Sorgerecht im Sterbefall Wer bekommt das Kind?

Beim Tod einer alleinerziehenden Mutter oder eines Vaters bekommt nicht immer der andere Elternteil das Sorgerecht. Selbst eine frühzeitige Verfügung kann das Familiengericht einkassieren. So sorgen Alleinerziehende vor.

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Ein Kind mit Mütze vor einem Sonnenuntergang Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Frau Becker, Schlimmeres, als Vater oder Mutter zu verlieren, kann einem Kind kaum passieren. Für Trennungskinder ist die Lage nach dem Schock besonders schwierig, weil sich der überlebende Elternteil womöglich noch mit anderen um das Kind streitet. Wer bekommt denn das Sorgerecht, wenn eine alleinerziehende Mutter oder ein Vater sterben? Und gibt es einen Unterschied, ob die Eltern getrennt leben oder geschieden sind?

Eva Becker: Es macht keinen Unterscheid, ob die Eltern getrennt oder geschieden waren. Wenn die Eltern beide sorgeberechtigt waren und das Kind zu beiden Elternteilen eine enge Beziehung hat, wächst das Vollrecht an der Sorge ums Kind automatisch dem überlebenden Elternteil zu. Schwieriger wird es aber, wenn das Kind beispielsweise bei der Mutter aufgewachsen ist und ein distanziertes Verhältnis zum Vater hat, weil er nicht präsent war.

Zur Person

Was passiert dann?

Dann gibt das örtlich zuständige Jugendamt eine Empfehlung an das Familiengericht. Das allein wird dann entscheiden, wo das Kind aufwachsen soll. Möglicherweise ist es wegen seiner engeren Bindung bei den Großeltern oder dem langjährigen Lebensgefährten der Mutter aus Sicht des Gerichts besser als bei dem leiblichen Vater aufgehoben.

Die Fachanwältin für Familienrecht, Eva Becker, im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

Können ein Vater oder Großeltern, die sich übergangenen fühlen, dagegen beim Gericht ein Veto einlegen?  

Es kann schon sein, dass das Gericht aus Sicht des Kindswohles eine Großmutter schon als nicht mehr fit genug für die Erziehung betrachtet, selbst wenn das der ausdrückliche Wunsch der Mutter war. In dem Fall kann die Großmutter versuchen das Gericht vom Gegenteil zu überzeugen und beantragen, als Vormund bestellt zu werden. Das Gericht muss das berücksichtigen, einklagen kann die Großmutter das Sorgerecht aber nicht.

Wie können Alleinerziehende vorsorgen, damit ihr Nachwuchs im Ernstfall aus ihrer Sicht vom Richtigen großgezogen wird?

Die Eltern haben ein so genanntes Benennungsrecht für die Vormundschaft. Das kann auch noch aufgeteilt werden an unterschiedliche Personen, zum Beispiel wenn es um den Aufenthaltsort, das Vermögen, die Gesundheitsvorsorge oder religiöse Erziehung des Kindes geht. Alleinerziehende können das formlos in wenigen Sätzen schriftlich festhalten.

Was muss darin stehen?

Zunächst nur beispielsweise „Im Fall meines Todes möchte ich XY als Vormund für mein Kind einsetzen.“ Ganz wichtig dabei ist aber die ausführliche Begründung, warum das Kind zum Beispiel zum Vater, zur Tante, zum Paten soll oder umgekehrt die Begründung, warum es gerade nicht zu einer bestimmten Person soll, die womöglich einen Anspruch auf das Kind erhebt. Gründe für den Ausschluss können sein, dass keine Beziehung besteht oder jemand das Kind geschlagen hat.

Egal ob es um eine Begründung für oder gegen jemanden geht, beides erleichtert dem Gericht die Recherche erheblich, um eine Entscheidung im Sinne des Kindswohles zu finden.

Gibt es Fallstricke?

Es gibt zwei praktische Probleme. Erstens: Die Verfügung muss nach dem Tod auch gefunden werden! Eltern sollten also Dritte darüber informieren, wo sie ihre Verfügung hinterlegt haben. Und zweitens sollte es dann auch jemand lesen, der ernst nimmt, was die oder der Verstorbene verfügt hat. Das ist leider nicht selbstverständlich.

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