Nachdem der Bundesrat im Sommer 2017 zustimmte, konnte das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) wie geplant am Neujahrstag 2018 in Kraft treten. Da sich die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD einig waren, gab es keinen Widerstand und langes herumdoktern am Gesetzestext im Bundesrat - ungewöhnlich für eine Rentenreform. Zweieinhalb Jahre zähen Ringens aller Interessenvertreter fanden so ein versöhnliches Ende.
Für künftige Betriebsrentner wird das Gesetz vieles ändern. Tatsächlich bringt es ein paar deutliche Verbesserungen, und zwar nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Arbeitgeber. Vor allem in einem Punkt besteht jedoch Nachbesserungsbedarf.
Doch der Reihe nach. 57 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben Stand 2017 eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente, das sind mehr als 20 Millionen Arbeitnehmer. Das Problem: Diese Quote ist je nach Betriebsgröße sehr ungleich verteilt. Während die Quote in Großbetrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten bei etwa drei Vierteln der Belegschaft liegt, nutzt das bAV-Angebot in Kleinbetrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern nicht einmal jeder Dritte.
Und da liegt das Dilemma: Besonders die unteren Einkommensschichten sind von einer drohenden Rentenlücke betroffen. Geld für eine betriebliche oder private Zusatzvorsorge fehlt meist oder betriebliche Altersversorgung lohnt sich für diese Arbeitnehmer schlicht nicht. Gerade aber diese Gruppe leidet unter dem sinkenden Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung und bräuchte mit einer betrieblichen Altersversorgung eine starke zweite Einkommensquelle im Alter. Sonst drohen diese späteren Rentner ein Fall für den Sozialstaat zu werden, die den Steuerzahler belasten.
Betriebsrente stärken, Geringverdiener unterstützen
Das BRSG soll diesen Missstand beheben – und zumindest scheint ein großer Schritt in diese Richtung gelungen. Zwar haben Arbeitnehmer schon seit langem Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung, jedoch mussten sie diese bislang aktiv einfordern, sofern der Arbeitgeber hierzu kein Angebot machte – was insbesondere in den kleinen und mittelständischen Betrieben häufig dazu führte, dass die zweite Säule der Altersvorsorge neben gesetzlicher und privater Rente schlicht ignoriert wurde. Gerade für Geringverdiener, die keine Aussicht auf einen Arbeitgeberzuschuss hatten, war die Belastung oft zu hoch. Für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer war sie unter dem Strich einfach unattraktiv: zu teuer, zu riskant, zu unflexibel, zu kompliziert.
Das BRSG geht einige dieser Defizite gezielt an. Wesentlicher Punkt dabei ist die Tarifexklusivität. Die besagt, dass dieses neue bAV-Modell in Tarifverträgen verankert sein muss, bei neuen Verträgen ab 2019, Altverträge müssen bis 2022 angepasst werden. Unternehmen ohne Tarifbindung können sich an Tarifverträge anhängen und deren Regeln zu eigen machen. So ist gewährleistet, dass eine verbindliche Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerseite zustande kommt. Die Tarifverträge dürfen aber ebenso eine betriebliche Altersversorgung nach alten Regeln vereinbaren.
Es gibt also neue Gestaltungsmöglichkeiten. Hier die wesentlichen Neuerungen.
Das neue Rentenkonzept der SPD
Für künftige Rentner bedeutet das laut Nahles höhere Renten, als sie nach derzeitigem Recht zu erwarten hätten. Ein Durchschnittsverdiener erhielte 2030 nach ihren Worten auf Grundlage des SPD-Konzepts 150 Euro mehr Rente im Monat, ein Facharbeiter könne mit einem Plus von 225 Euro rechnen. Das seien 8,1 Prozent mehr als nach geltendem Recht.
Die Kosten bezifferte Nahles auf 20 Euro per Person und Monat, wenn die Gesamtkosten von 19,2 Milliarden Euro im Jahr 2030 auf die Bevölkerung von 80 Millionen verteilt würden.
