Die Immobilienpreise und Mieten steigen seit Jahren, in den Großstädten wird bezahlbarer Wohnraum knapp. Froh ist deshalb, wer schon seit langer Zeit einen Mietvertrag in der Tasche hat und noch zu alten Konditionen in begehrter Lage wohnen kann.
Aber derlei Filetstücke sind nicht nur bei Wohnungssuchenden gefragt, auch deren Vermieter wissen um den Wert ihrer Immobilien – und melden immer öfter Eigenbedarf an. Der Deutsche Mieterbund pocht vor diesem Hintergrund auf einen besseren Schutz von Mietern vor Kündigungen. Dazu müssten im Gegenzug die Rechte der Vermieter eingeschränkt werden, sagte Mieterbunds-Direktor Lukas Siebenkotten der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Er forderte, den Kreis von Personen, die Eigenbedarf an einer Wohnung geltend machen dürfen, auf Familienmitglieder zu begrenzen.
Mieterbund und Eigentümerverbände beobachteten daher mit Argusaugen ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH), in dem heute das Urteil gesprochen wurde. Im Streit um die Räumung einer Mietwohnung hatte der BGH die Interessen einer jungen Eigentümerfamilie gegen diejenigen eines betagten Ehepaars abzuwägen. Der 1930 geborene Mieter lebt mit seiner Frau seit 20 Jahren in der Wohnung in Sinzheim bei Baden-Baden. Die Vermieter wohnen mit im Haus und haben den beiden gekündigt, weil ihnen nach ihrer Darstellung mit zwei kleinen Kindern die eigene Wohnung zu klein wird. Sie wollen ihr Eigenheim so umgestalten, dass sie dort künftig alleine leben. (Az. VIII ZR 270/15)
BGH-Urteil: Härtegründe müssen intensiv geprüft werden
Nun hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden: Wenn gekündigte Mieter schwere gesundheitliche Probleme vorbringen, um sich gegen die Räumung zu wehren, müssen Gerichte dem ganz besonders sorgfältig nachgehen.
Der zuständige Richter hat sich laut diesem Urteil sehr genau anzuschauen, welche Folgen der Umzug für den Betroffenen haben könnte und wie wahrscheinlich es ist, dass diese eintreten.
Dem 87 Jahre alten Mann, der an einer beginnenden Demenz leide, sei demnach womöglich kein Umzug mehr zuzumuten. Bis auf weiteres können die beiden nun bleiben. Denn das zuständige Landgericht muss den Fall auf Geheiß des BGH nun gründlicher prüfen.
Mieterbund-Experte Siebenkotten geht da noch deutlich weiter: Er verlangte, der Gesetzgeber müsse Vermieter auch dazu verpflichten, dem Mieter bei Eigenbedarf andere, freie Wohnungen im selben Haus als Ersatz anzubieten.
Laut Mieterbund kommt es immer öfter zu Kündigungen wegen Eigenbedarfs. Siebenkotten kritisierte, dass häufig finanzielles Kalkül dahinterstecke. Pro Jahr gebe es inzwischen mehr als 26.000 Prozesse um Kündigungen, weil Mietern wegen unpünktlicher Zahlung, Nichtzahlung der Miete oder Eigenbedarf gekündigt wurde.