Großkonzerne Staaten rüsten gegen legale Steuerflucht auf

Die Gewinnverlagerungen multinationaler Großkonzerne sollen erschwert werden. Dazu legte die OECD nun den ersten Teil eines Aktionsplans vor. Sonderregelungen für High-Tech-Firmen sind noch umstritten.

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Über dem Logistikzentrum des Unternehmens Amazon in Leipzig scheint die Sonne: Multinationale Konzerne wie Apple, Amazon und Co. können Gewinne und Kosten über Ländergrenzen hin und her schieben – auf diese Weise gelingt es ihnen, die Steuern kräftig zu drücken. Quelle: dpa

Paris Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer rüsten im Kampf gegen legale Steuertricks multinationaler Großkonzerne auf. Die Industrieländer-Organisation OECD präsentierte am Dienstag in Paris ein erstes Maßnahmenbündel gegen Steuerflucht. Künftig soll es nicht mehr so leicht möglich sein, Gewinne so lange zwischen mehreren Unternehmenstandorten zu verschieben, bis kaum oder gar keine Steuer mehr anfällt. Experten schätzen, dass den Staaten wegen ausgefeilter Firmenstrukturen jährlich Steuereinnahmen in Billionen-Höhe entgehen.

Die OECD-Vorschläge sollen am Wochenende von den Finanzministern der G20-Staaten bei einem Treffen im australischen Cairns verabschiedet werden. Damit wollen sie das Signal setzen, dass man gemeinsam weltweit ernst machen will mit der Schließung von Steuerschlupflöchern.

Nach Angaben der EU-Kommission entgehen alleine den EU-Staaten jährlich durch legale und illegale Steuer-Praktiken Einnahmen von einer Billion Euro. Die Finanzminister der 20 großen Industrie- und Entwicklungsländer (G20) hatten die OECD daher 2012 um die Entwicklung eines 15 Punkte umfassenden Aktionsplans gebeten. Die ersten sieben Punkte legte die OECD nun vor, die restlichen acht folgen 2015.

Ziel des Aktionsplans ist es, dass multinationale Konzerne dort, wo sie Geschäfte machen, auch angemessen Steuern zahlen. Schwung hatte die Debatte gewonnen, nachdem unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters darüber berichtet hatte, wie Internetriesen wie Amazon und Google oder der US-Kaffeeröster Starbucks und unzählige andere Konzerne durch – legale – Gewinnverlagerungen Steuern sparen. So hatte die Europa-Zentrale von Amazon nach Reuters-Recherchen in Luxemburg 2011 einen Umsatz von 9,1 Milliarden Euro gemeldet, aber nur einen zu versteuernden Gewinn von 29 Millionen Euro.

Der erste Teil des Aktionsplans enthält drei umfassende Berichte, mit denen Licht in das internationale Steuerdickicht geworfen werden soll. So hat die OECD untersucht, wie weltweit tätige Konzerne die neuen digitalen Möglichkeiten nutzen, um Steuern zu drücken. Dabei hat die Organisation insbesondere die Internetwirtschaft im Blick, aber nicht nur die. Die Regeln zur Besteuerung von Betriebsstätten, die teils noch aus der Zeit des Völkerbundes von 1920 stammen, greifen hier kaum noch.

Der zweite Bericht beschäftigt sich mit der Frage, wie die rund 3000 existierenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Staaten geändert werden könnten. In dem dritten Bericht geht es darum, wie schädlicher Wettbewerb unter den Staaten eingedämmt werden kann, die sich mit Sonderregeln („Patentboxen“) Standorte von High-Tech-Firmen und damit Steuerquellen streitig machen.


Patentboxen noch umstritten

Außerdem schlägt die OECD vier konkrete Maßnahmen vor, die – weltweit umgesetzt – vielen heute genutzten Steuertricks die Grundlage entziehen würden. So soll es einheitliche Regeln für sogenannte hybride Finanzinstrumente geben. Angegangen wird damit das Problem, dass Tochterfirmen in manchen Ländern zum Beispiel Zahlungen an ihre Zentrale als Zinsen steuermindernd geltend machen, diese im Land der Konzernmutter aber als steuerfreie Dividende ankommen. Im Extremfall kommt es dadurch zur einer doppelten Nicht-Besteuerung von Erträgen. Außerdem soll es Mindeststandards für die Anwendbarkeit von Doppelbesteuerungsabkommen geben, damit diese nicht missbraucht werden.

Auch sollen sich Konzerne für die Steuer nicht mehr arm rechnen können, indem sich Mutter und Töchter willkürliche Preise für ihre konzerninternen Leistungen in Rechnung stellen. Schließlich sollen Konzerne künftig den Steuerbehörden mitteilen müssen, wie viel Steuern sie in welchem Land bezahlen.

Der OECD zufolge herrscht über die meisten der sieben Punkte des Aktionsplans unter den OECD- und G20-Ländern Einigkeit. Allerdings gebe es auch noch Gesprächsbedarf, zum Beispiel über die Patentboxen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat bereits klar gemacht, dass er notfalls zu einem nationalen Alleingang bereit ist, wenn es in diesem Bereich keine Fortschritte gibt. Dies sieht auch der Koalitionsvertrag vor. In Großbritannien zum Beispiel liegt der Steuersatz auf solche Gewinnanteile nur bei zehn Prozent. Deutschland hat bisher keine solche "Patentbox". Hierzulande werden die zu versteuernden Unternehmensgewinne mit einem Satz von rund 30 Prozent belastet.

Der OECD zufolge wird sich der zweite Teil des Aktionsplan, der in einem Jahr vorgelegt wird, unter anderem mit Fragen wie dem Außensteuerrecht befassen. Würden alle in der G20 und der OECD vertretenen Staaten dem Aktionsplan zustimmen, würden damit neue Standards in einem Gebiet gesetzt, in dem 90 Prozent des weltweit Bruttoinlandsproduktes (BIP) erwirtschaftet werden.

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