Quelle: Reuters
Stand: 07.06.2017
Derzeit erhält ein Rentner, der 45 Jahre den Durchschnittlohn verdient hat, eine Rente von 48 Prozent des aktuellen Durchschnittslohns. Dieses Rentenniveau ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Im Jahr 2003 lag es noch bei 53,3 Prozent. Ein weiteres Absinken ist programmiert durch die rot-grünen Rentenreformen: Ein Nachhaltigkeitsfaktor sorgt dafür, dass die Renten langsamer oder gar nicht zulegen, wenn die Zahl der Rentner stärker steigt als die Zahl der Beschäftigten. Nach derzeitigen Berechnungen könnte das Rentenniveau bis 2030 auf 44,7 Prozent fallen. Laut SPD-Konzept soll es nun bis 2030 stabil bei 48,0 Prozent bleiben.
Den Beitrag zur Rentenversicherung teilen sich je zur Hälfte Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dieser beträgt derzeit 18,7 Prozent. Nach bisherigen Berechnungen muss der Beitrag erstmals 2022 wieder steigen und bis 2030 auf 21,8 Prozent klettern. Das SPD-Konzept sieht ab 2024 einen etwas stärkeren Anstieg vor, der 2030 21,9 Prozent erreichen würde. Jedes Zehntel Beitragssatzpunkt mehr kostet die Beitragszahler derzeit rund 1,3 Milliarden Euro.
Ab 2028 soll laut SPD-Konzept der Bund einen "Demografiezuschuss" in die Rentenkasse zahlen. Dieser würde von 14,5 Milliarden auf 15,3 Milliarden Euro im Jahr 2030 steigen.
Schon ab 2018 soll eine Solidarrente für Geringverdiener greifen, die 35 Jahre oder länger Beiträge gezahlt haben. Die Solidarrente soll zehn Prozent über der regional unterschiedlich hohen Grundsicherung im Alter liegen, die in der Höhe Hartz IV entspricht. Dabei werden Zeiten der Kindererziehung und Pflege angerechnet.
Selbstständige sollen die Rentenversicherung einbezogen werden, sofern sie nicht über ein Versorgungswerk abgesichert sind, die es etwa für Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte und Steuerberater gibt. Nach Angaben aus dem Arbeitsministerium gibt es etwa drei Millionen Selbstständige, bei denen nicht klar ist, ob sie in irgendeiner Form abgesichert sind. Durch die Einbeziehung eines Teils von ihnen steigen die Beitragseinnahmen. Laut Nahles werden Einnahmen in Höhe von 0,4 Prozentpunkten eines Beitragspunktes erwartet. Die SPD sieht dies als ersten Schritt zu einer Erwerbstätigenversicherung.
Ende der Garantierente
Arbeitgeber mussten bislang eine Garantie über die Mindesthöhe der Rente abgeben. Für den Fall, dass diese Höhe mit dem Vorsorgeprodukt nicht zu realisieren war, muss der Arbeitgeber aus eigenen Mitteln für die Differenz gerade stehen. Gerade in Zeiten, in denen risikoarme Anlageprodukte kaum noch Rendite bringen, wird die bAV für Arbeitgeber so zu einem hohen finanziellen Risiko.
Mit dem BRSG fällt die Garantie, lediglich die einzahlten Beiträge sollen bei Renteneintritt garantiert zur Auszahlung kommen. Produktanbieter und Arbeitgeber können so die Renditechancen am Kapitalmarkt besser nutzen, die ihnen zuvor verwehrt blieben. Zugunsten einer besseren Verzinsung können sie nun stärker in Aktien und ausländische Märkte investieren. Um die „Zielrente“ – eine Prognose der angestrebten Rentenhöhe – mit hoher Sicherheit zu erreichen, können Tarifverträge eine zusätzliche Sicherheitsleistung des Arbeitgebers vorsehen.