute noch immer den mit Abstand größten Anlageteil aus. Nur gibt es bei denen eben das Problem der niedrigen Verzinsung. Bei direkten Immobilienanlagen erhoffen sich die befragten Assekuranzen eine höhere Rendite von durchschnittlich 4,4 Prozent. „Sehr sportlich“, wie Fischer findet. „Eine drei vor dem Komma ist realistischer.“

Die Aktienmärkte stecken die Schwäche der Technologieaktien und die amerikanische Zinserhöhung locker weg. Für die nächsten Wochen haben sich die Aussichten an den Börsen wieder aufgehellt.
von Anton Riedl

Im Schnitt hielten die Versicherer 3,6 Milliarden Euro an Anlageklassen in Immobilien. Das Gesamtvolumen belaufe sich auf rund 110 Milliarden Euro. „Trotz steigender Preise zählen Immobilieninvestments weiter zu den Anlageklassen, die in der Assekuranz am stärksten ausgebaut werden“, sagt Dietmar Fischer.

So peilt etwa die Gothaer nach eigenem Bekunden in diesem Jahr eine Immobilienquote von 10,0 Prozent an. Derzeit liegt sie noch bei 8,9 Prozent. Für den Sprung hat sie 400 Millionen Euro im Budget eingeplant. Bereits im Jahr 2015 hatte die HanseMerkur ihr Ziel ausgegeben, verstärkt in Sachwerte und allen voran Immobilien zu investieren. Binnen weniger Jahre hat die Hamburger Versicherung ihre Immobilienquote bis 2016 auf knapp zehn Prozent verdoppelt.

Bei den Versicherern besonders im Fokus stehen Büro- und Einzelhandelsimmobilien; hier wollen jeweils knapp drei Viertel aller Befragten zukaufen. Ähnlich begehrt sind Wohnimmobilien, bei denen 68 Prozent der Befragten Zukäufe planen. Möglichst zentrale Lagen mit langen Mietverträgen sollen es sein, in anderen Worten: So sicher wie möglich.

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