Viel schöner als Palo Alto Boston ist das wahre Innovationszentrum der USA

Boston steigt zum neuen Techmekka der USA auf. Die Voraussetzungen, dass hier Weltmarktführer entstehen, sind ausgezeichnet. Das liegt nicht nur an den Eliteuniversitäten MIT und Harvard.

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Boston: Die Stadt an der Ostküste ist das wahre Zentrum für Industrieinnovationen in den USA. Die Voraussetzungen, dass hier Weltmarktführer entstehen, sind ausgezeichnet. Quelle: Laif

Baxter ist extrem zuverlässig und fleißig, er sorgt mit seiner positiven Ausstrahlung für gute Stimmung – und ist ein wahres Arbeitstier. Innerhalb eines Jahres hat sich der neue Kollege zum besten Mitarbeiter von Chris Budnick entwickelt. Budnick ist Chef des Familienunternehmens Vanguard Plastics, eines Kunststoffbetriebs in Connecticut, auf halbem Wege zwischen New York und Boston. Für knapp 25.000 US-Dollar kaufte er Baxter ein – einen menschenähnlichen Roboter mit Gelenkarmen und der Fähigkeit, Arbeitstätigkeiten zu erlernen, um Vanguards 42 Mann starkes Team zu unterstützen.

An diesem Herbstmontag sitzt Baxter, schwarzer Sockel, roter Oberkörper, zwei wachsame Augen auf einem LCD-Bildschirm, an einem Produktionsband und sortiert Medizinbecher. Mit seinen roten Greifarmen schnappt er sich jeweils zehn der Plastikbecherchen, dreht sie in der Luft einmal um die Querachse, führt sie über einen weißen Fangkorb, und lässt sie zielgenau fallen. Anschließend nimmt Baxter die zusammengestapelten Produkte wieder auf und wirft sie in eine Maschine, in der die Becherchen eingetütet werden. Über 500.000 Medizinbecher bereitet der Roboter innerhalb eines Monats so für den Versand vor. Er ist schneller als seine menschlichen Kollegen und arbeitet fehlerfrei. „Wir sind von seiner Arbeit derart angetan, dass wir inzwischen vier Roboter des gleichen Typs in unsere Produktion integriert haben“, sagt Budnick. Baxter sei aus seinem Betrieb „nicht mehr wegzudenken“.

Der Roboter stammt von Rethink Robotics, einem 2008 gegründeten Unternehmen, das nichts weniger vorhat, als die Arbeitswelt zu revolutionieren. Die Chancen stehen gut. Mit Baxter und seinem Nachfolger Sawyer, haben die US-Amerikaner zwei hoch entwickelte Produkte gebaut, die vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen aus der Industrie die Zukunftsfähigkeit sichern sollen. Angesiedelt ist das Unternehmen in Boston, im Bundesstaat Massachusetts – wie so viele Unternehmen, die in den Zukunftsbranchen Robotik und künstliche Intelligenz unterwegs sind. Und auch Unternehmen rund um Augmented Reality (AR), die neue Technologie, mit der man virtuelle Gegenstände per Display ins Gesichtfeld beamen kann, zieht es hierher. Boston entwickelt sich so zu einem der weltweit führenden Orte, an denen die Zukunft der Arbeit und Unterhaltungsbranche gebaut wird.

Impressionen der FutureBoard-Reise: USA
Auftakt der FutureBoard-Reise in den USA: Jan Geldmacher, Manager beim amerikanischen Telekommunikationskonzern Sprint, und Roni Bahar, Entwicklungschef des Bürovermittlers WeWork, im Gespräch mit Teilnehmer Wolfgang Bauer, IVG Immobilien AG. Quelle: Viviana Peretti
"Machines talk, we listen": Gründer Saar Yoskovitz erklärt die Idee hinter Augury und… Quelle: Viviana Peretti
… Miriam Meckel, Herausgeberin der WirtschaftsWoche, inspiziert die mitdenkenden Messgeräte von Augury. Quelle: Viviana Peretti
Unterwegs zur nächsten Station: Achim Leder hat das Start-up Jetline gegründet, das den Jetlag bei Flügen senkt. Die nächsten Tage verbringt er im Reisebus. Quelle: Viviana Peretti
Sabine Hansen von der Unternehmensberatung Kienbaum macht sich mit der Tagesroute vertraut und wieder… Quelle: Viviana Peretti
…andere aus der Reisegruppe nutzen die Busfahrten zwischen den FutureBoard-Stationen für eine Sightseeingtour – so wie Lea Treese von der Unternehmensberatung Accenture. Quelle: Viviana Peretti
FutureBoard, 3. Tag: Ankunft in New Haven und zu Gast bei der Yale University. Quelle: Viviana Peretti

Die Stadt ist die „Welthauptstadt der Robotik“, sagt gar Jim Lawton, Produktionsleiter und Vorstandsmitglied bei Rethink Robotics. In keiner anderen Stadt könnten Unternehmen und Start-ups so gute Forschungs- und Produktionsbedingungen finden wie in Boston. Sie profitieren von einer guten Infrastruktur, von der Bereitschaft der zahlreichen Risikokapitalgeber, Geld in die Start-ups und Unternehmen zu pumpen, und vor allem: von einer Vielzahl von jungen und technisch hervorragend ausgebildeten Arbeitnehmern. „Durch die Spitzenausbildung an den Universitäten wie dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Harvard ist der Pool an Talenten unglaublich groß“, sagt Lawton. Nirgends auf der Welt gäbe es größeres Fachwissen, mehr Begeisterung für die Technik – und den Entdeckerdrang, der inzwischen ganz Boston infiziert habe. „Wir kennen keine Grenzen“, sagt der Manager von Rethink Robotics. Ein typischer amerikanischer Optimist eben.

4000 neue Jobs und 200 Start-ups

Der aber durch die Realität bestätigt wird. In South Boston etwa, nördlich der First Street. Jahrzehntelang war der Stadtteil, den die Einheimischen nur „Southie“ nennen, typischer Arbeiterbezirk. Fabrikhallen, Irish Pubs und in die Jahre gekommene Wohnhäuser prägten den Bezirk. Bis der damalige Bürgermeister Thomas Menino 2010 die Neuerfindung ausrief und Straßenzüge bis zum Atlantikufer komplett überarbeiten ließ. Der Nahverkehr wurde massiv ausgebaut, die Fabrikhallen wurden zu modernen Büros umgebaut. Der „Innovation District“ sollte Jobs und Wachstum bringen und „Weltklasseprodukte und -dienstleistungen entstehen lassen“, so Menino damals. Sieben Jahre später ist seine Vision Wirklichkeit.

Die Delegationsreise zur 4. Industriellen Revolution

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