Widerrufsjoker Aufstand gegen die Finanzaufsicht

Tausende Kreditnehmer können wegen fehlerhaften Widerrufsklauseln aus alten Baukrediten aussteigen und tausende Euro sparen. Die Frist dafür läuft in den nächsten Wochen ab. Die Finanzaufsicht Bafin kümmert's kaum.

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Anlegeranwälte und Verbraucherschützer fordern von der Bafin mehr Einsatz beim Wiederruf von Immobilienkrediten. Quelle: dpa

Wenn es vor den Bundesgerichtshof geht, dann gehen viele Banker auf Nummer sicher. Eigentlich sollte am Dienstag ein höchstrichterliches Urteil verkündet werden. Es ging um fehlerhafte Widerrufsklauseln in alten Baugeldverträgen. Doch der Termin platzte, das Hamburger Bankhaus Wölbern einigte sich mit dem Kunden.

Bereits vor einer Woche und Anfang April fielen zwei andere Verhandlungen aus, weil die betroffenen Banken kurz zuvor einen Rückzieher machten. Verbraucherschützer und Fachanwälte sehen darin eine Strategie der Kreditinstitute, um unter Kunden Unsicherheit zu verbreiten. Denn höchstrichterliche Urteile werden von unteren Instanzen gerne als Vorlage für Entscheidungen in anderen Fällen genutzt. Kreditnehmer müssen sich in ähnlich gelagerten Fällen also weiterhin auf einen Gang durch die Instanzen einstellen.

Anlegeranwälte und Verbraucherschützer fordern von der Bafin mehr Einsatz beim Widerruf von Immobilienkrediten. Quelle: dpa

Wer bei der Wahrung seiner Ansprüche auf die Finanzaufsicht Bafin hofft, macht ähnliche Erfahrungen. Denn die Bafin klärt ihre Kunden nur spärlich über das Thema auf, das tausende Immobilienbesitzer derzeit umtreibt – so die Kritik von Anwälten und Verbraucherschützern. Noch bis zum 21. Juni dieses Jahres können Kreditnehmer Baugeldverträge mit fehlerhaften Widerrufsklauseln aus den Jahrgängen 2002 bis 2010 anfechten.

Die Kunden müssen sich sputen, denn sie brauchen einen versierten Fachanwalt sowie eine verbindliche Zusage für Anschlussdarlehen der neuen Bank, da sie die Darlehenssumme im Falle einer Rückabwicklung sofort an die alte Bank überweisen müssen.

Dabei zählt der „kollektive Verbraucherschutz“ jetzt auch offiziell zu den Aufgaben der Bafin. „Wir wollen ein angemessenes Schutzniveau für alle Verbraucher - egal, in welchem Finanzsektor sie unterwegs sind", erklärte Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele bei der letzten Jahreskonferenz in Frankfurt.

Dort berichteten die Aufseher von unzulässigen Gebühren der Banken für Kredite, die nach einem höchstrichterlichen Urteil erstattet werden müssen und mahnten eine „kundenfreundlichere Vorgehensweise“ an. Auch die Bausparkassen waren ein Thema, die wegen der anhaltenden Niedrigzinsen alte Hochzinsverträge kündigen. Aktuell will die Aufsicht in einer Umfrage klären, „ob Banken und Sparkassen systematisch Kunden benachteiligen, indem sie bei Verbraucherkrediten Zinsänderungen mit ungerechtfertigter Verzögerung an die Kunden weitergeben".

Während Banken, Kunden und Anwälte im Streit um alte Kredite kurz vor Fristende Vollgas geben, hält sich die Finanzaufsicht beim Widerrufsjoker eher bedeckt. Ein Sprecher verweist auf einen Artikel im Bafin-Journal von April dieses Jahres und auf die Internetseite. Anwalt Reiter kritisiert den Beitrag: „Es werde nicht deutlich, dass das schärfste Schwert unter den Verbraucherrechten, nämlich das Widerrufsrecht, für Darlehensverträge bis 2010 dem Verbraucher aus der Hand geschlagen wird“. Stattdessen werde mit Informationen über vermeintlich verbraucherfreundliche neue Gesetze der Eindruck erweckt, der Verbraucher würde durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie in seinen Rechten allein gestärkt.

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