Gesetzliche Rente Das Rentenniveau ist vor dem Fall

Den Rentnern winkt das größte reale Plus seit fast 40 Jahren. Doch das Rentenniveau sinkt weiter ab. Und der Rentenpräsident mahnt: Was die Koalition gegen Altersarmut derzeit noch im Köcher hat, dürfte kaum reichen.

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Was von der Privatrente übrigbleibt
Die sinkenden Renditen bei der Lebensversicherung sind ein Aufreger-Thema in Deutschland. In der Ansparphase erwirtschaften die Gesellschaften heute kaum mehr als sie durchschnittlich an Garantien für ihre Kunden bereithalten müssen. Verbraucherschützer raten Kunden daher seit Jahren, ihr Geld separat anzusparen – und erst zum eigentlichen Rentenantritt an eine Rentenversicherung abzutreten, die dann das Langlebigkeitsrisiko übernimmt. Je besser eine Gesellschaft ab dann wirtschaftet und anlegt, desto höher fällt die Sofortrente aus. Ein aktueller Map-Report hat sich angesehen, welche Versicherer bei der Sofortrente in der Vergangenheit am besten abgeschnitten haben. Quelle: dpa
Die zentrale Frage des Map-Reports lautet: Was hat der Versicherer aus der Einmalzahlung machen können? Oder genauer: Wie viel haben Kunden an monatlicher Rente ausbezahlt bekommen, wenn sie 1995 (und auch 2000 und 2005) 50.000 Euro Einmalzahlung an eine Rentenversicherung gegeben haben? Bei der dynamischen Variante, bei der ein einmal erreichtes Rentenniveau nicht mehr unterschritten werden darf, liegt die Debeka an erster Stelle. In den 20 Jahren 1995 bis heute haben sich die Rentenzahlungen auf 98.749 Euro aufsummiert – das sind knapp 9.000 mehr als der Durchschnitt. 464,53 Euro monatlich bezahlt sie ihren Kunden seit dem 1.1.2015 aus. Quelle: dpa
Nach der Debeka rangiert die Cosmos Versicherung auf dem zweiten Platz bei den dynamischen Renten über 20 Jahre. Bei ihr wurden aus 50.000 Euro Einmalzahlung 94.672 Euro oder 417,26 Euro Rente seit dem 1.1.2015. Der Map-Report sieht das Modell, das die Renten dynamisch an die Entwicklung der Überschüsse anpasst, allerdings kritisch: Im Niedrigzinsumfeld der vergangenen Jahre habe kaum ein Versicherer mehr die Rentenzahlungen anheben können. Der Grund: Wegen der Niedrigzinsen gehen die Überschüsse seit längerem kontinuierlich zurück. Quelle: Screenshot. Quelle: Handelsblatt Online
Platz drei bei den dynamischen Sofort-Renten über 20 Jahre belegt die Württembergische. Sie machte aus einst 50.000 Euro nach 20 Jahren 93.850 Euro oder 421,87 Euro Rente ab dem 1.1.2015. Die mit Abstand meisten Teilnehmer der Untersuchung meldeten Daten zur dynamischen Rentenversicherung, heißt es im Map-Report – „aus gutem Grund“. Denn es sieht besser aus, wenn die Rentenleistungen im dynamischen Modell – trotz Niedrigzinsen – zumindest konstant bleiben. Quelle: dpa
Wie stark die „erzwungene“ Rentengarantie im dynamischen Modell die Wirklichkeit verzerrt, wird bei den Gewinnern Debeka, Cosmos und Württembergische besonders sichtbar. „Während die dynamische Rente steigt oder zumindest das erreichte Niveau hält, rauscht der konstante Vertrag ab dem Jahr 2002 in den Keller“, so der Report. Bei der Cosmos sinkt die Monatsrente von 2002 bis 2005 von 407 Euro um 69 Euro auf 338 Euro. Bei der Württembergischen sinkt die Rente im selben Zeitraum um 71 Euro, bei der Debeka sogar um 93 Euro. Quelle: dpa
„Unter den gegeben Bedingungen sind die Ergebnisse der Rentenleistungen der Lebensversicherer bemerkenswert gut“, heißt es im Map-Report. Dies gilt allerdings vor allem für den Fall, bei dem die Sofortrentenzahlungen seit 1995 laufen. Je später der Versicherer mit der Rentenzahlung begonnen hat, umso eher schlägt sich das Niedrigzinsumfeld auf die Ergebnisse nieder – und umso länger muss ein Vertrag laufen, damit der Kunde seine Einmalzahlung wiedersieht. Quelle: dpa
Recht komfortabel sieht es also bei Rentenzahlungen aus, die nach einer Einmalzahlung von 50.000 Euro, bereits ab 1995 bezahlt werden. Bei der Rente mit konstantem Überschusssystem erreicht – laut Map-Branchenvergleich – ein Mustervertrag ab 1995 nach zehn Jahren und neun Monaten einen positiven Saldo zwischen Ein- und Auszahlungen. Länger dauert es bei der dynamischen Rente: Dort muss ein Kunde sich elf Jahre und acht Monate gedulden, bis er sein Eingezahltes wiedersieht. Quelle: dpa

