Prozessfinanzierung Risiko abtreten, Chance teilen

Gegen Erfolgsbeteiligung übernehmen Prozessfinanzierer das Kostenrisiko eines Prozesses. Wann die Finanzierer einspringen, welche Fallen drohen.

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Justitia-Figur Quelle: dpa

Null Risiko gegen etwas geringere Ertragschancen: Auf diesen Nenner lässt sich die Prozessfinanzierung bringen. Kläger in spe ohne eigene Rechtsschutzpolice oder ohne Deckungszusage ihres Versicherers müssen nicht aus Angst vor den Prozesskosten auf ihr Recht verzichten. Sie nehmen einen Prozessfinanzierer an ihre Seite, der fortan alle Kosten für Anwalt und Gericht übernimmt. Anders als bei der staatlichen Prozesskostenhilfe trägt der Finanzierer bei einer Niederlage auch die Kosten der Gegenseite. Dafür bekommt er im Erfolgsfall ein Stück vom Kuchen: Von der erstrittenen Summe darf er alle nicht von der Gegenseite erstatteten Kosten abziehen; vom Rest behält er meist noch 20 bis 30 Prozent. Immerhin können Kunden der Finanzierer diese Beteiligung oft von der Steuer absetzen und die tatsächliche Belastung so drücken.

Damit sich die Prozessfinanzierung rechnet, springen die Finanzierer nur bei aussichtsreichen Fällen ein. Von zehn Anfragen nehmen sie nur ein bis zwei an. Prinzipiell stehen die Finanzierer für alle Rechtsgebiete offen. Damit sie ihre Erfolgsbeteiligung gut berechnen können, sollten die Kläger aber eine Geldsumme einklagen, zum Beispiel Schadensersatz. Die größeren Prozessfinanzierer, Foris, Legial und Roland Prozessfinanz, verlangen über 100.000 oder sogar 200.000 Euro Streitwert (Foris). Ihr Kalkül: Da das Kostenrisiko mit höherem Streitwert nicht proportional ansteigt, bieten diese Prozesse bessere Ertragschancen. So steigen die Gesamtkosten bei Prozessniederlage zum Beispiel nur um gut 40 Prozent, wenn sich der Streitwert von 50.000 auf 100.000 Euro verdoppelt. Im Erfolgsfall winkt dem Finanzierer aber eine doppelt so hohe Beteiligung. Kleinere Finanzierer übernehmen auch niedrige Streitwerte (siehe Tabelle). Außerdem gibt es Nischenanbieter: Fluggäste können nach Verspätungen ihre Entschädigung von widerspenstigen Gesellschaften einklagen, maximal 600 Euro. Finanzierer wie EUclaim und Flightright sind darauf spezialisiert.

Prozessfinanzierer überprüfen auch, wie finanzstark die Gegenseite ist. Schließlich bleiben sie auf ihren Kosten sitzen, wenn die Gegenseite trotz Prozesserfolgs nicht zahlen kann. Nur wenn Streitwert, Erfolgschancen und Bonität des Beklagten passen, geben die Finanzierer ihr Okay. Zwei bis drei Wochen braucht etwa Foris im Normalfall bis zur Entscheidung.

Kostenlos in den Kampf ziehen
Diese Prozessfinanzierer übernehmen die Gebühren aussichtsreicher Prozesse. Im Erfolgsfall werden sie am Ertrag beteiligt.
AnbieterMindest- streitwert (Euro)ErfolgsbeteiligungAm Markt seitStreitwert 2012 (in MillionenEuro)¹Bilanzsumme (in Tausend Euro)²
Foris  Prozessfinanzierung200.00020 bis 30 Prozent des Ertrags bis 500.000 Euro; geringere Quote gegen Kostenbeteiligung1998ca. 30³19.845⁴
Legial (Ergo-Gruppe)100.00030 Prozent des Ertrags bis 500.000 Euro, 20 Prozent vom darüberliegenden Ertrag200011810.094⁴
Roland  Prozessfinanz100.000⁵30 Prozent des Ertrags bis 500.000 Euro, 20 Prozent vom darüberliegenden Ertrag;  bei vorgerichtlicher Einigung und Mediation 20 Prozent; individuelle Regelung möglich2001ca. 274148
Solvantis25.00030 Prozent des Ertrags bis 500.000 Euro, 20 Prozent vom darüberliegenden Ertrag20001115
SLB  Prozessfinanzierung19.00025 Prozent des Ertrags bis 500.000 Euro, 15 Prozent vom darüberliegenden Ertrag;  bei vorgerichtlicher Einigung nur 5 Prozent 2001k. A.240⁴
Acivo  Prozessfinanzierung10.00050 Prozent des Ertrags bis 50.000 Euro, 30 Prozent vom darüberliegenden Ertrag bis 500.000 Euro, darüber 20 Prozent; individuelle Regelung möglich2001k. A.circa 988
ExActorkein Minimum 50 Prozent des Ertrags bis 25.000 Euro, 40 Prozent vom darüberliegenden Ertrag bis 50.000 Euro, 30 Prozent vom darüberliegenden Ertrag bis 100.000 Euro (Maximum)19990,375⁴
Preußische  Prozessfinanzierungkein Minimum10 bis 25 Prozent je nach Zeitpunkt und Art der Verfahrensbeendigung2006k. A.2
¹neu zur Finanzierung angenommen; ²2012 oder letzte verfügbare Angabe; ³WirtschaftsWoche-Schätzung; ⁴Angabe für das Gesamtunternehmen (mit anderen  Geschäftszweigen); ⁵für Kunden der Roland Rechtsschutzversicherung schon ab 5000 Euro; Quelle: Unternehmensangaben, Geschäftsberichte, eigene Recherche

Viele Anwälte fragen für Mandanten bei mehreren Finanzierern an – und hoffen, dass einer mitspielt. Etwas Vorsicht ist geboten. Die kleineren Anbieter Prozessgarant und Juragent rutschten in den vergangenen Jahren in die Insolvenz. Angeblich veruntreute Gelder von Juragent wurden 2009 beschlagnahmt. An einem Münchner Finanzierer sollen sich Anwälte beteiligt haben, die Mandanten vermittelten. Das wäre nicht erlaubt.

Hinweise auf ähnliche Machenschaften bei aktiven Prozessfinanzierern gibt es nicht. Doch auch so könnten Kläger Probleme bekommen, wenn einem kleineren Anbieter im Prozess das Geld ausgeht. Die Bilanzsumme der Preußischen Prozessfinanzierung war zum Stichtag 31. Juli 2012 mit 2000 Euro besonders niedrig. Gerichtskosten seien aber bis in die zweite Instanz abgesichert, sagt Geschäftsführerin Jana Ullke.

Bei Acivo aus Jena sitzt im Aufsichtsrat ein Student. Fähige Nachwuchskräfte sollten frühzeitig Einblicke bekommen, begründet Acivo das. Dass der Aufsichtsrat der Sohn der Chefin ist, teilt der Finanzierer erst auf Rückfrage mit.

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