Die gesetzliche Rente hinkt in den kommenden Jahren den Löhnen voraussichtlich noch stärker hinterher als bisher angenommen. Für das Jahr 2030 werde ein Rentenniveau von nur 44,2 Prozent erwartet, sagte der Vorstandsvorsitzende der Rentenversicherung, Alexander Gunkel, am Donnerstag in Bremen. Zuletzt lag dieses Verhältnis vom Durchschnittslohn zur Rente bei gut 48 Prozent. Der Beitragssatz dürfte laut Gunkel bis 2020 stabil bei 18,7 Prozent bleiben und dann bis auf 21,9 zehn Jahre später steigen.

Rufe nach einer neuen großen Rentenreform werden derzeit vor allem mit dem Verfall des Rentenniveaus begründet. So forderte SPD-Chef Sigmar Gabriel, die Renten dürften sich nicht zu stark vom Einkommen abkoppeln. CSU-Chef Horst Seehofer hatte gewarnt, dass die Kürzung des Rentenniveaus die Hälfte der Bevölkerung in die Sozialhilfe führe. Bis 2030 ist nach derzeitiger Rechtslage ein Absinken des Niveaus auf 43 Prozent erlaubt. Laut jüngstem Rentenbericht ist bis 2029 ein Niveau von 44,6 Prozent zu erwarten. Gunkel hatte es vor einem halben Jahr noch auf 44,3 Prozent für 2030 taxiert.

Mit Anzeichen von Nervosität wird in der Politik diskutiert, wie ein mögliches höheres Rentenniveau bezahlt werden soll. Der Präsident der Rentenversicherung, Axel Reimann, rechnete nun für das Jahr 2030 vor: „Ein um einen Prozentpunkt höheres Rentenniveau bedingt eine Erhöhung des Beitragssatzes um einen halben Prozentpunkt.“

Reimann machte auf Probleme aufmerksam: So sei der Anteil der Grundsicherungsbezieher unter den älteren Menschen auf drei Prozent gestiegen. Betriebliche und private Vorsorge seien wegen der niedrigen Zinsen unter Druck. Die von der Koalition geplante Lebensleistungsrente - also die Aufwertung kleiner Renten - werde Altersarmut kaum „entscheidend verringern“.

Zum 1. Juli profitieren die rund 20 Millionen Rentner zunächst von der höchsten Rentenerhöhung seit 23 Jahren, wie Gunkel auf einer Bundesvertreterversammlung bekräftigte. Die Steigerung um 4,25 Prozent im Westen und 5,95 Prozent im Osten koste im zweiten Halbjahr rund 6,2 Milliarden Euro.

Rechnet man die derzeit geringen Preissteigerungen mit ein, ist es sogar die höchste reale Rentenerhöhung seit 1977 - also seit fast 40 Jahren. Die Westrenten steigen preisbereinigt um über 3 Prozent.

Der Abstand der Standardrente Ost zur Westrente verringert sich weiter - von 7,4 Prozent im zweiten Halbjahr 2015 auf 5,9 Prozent. Künftige Rentenerhöhung dürften weit geringer ausfallen.

Die Nachhaltigkeitsrücklage werde voraussichtlich bis Ende des Jahres um rund 3,3 Milliarden Euro sinken, so Gunkel. Sie werde dann bei 30,7 Milliarden Euro liegen. Danach werde sich der Abbau der Rücklage beschleunigen - zu Buche schlügen die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente mit 63 sowie die steigende Rentnerzahl.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, forderte: „Das allgemeine Rentenniveau muss mindestens auf dem heutigen Stand stabilisiert werden und darf nicht weiter absinken.“ Der Grünen-Rentenexperte Markus Kurth sprach von einem „freie Fall des Rentenniveaus“. Die neuen Zahlen zeigten, „dass die Entwicklung sogar noch schlimmer ausfällt als bisher angenommen“. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ist dagegen weiter für ein Maßhalten bei der Rente und gegen ein höheres Rentenniveau, berichtete die „WirtschaftsWoche“ unter Berufung auf ein ZDH-Positionspapier.

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